Seligsprechung von Maria Katharina Kasper

Seligsprechung von Maria Katharina Kasper – Predigt von Papst Paul VI.

Quelle
Dernbacher Schwestern

Sonntag, 16. April 1978

Verehrte Mitbrüder,
liebe Söhne und Töchter im Herrn!

Eine neue Selige wird den Gläubigen zur Verehrung vorgestellt: Mutter Maria Katharina Kasper. Ihr habt eben ihre Lebensgeschichte und die Darstellung ihrer Tugenden gehört. Wir wollen uns daher nicht damit aufhalten, ein biographisches Charakterbild zu zeichnen, sondern uns darauf beschränken, einige Worte zur Botschaft dieser Seligsprechung zu sagen, die gerade in dieser liturgischen Zeit, gekennzeichnet von der geistlichen Strahlkraft der Osterfreude, die ganze Kirche erfreut.

Diese Seligsprechung löst in einer nicht kleinen Ordensfamilie, nämlich der »Armen Dienstmägde Jesu Christi«, Jubel und Zustimmung aus, denn sie stellt das Beispiel einer Frau zur gemeinsamen Erbauung hin, die ihrer deutschen Heimat dadurch Ehre erwiesen hat, dass sie der Welt das tätige Zeugnis eines Katholizismus gab, der sich zur Ehre Gottes in den Dienst des Nächsten stellt. Bereits das Erdenleben dieser Frauengestalt, ihr fester Glaube, ihre Seelenstärke sind für uns wahrhaft eine Lektion echten Lebens nach dem Evangelium, weil sie sich ganz auf den Spuren des göttlichen Meisters bewegte. Als einfache, arme Bauerntochter lebte Katharina (die später den Namen Maria Katharina annahm) wie Jesus selbst in Arbeit und Entbehrungen und nahm die Demütigungen und Widerwärtigkeiten, denen sie auf ihrem Weg begegnete, als Willen des himmlischen Vaters an. Vor allem widmete sie sich wie er mit unermüdlicher Sorge der Linderung der vielfältigen Formen körperlichen und geistigen Elends: sie widmete sich armen und verlassenen Kindern, eröffnete Schulen, spendete den Kranken Hilfe und Trost, stand den Alten bei, und das alles immer mit einem Herzen, das von großer Liebe zu den bedürftigen Brüdern und Schwestern brannte. Diese Liebe wurde durch einen ständigen, gleichsam angeborenen Dialog mit jenem »Gott des Trostes« (2Kor 1,3) genährt, der sich eher durch die Liebe als durch ängstliche Spekulation erkennen lässt. Eben dieser schlichten Frau, der alle Mittel des technischen Fortschritts fehlten, die weder über Bildung noch über Geld verfügte, gelang es, ein großes kulturelles und soziales Werk ins Leben zu rufen, womit sich die tiefe Wahrheit der Worte des hl. Paulus bestätigte, wonach »Gott das Schwache in der Welt erwählt hat, um das Starke zuschanden zu machen« (1Kor 1,27).

So sind auch die freiwillige Armut und bewundernswürdige Nächstenliebe der Mutter Maria Katharina, die in einen hochherzigen Dienst an den Ärmsten und Verlassenen übersetzt wurden, eine ernste und dringende Mahnung an unsere heutige Generation, die sich nur zu oft um jeden Preis dem privaten und egoistischen Besitz und der Genusssucht hingibt. Die neue Selige stellt dem aufdringlichen Materialismus und der Konsumsucht der heutigen Gesellschaft die selbstlose Hingabe an alle Leidenden entgegen, so dass Solidarität und Mitmenschlichkeit – von denen man heute soviel spricht – keine bloßen Worte mehr bleiben, sondern zur konkreten, täglichen Pflichtübung werden, die das Christentum zu seinen strahlendsten Gipfeln führt. Für Mutter Katharina war Gott alles. Ihre kindliche Liebe zu ihm hat in einer unbegrenzten Liebe zum Nächsten ihren authentischen Ausdruck gefunden. Diese unvergleichliche Lehre von der Liebe zu Gott, die sich in der Liebe zu den Brüdern und Schwestern verwirklicht, ist die eigentliche Botschaft, die die neue Selige der Kirche und der Welt hinterlassen hat.

[Der Heilige Vater fährt in deutscher Sprache fort:]

Das segensreiche Lebenswerk der seligen Maria Katharina Kasper ist ebenso wie ihre persönliche Heiligkeit vor allem ein Geschenk der göttlichen Vorsehung und Gnade. »Ich konnte und wollte das nicht«, pflegte sie zu sagen, »Gatt hat es gewollt«. Sie selbst wünschte nur, gefügiges Werkzeug in den Händen des göttlichen Meisters, eine arme und demütige Dienstmagd Jesu Christi zu sein.

Der Name »Arme Dienstmägde Jesu Christi«, den Mutter Maria Katharina in gnadenhafter Fügung ihrer Ordensgemeinschaft gegeben hat, offenbart uns die innere Persönlichkeit und die Spiritualität der Gründerin selbst. Persönliche Armut und Liebe zu den Armen, Einfachheit und Demut und dienende Hingabe an die Mitmenschen um Christi willen sind die wesentlichen Merkmale, die die Frömmigkeit und das Apostolat unserer neuen Seligen auszeichnen. Es werden uns von ihr keine großartigen Eigenschaften und außergewöhnlichen Taten berichtet. Sie selber hat schlicht und dennoch eindrucksvoll vorgelebt, was sie von ihren Mitschwestern fordert: »Alle unsere Schwestern müssen Heilige werden – aber verborgene Heilige!«. Mutter Maria Katharina ist uns Vorbild besonders durch ihre Treue und Gewissenhaftigkeit in den kleinen, unscheinbaren Pflichten des Alltags und in ihrem Verlangen, in allen Lebenssituationen den Willen Gottes zu erfüllen. Ein klarer Blick für das Notwendige und stets hilfsbereite Liebe zum Nächsten verbinden sich bei ihr mit Beharrlichkeit und Entschlossenheit, wenn es gilt, Gottes Gebot und Fügungen anzuerkennen und zu verwirklichen. Der Leitsatz ihres Handelns lautet: »Der heilige Wille Gottes soll und muss geschehen in mir, durch mich und für mich«. Aus dieser innersten Verbundenheit und Übereinstimmung mit Gottes Wollen und Handeln wird ihr eigenes Wirken und ihr ganzes Leben zu einem immerwährenden Gebet und Lobpreis Gottes. Auch der soziale Dienst ist letztlich für sie Gottesdienst und Mittel zur Heiligung der Welt.

Zu der hohen Ehre und Auszeichnung, die die Kirche Mutter Maria Katharina Kasper durch die heutige Seligsprechung erweist, beglückwünschen wir von Herzen insbesondere alle Schwestern der Ordensgemeinschaft der »Armen Dienstmägde Jesu Christi«. Die Kirche lädt sie von nun an noch nachdrücklicher dazu ein, dem leuchtenden Vorbild ihrer seligen Stifterin nachzueifern und ihr geistliches Vermächtnis treu zu wahren. Ebenso herzlich grüssen wir alle anderen anwesenden Pilger aus Dernbach, dem Geburtsort der neuen Seligen, und aus deren Heimatdiözese Limburg zusammen mit ihrem Oberhirten Monsignor Kempf. Wir danken zugleich den Vertretern der staatlichen Behörden für ihre Teilnahme an dieser denkwürdigen Feier, durch die die Kirche das Andenken einer großen Tochter ihrer deutschen Heimat ehrt. In inniger Mitfreude empfehlen wir Sie alle der mütterlichen Fürsprache der neuen Seligen.

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