Apostolisches Schreiben ‘ Dilecti Amici’
Apostolisches Schreiben ‘Dilecti Amici’ von Papst Johannes PAul II. an die Jugendlichen in der Welt zum Internationalen Jahr der Jugend
Quelle
Junge Katholiken beten um die Fürsprache von Johannes Paul II. bei der Jugendbischofssynode
Liebe Freunde!
Gute Wünsche zum Jahr der Jugend
1. “Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt” (1 Petr 3,15).
Das ist mein Wunsch, den ich an euch, liebe Jugendliche, seit Beginn dieses Jahres richte. Das Jahr 1985 ist von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Jugend erklärt worden. Darin liegt eine vielfältige Bedeutung vor allem für euch selbst, dann aber auch für alle Altersstufen, für die einzelnen Personen, für die Gemeinschaften und für die ganze Gesellschaft. Darin liegt eine besondere Bedeutung auch für die Kirche als Hüterin grundlegender Wahrheiten und Werte und zugleich als Dienerin der ewigen Bestimmung, die der Mensch und die grosse Menschheitsfamilie in Gott selbst haben.
Wenn der Mensch “der erste und grundlegende Weg der Kirche ist (Redemptor Hominis, 14), dann versteht man gut, warum die Kirche die Jugendzeit als einen entscheidenden Abschnitt im Leben eines jeden Menschen für besonders wichtig hält. Ihr jungen Menschen verkörpert diese Jugend: Ihr seid die Jugend der Völker und Gesellschaften, die Jugend der Familien und der ganzen Menschheit; ihr seid auch die Jugend der Kirche. Alle schauen wir auf euch, weil wir alle durch euch in einem gewissen Sinne immer wieder jung werden. Darum ist euer Jungsein nicht allein euer Eigentum, nur euer ganz persönliches Eigentum oder das einer Generation: Es gehört zu jenem Gesamtbereich, den jeder Mensch auf seinem Lebensweg durchschreitet, und ist zugleich ein besonderes Gut aller. Es ist ein Gut der ganzen Menschheit.
In euch liegt Hoffnung, weil ihr zur Zukunft gehört, wie die Zukunft euch gehört. Die Hoffung ist ja immer mit der Zukunft verbunden; sie ist die Erwartung der “künftigen Güte”. Als christliche Tugend ist sie verbunden mit der Erwartung jener ewigen Güter, die Gott dem Menschen in Jesus Christus versprochen hat (Vgl. Röm 8,19.21; Eph 4,4; Phil 3,10s; Tim 3,7; Hebr 7,19; 1 Petr 1,13). Gleichzeitig ist die Hoffnung als christliche und menschliche Tugend auch die Erwartung jener Güter, die der Mensch schaffen kann, indem er die Talente nutzt, die ihm die Vorsehung gegeben hat.
In diesem Sinne gehört euch, liebe Jugendliche, die Zukunft, so wie sie einmal der Generation der Erwachsenen gehört hat und nun mit diesen zusammen Gegenwart geworden ist. Für diese Gegenwart in ihrer vielfältigen Form und Ausrichtung sind vor allem die Erwachsenen verantwortlich. Euch kommt die Verantwortung zu für das, was eines Tages mit euch zusammen Gegenwart werden wird und zur Zeit noch Zukunft ist.
Wenn wir sagen, daß euch die Zukunft gehört, denken wir in Kategorien menschlicher Vergänglichkeit, die immer ein Voranschreiten auf Zukunft hin bedeutet. Wenn wir sagen, daß von euch die Zukunft abhängt, denken wir in ethischen Kategorien, nach den Erfordernissen moralischer Verantwortung, die von uns verlangt, den grundlegenden Wert von menschlichen Akten und Vorsätzen, von Initiativen und Absichten dem Menschen als Person – und den Gemeinschaften und Gesellschaften, die sich aus menschlichen Personen zusammensetzen – zuzuordnen.
Diese Dimension gehört auch wesentlich zur christlichen und menschlichen Hoffnung. In dieser Hinsicht ist der erste und wichtigste Wunsch, den die Kirche in diesem Jahr für die Jugend durch meinen Mund an euch junge Menschen richtet, der folgende: “Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt” (1 Petr 3,15).
Christus spricht mit den Jugendlichen
2. Diese Worte, die seinerzeit der Apostel Petrus an die erste christliche Generation geschrieben hat, stehen im Zusammenhang mit dem ganzen Evangelium Jesu Christi. Wir können diese Beziehung genauer erkennen, wenn wir das Gespräch Christi mit dem jungen Mann betrachten, das von den Evangelisten berichtet wird (Vgl. Mk 10,17-22; Mt 19,16-22; Lk 18,18-23). Unter den zahlreichen biblischen Texten verdient vor allem dieser, hier angeführt zu werden.
Auf die Frage: “Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” antwortet Jesus zunächst mit der Gegenfrage: “Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen”. Dann fährt er fort: “Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!” (Mk 10,17-19). Mit diesen Worten erinnert Jesus seinen Gesprächspartner an einige Gebote des Dekalogs.
Aber das Gespräch endet damit noch nicht. Denn der junge Mann stellt fest: “Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt”. Darauf, so schreibt der Evangelist, “sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!” (Mk 10,20s).
An diesem Punkt ändert sich das Klima der Begegnung. Der Evangelist schreibt, daß der junge Mann “betrübt war, als er das hörte, und traurig wegging; denn er hatte ein großes Vermögen” (Mk 10,22).
Es gibt noch weitere Abschnitte in den Evangelien, in denen Jesus von Nazaret jungen Menschen begegnet; besonders eindrucksvoll sind die beiden Totenerweckungen: der Tochter des Jairusg und des Sohnes der Witwe von Nain (Vgl. Lk 7,11-17). Man kann jedoch ohne weiteres sagen, daß das oben erwähnte Gespräch die ausführlichste und inhaltsreichste Begegnung darstellt. Man kann auch sagen, daß es einen allgemeingültigeren und überzeitlicheren Charakter besitzt, daß es also in gewissem Sinne eine ständige und fortdauernde Geltung hat, über die Jahrhunderte und Generationen hinweg. Christus spricht auf diese Weise mit einem jungen Menschen, mit einem Jungen oder einem Mädchen; er spricht an vielerlei Orten der Erde, inmitten der verschiedenen Völker, Rassen und Kulturen. Jeder von euch ist bei diesem Gespräch ein möglicher Partner für ihn.
Zugleich haben alle beschreibenden Elemente und alle Worte, die bei dieser Unterhaltung von beiden Seiten gesprochen wurden, eine ganz wesentliche Bedeutung und besitzen ihr je eigenes Gewicht. Man kann sagen, daß diese Worte eine besonders tiefe Wahrheit über den Menschen insgesamt und vor allem die Wahrheit über die Jugend des Menschen enthalten. Sie sind wirklich wichtig für die jungen Menschen.
Laßt mich also meine Betrachtung im vorliegenden Schreiben vornehmlich an diese Begegnung und an diesen Text des Evangeliums anknüpfen. Vielleicht wird es so einfacher für euch sein, euer eigenes Gespräch mit Christus zu führen – ein Gespräch, das von grundlegender und wesentlicher Bedeutung für einen jungen Menschen ist.
Die Jugend ist ein einzigartiger Reichtum
3. Wir wollen mit dem beginnen, was am Ende des biblischen Textes steht. Der junge Mann geht traurig weg, “denn er hatte ein großes Vermögen”.
Zweifellos bezieht sich dieser Satz auf die materiellen Güter, die jener junge Mann besaß oder erben sollte. Diese Situation trifft wohl nur für einige zu, ist also nicht typisch. Darum legen die Worte des Evangelisten eine andere Problemstellung nahe: Es geht darum, daß die Jugend an sich (unabhängig von jedem materiellen Gut) ein einzigartiger Reichtum des Menschen, eines Jungen oder Mädchens, ist und meistens auch von den Jugendlichen als ein besonderer Reichtum erlebt wird. Meistens, aber nicht immer und nicht in der Regel; denn es gibt durchaus Menschen in der Welt, die aus verschiedenen Motiven ihre Jugend nicht als Reichtum erfahren. Darüber müssen wir noch eigens sprechen.
Es gibt jedoch gute Gründe – auch objektiver Art -, um an die Jugend als einen einzigartigen Reichtum zu denken, wie ihn der Mensch gerade in diesem Lebensabschnitt erfährt. Dieser unterscheidet sich gewiß von der Kindheit (ist er doch gerade das Verlassen der Kinderjahre) wie auch von der Zeit der vollen Reife. Der Lebensabschnitt der Jugend ist ja die Zeit, da das menschliche “Ich” und die damit verbundenen Eigenschaften und Fähigkeiten besonders intensiv entdeckt werden. Stufe für Stufe und Schritt für Schritt enthüllt sich vor dem inneren Blick der sich entfaltenden Persönlichkeit eines Jungen oder eines Mädchens jene besondere, in gewissem Sinne einzigartige und unwiederholbare Möglichkeit eines konkreten Menschseins, dem der gesamte Entwurf des künftigen Lebens gleichsam eingeschrieben ist. Das Leben stellt sich dar als Verwirklichung jenes Entwurfs: als “Selbstverwirklichung”.
Das Thema verdiente natürlich unter vielen Gesichtspunkten eine Erläuterung; um es aber kurz zu sagen, es offenbaren sich Umriß und Form jenes Reichtums, wie ihn die Jugend darstellt. Es ist der Reichtum, die ersten eigenen Entscheidungen zu entdecken und zu planen, sie zu wählen, ins Auge zu fassen und auf sich zu nehmen, Entscheidungen, die auf der ganzen personalen Ebene menschlicher Existenz für die Zukunft wichtig sein werden. Zugleich haben solche Entscheidungen ihre große soziale Bedeutung. Der junge Mann im Evangelium befand sich gerade in dieser existentiellen Phase, wie wir den Fragen entnehmen können, die er im Gespräch mit Jesus stellt. Deshalb können jene abschließenden Worte von dem “großen Vermögen”, das heißt von seinem Reichtum, auch in einem solchen Sinne verstanden werden: ein Reichtum, wie ihn die Jugend selbst darstellt.
Wir müssen uns jedoch fragen: Muß dieser Reichtum, den die Jugend darstellt, den Menschen etwa von Christus entfernen? Dies sagt der Evangelist ganz gewiß nicht; wenn man den Text genauer ansieht, darf man eher eine andere Folgerung ziehen. Der Entschluß, sich von Christus zurückzuziehen, ist letztlich nur unter dem Druck der äußerlichen Reichtümer zustandegekommen, durch das, was jener junge Mann besaß (“die Güter”). Nicht nur durch das, was er war! Das, was er als junger Mensch war – das heißt der innere Reichtum, der sich in der Jugend des Menschen verbirgt -, hatte ihn ja gerade zu Jesus hingeführt und ihn auch jene Fragen stellen lassen, bei denen es sich ganz deutlich um den gesamten Lebensentwurf handelt. Was muß ich tun? “Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” Was muß ich tun, damit mein Leben seinen vollen Wert und Sinn habe?
Die Jugend eines jeden von euch, liebe Freunde, ist der Reichtum, der sich gerade in diesen Fragen offenbart. Der Mensch stellt sie sich im Verlauf seines ganzen Lebens; in der Jugendzeit jedoch vernimmt er sie besonders intensiv, geradezu eindringlich. Und gut, daß es so ist. Diese Fragen beweisen nämlich jene Dynamik in der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit, wie sie eurer Altersstufe zu eigen ist. Diese Fragen stellt ihr euch manchmal mit Ungeduld; aber zugleich versteht ihr auch, daß die Antwort darauf nicht leichtfertig oder oberflächlich sein darf. Sie muß ein besonderes und entscheidendes Gewicht haben. Es handelt sich um eine Antwort, die das ganze Leben betrifft und die gesamte menschliche Existenz umfaßt.
Diese wesentlichen Fragen stellen sich in besonderer Weise diejenigen eurer Altersgenossen, deren Leben von Jugend an durch Leiden belastet ist: durch einen körperlichen Mangel, durch irgendeine sonstige Behinderung, durch eine schwierige familiäre oder soziale Lage. Wenn sich bei all dem ihr Bewußtsein normal entwickelt, wird die Frage nach Sinn und Wert des Lebens für sie umso grundsätzlicher und zugleich besonders dramatisch, weil es von Anfang an durch ein existentielles Leid gezeichnet ist. Und wieviele solcher Jugendlicher gibt es inmitten der großen Schar junger Menschen in aller Welt! In den verschiedenen Völkern und Gesellschaften, in den einzelnen Familien! Wieviele sind von Jugend auf gezwungen, in einem Heim oder einem Hospital zu leben, verurteilt zu einer gewissen Passivität, die in ihnen das Gefühl aufkommen lassen kann, für die Menschheit nutzlos zu sein!
Kann man also sagen, daß auch eine solche Jugend einen inneren Reichtum darstellt? Wen müssen wir dies fragen? Wem sollen sie diese wesentliche Frage stellen? Es scheint, daß Christus hierfür der einzige kompetente Gesprächspartner ist, ein Partner, den niemand anders voll ersetzen kann.
Gott ist Liebe
4. Christus gibt seinem jungen Gesprächspartner im Evangelium eine Antwort. Er sagt: “Niemand ist gut außer Gott, dem Einen”. Wir haben bereits gehört, was jener gefragt hatte. Er fragte: “Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” Wie muß ich handeln, damit mein Leben einen Sinn habe, einen vollen Sinn und Wert? Wir können seine Frage so in die Sprache unserer Zeit übersetzen. In diesem Zusammenhang will die Antwort Christi besagen: Gott allein ist die letzte Grundlage aller Werte; nur er gibt unserer menschlichen Existenz ihren endgültigen Sinn. Gott allein ist gut, das bedeutet: In ihm und nur in ihm haben alle Werte ihre erste Quelle und ihre endgültige Erfüllung; er ist “das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende” (Ap 21,6). In ihm allein finden diese Werte ihre Echtheit und ihre letzte Bestätigung. Ohne ihn – ohne die Beziehung zu Gott – hängt die gesamte Welt irdischer Werte über einer abgrundtiefen Leere. Sie verliert dabei auch ihre Klarheit und Ausdruckskraft. Dann bietet sich das Böse als gut dar, und das Gute wird geächtet. Zeigt das nicht die Erfahrung unserer Tage, wo immer Gott aus dem Bereich der Wertungen, der Urteile, der Handlungen herausgedrängt worden ist?
Warum ist Gott allein gut? Weil er Liebe ist. Christus gibt diese Antwort mit den Worten des Evangeliums und vor allem durch das Zeugnis seines Lebens und Sterbens: “Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab” (Joh 3,16). Gott ist gerade deshalb gut, weil er die Liebe ist (1 Joh 4,8.16).
Die Frage nach dem Wert, die Frage nach dem Sinn des Lebens ist – wie gesagt – ein Teil des besonderen Reichtums der Jugend. Sie bricht im innersten Kern jenes Reichtums und jener Unruhe auf, welche mit dem Lebensentwurf verbunden ist, den der Mensch planen und verwirklichen muß. Und das umso mehr, wenn die Jugendzeit durch persönliches Leid gezeichnet ist oder das Leiden anderer sehr bewußt erlebt; wenn sie tief erschüttert wird durch die vielfältigen Übel, die es in der Welt gibt; schließlich wenn sie dem Geheimnis der Sünde, der menschlichen Bosheit (mysterium iniquitatis), von Angesicht zu Angesicht begegnet (Vgl. 2 Thess 2,7). Hierauf gibt Christus diese Antwort: Gott allein ist gut; Gott allein ist Liebe. Diese Antwort mag schwierig erscheinen, aber sie ist zugleich fest und wahr: Sie enthält die endgültige Lösung. Wie sehr bete ich darum, daß ihr, liebe junge Freunde, die Antwort Christi wirklich persönlich vernehmt und den inneren Weg findet, um sie zu verstehen, sie zu bejahen und zu verwirklichen!
So verhält sich Christus beim Gespräch mit dem jungen Mann des Evangeliums. So ist er auch im Gespräch mit jedem und mit jeder von euch. Wenn ihr ihn anredet: “Guter Meister …”, dann fragt er euch: “Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen”. Daraus folgt: Wenn auch ich selbst gut bin, dann ist das ein Zeugnis für Gott. “Wer mich gesehen hat, hat auch den Vater gesehen” (Joh 14,9). So spricht Christus, unser Meister und Freund, gekreuzigt und auferstanden: immer “derselbe gestern, heute und in Ewigkeit” (Vgl. Hebr 13,8).
Das ist der Kern, der wesentliche Punkt der Antwort auf jene Fragen, die ihr jungen Menschen aufgrund des Reichtums stellt, den ihr in euch tragt und der in eurer Jugend wurzelt. Diese erschließt euch verschiedene mögliche Wege und stellt euch vor die Aufgabe eines Entwurfs für euer ganzes Leben. Hieraus ergeben sich die Fragen nach den Werten, nach Sinn und Wahrheit, nach Gut und Böse. Wenn Christus euch in seiner Antwort dazu auffordert, dies alles auf Gott zu beziehen, gibt er euch zugleich an, worin bei euch selbst die Quelle und das Fundament dafur liegen. Ein jeder von euch ist ja durch den Schöpfungsakt Bild und Gleichnis Gottes (Vgl. Gen 1,26). Gerade diese Existenz als sein Bild und Gleichnis bewirkt, daß ihr euch diese Fragen stellt und stellen müßt. Sie beweisen, wie sehr der Mensch ohne Gott sich selbst nicht begreifen noch sich selbst ohne Gott verwirklichen kann. Jesus Christus ist vor allem darum in die Welt gekommen, um einem jeden von uns dies bewußt zu machen. Ohne ihn würde diese grundlegende Dimension der Wahrheit vom Menschen allzu leicht im Dunkel versinken. Allerdings: “Das Licht kam in die Welt” (Joh 3,19; Vgl. 1,9), aber “die Finsternis hat es nicht erfaßt” (Joh 1,5).
Die Frage nach dem Ewigen Leben
5. Was muß ich tun, damit mein Leben einen Wert hat, einen Sinn? Diese leidenschaftliche Frage lautet im Munde des jungen Mannes aus dem Evangelium so: “Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” Spricht ein Mensch, der die Frage in dieser Form stellt, noch in einer Sprache, die die Menschen von heute verstehen? Sind wir nicht die Generation, deren Lebenshorizont völlig von der Welt und dem zeitlichen Fortschritt ausgefüllt wird? Unser Denken verläuft zuallererst in irdischen Kategorien. Wenn wir die Grenzen unseres Planeten überschreiten, tun wir das, um Flüge zu anderen Planeten zu unternehmen, um ihnen Signale zu übermitteln oder Raumsonden in ihre Richtung auszusenden.
All das ist zum Inhalt unserer modernen Zivilisation geworden. Die Wissenschaft hat zusammen mit der Technik in unvergleichbarer Weise die Möglichkeiten des Menschen gegenüber der Materie entdeckt, und es ist ihr ebenso gelungen, die innere Welt seines Denkens und seiner Fähigkeiten, seiner Antriebe und Leidenschaften zu beherrschen.
Wenn wir aber vor Christus hintreten, wenn wir ihm die Fragen unserer Jugend anvertrauen, dann können wir offenbar die Fragen nicht anders stellen als der junge Mann im Evangelium: “Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” Jede andere Frage nach Sinn und Wert unseres Lebens wäre Christus gegenüber unzureichend und nur vordergründig.
Christus ist ja nicht nur der “gute Meister”, der uns die Lebenswege auf dieser Erde weist. Er ist auch der Zeuge für jene endgültige Bestimmung, die der Mensch in Gott selbst hat. Er ist der Zeuge für die Unsterblichkeit des Menschen. Die Frohe Botschaft, die er mit seiner Stimme verkündete, wird durch Kreuz und Auferstehung im Ostergeheimnis endgültig besiegelt. “Christus, von den Toten auferweckt, stirbt nicht mehr; der Tod hat keine Macht mehr über ihn” (Röm 6,9). In seiner Auferstehung ist Christus auch das ständige “Zeichen des Widerspruchs” (Lk 2,34) geworden gegenüber allen Programmen, die unfähig sind, den Menschen über die Grenze des Todes hinauszuführen. Ja, mit dieser Grenze schneiden sie sogar jede Frage des Menschen nach Wert und Sinn seines Lebens ab. Angesichts all dieser Programme, Weltanschauungen und Ideologien wiederholt Christus immer wieder: “Ich bin die Auferstehung und das Leben” (Joh 11,25).
Wenn du also, lieber Bruder und liebe Schwester, mit Christus sprechen möchtest, indem du dich zur vollen Wahrheit seines Zeugnisses bekennst, dann mußt du auf der einen Seite “die Welt lieben” – “denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab” (Joh 3,16) -; zugleich aber mußt du innerlich Abstand gewinnen gegenüber dieser reichen und bezaubernden Wirklichkeit, wie “die Welt” sie darstellt. Du mußt dich dazu entscheiden, die Frage nach dem ewigen Leben zu stellen. Denn “die Gestalt dieser Welt vergeht” (1 Kor 7,13), und jeder von uns ist dieser Vergänglichkeit unterworfen. In der Dimension der sichtbaren Welt wird der Mensch geboren mit dem Blick auf den Tag seines Todes; zugleich aber trägt der Mensch, dessen innerer Seinsgrund es ist, sich selbst zu übersteigen, all das in sich, womit er die Welt übersteigt.
All das, womit der Mensch in sich selbst die Welt übersteigt – obgleich er in ihr verwurzelt bleibt -, erklärt sich aus dem Bild und Gleichnis Gottes, das dem menschlichen Wesen von Anfang an eingeprägt ist. Und all das, womit der Mensch die Welt übersteigt, rechtfertigt nicht nur die Frage nach dem ewigen Leben, sondern macht sie geradezu unerläßlich. Diese Frage stellen sich die Menschen seit Anbeginn und nicht nur im Bereich des Christentums, sondern auch darüber hinaus. Auch ihr müßt den Mut finden, sie zu stellen, wie der junge Mann im Evangelium. Das Christentum lehrt uns, die Vergänglichkeit vom Blick auf das Reich Gottes her zu verstehen, vom Blick auf das ewige Leben. Ohne dies bringt das vergängliche Leben, und sei es auch noch so reich und in jeder Hinsicht gelungen, dem Menschen schließlich doch nichts anderes als die unausweichliche Notwendigkeit des Todes.
Nun aber besteht zwischen Jugend und Tod ein innerer Widerspruch. Der Tod scheint von der Jugend weit entfernt zu sein. Und so ist es auch. Weil aber Jugend den Entwurf des ganzen Lebens bedeutet, einen Entwurf nach dem Maßstab von Sinn und Wert, ist die Frage nach dem Ende auch für die Jugendzeit unumgänglich. Wenn die menschliche Erfahrung nur sich selbst überlassen ist, so sagt sie dasselbe wie die Heilige Schrift: “Dem Menschen ist es bestimmt, ein einziges Mal zu sterben” (Hebr 9,27). Der inspirierte Autor fügt hinzu: “…worauf dann das Gericht folgt.” Christus aber sagt: “Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben” (Joh 11,25s). Fragt also Christus wie der junge Mann im Evangelium: “Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?”
Moral und Gewissen
6. Auf diese Frage antwortet Jesus: “Du kennst doch die Gebote”, und sogleich zählt er diese Gebote auf, die zum Dekalog gehören. Mose hatte sie einst auf dem Berg Sinai empfangen, beim Bundesschluß Gottes mit Israel. Sie wurden auf Steintafeln geschrieben (Vgl. Es 34,1; Dt 9,10; 2 Kor 3,3) und waren für jeden Israeliten ein täglicher Wegweiser (Vgl. Dt 4,5-9). Der junge Mann, der mit Christus redet, kennt die Zehn Gebote natürlich auswendig; er kann sogar mit Freude erklären: “Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt” (Mk 10, 20).
Wir müssen davon ausgehen, daß in jedem Dialog, den Christus mit jedem einzelnen von euch jungen Menschen führt, dieselbe Frage gestellt wird: “Du kennst die Gebote?” Notwendigerweise wiederholt sich diese Frage, weil die Zehn Gebote einen Teil des Bundes zwischen Gott und der Menschheit ausmachen. Diese Gebote bilden die wesentliche Grundlage des Verhaltens und entscheiden über den moralischen Wert des menschlichen Handelns; sie stehen in einem organischen Zusammenhang mit der Berufung des Menschen zum ewigen Leben, mit dem Aufbau des Reiches Gottes in den Menschen und unter den Menschen. Im Wort der göttlichen Offenbarung ist ein klares Sittengesetz enthalten, dessen Kern die Tafeln mit den Zehn Geboten vom Berg Sinai bilden und dessen Gipfel sich im Evangelium findet: in der Bergpredigt (Vgl. Mt 5-7) und im Liebesgebot (Vgl. Mt 22,37-40; Mk 12,29-31; Lk 10,27).
Dieses Sittengesetz kennt zugleich noch eine zweite Ausformung. Es ist dem moralischen Gewissen der Menschheit eingeschrieben, so daß diejenigen, welche die Zehn Gebote, das heißt das von Gott offenbarte Gesetz, nicht kennen, “sich selbst Gesetz sein” (Vgl. Röm 2,14). So schreibt der hl. Paulus im Römerbrief und fügt sogleich hinzu: “Sie zeigen damit, daß ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab” (Röm 2,15).
Hier berühren wir Probleme von höchster Wichtigkeit für eure Jugend und für den Lebensentwurf, der daraus hervorgeht.
Dieser Entwurf entspricht der Erwartung eines ewigen Lebens vor allem durch die Richtigkeit jener Taten, auf denen er gründet. Die Richtigkeit dieser Taten hat ihr Fundament in jener doppelten Ausformung des Sittengesetzes: wie es sich in den Zehn Geboten des Mose und im Evangelium findet und wie es dem moralischen Gewissen des Menschen eingeschrieben ist. Das Gewissen “legt Zeugnis ab” von diesem Gesetz, wie der hl. Paulus schreibt. Dieses Gewissen sind nach den Worten des Römerbriefes die Gedanken, “die sich gegenseitig anklagen und verteidigen” (Röm 2,15). Jeder weiß, wie sehr diese Worte unserer inneren Wirklichkeit entsprechen: Ein jeder von uns erfährt von Jugend auf die Stimme des Gewissens.
Wenn Jesus also im Gespräch mit dem jungen Mann die Gebote aufzählt: “Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!” (Mk 10,19) dann antwortet das rechte Gewissen mit seiner inneren Stimme auf die entsprechenden Akte des Menschen: Es klagt an oder verteidigt. Das Gewissen darf natürlich nicht fehlgeleitet sein; diese grundlegende Ausformung der moralischen Prinzipien im Gewissen darf sich nicht durch irgendeinen Relativismus oder Utilitarismus verfälschen lassen.
Liebe junge Freunde! Die Antwort, die Jesus seinem Gesprächspartner im Evangelium gibt, ist an jeden und an jede von euch gerichtet. Christus fragt nach dem Stand eures sittlichen Bewußtseins und zugleich nach der Verfassung eures Gewissens. Das ist eine Schlüsselfrage für den Menschen: Es ist die Grundfrage eurer Jugend, die Bedeutung hat für den gesamten Lebensentwurf, der sich ja in der Jugend herausbilden soll. Der Wert dieses Entwurfs ist aufs engste verbunden mit der Beziehung, die jeder einzelne von euch zu Gut und Böse im moralischen Sinne hat. Sein Wert hängt wesentlich von der Echtheit und rechten Formung eures Gewissens sowie von dessen feinem Gespür ab.
Hier befinden wir uns also an einem entscheidenden Punkt, wo sich Schritt für Schritt Vergänglichkeit und Ewigkeit auf einer Ebene begegnen, die dem Menschen eigentümlich ist. Es ist die Ebene des Gewissens, die Ebene der sittlichen Werte, die wichtigste Dimension der Zeitlichkeit und Geschichte. Die Geschichte wird ja nicht nur von den Ereignissen geschrieben, die sich gewissermaßen “draußen” abspielen, sondern vor allem von den “inneren” Vorgängen: Sie ist die Geschichte des menschlichen Gewissens, der moralischen Siege und Niederlagen. Hier hat auch die Größe des Menschen, seine wahrhaft menschliche Würde, im wesentlichen ihr Fundament. Das ist jener innere Reichtum, mit dem der Mensch immer wieder sich selbst auf die Ewigkeit hin übersteigt. Wenn es wahr ist, daß “es dem Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben”, so ist es auch wahr, daß der Mensch den Reichtum des Gewissens, das darin enthaltene Gute und Böse über die Grenze des Todes hinausträgt, auf daß er vor dem Angesicht dessen, der die Heiligkeit selber ist, die letzte und endgültige Wahrheit über sein ganzes Leben befinde: “Darauf folgt dann das Gericht” (Hebr 9,27).
Ebendies geschieht im Gewissen: In der inneren Wahrheit unserer Taten ist gewissermaßen ständig die Dimension des ewigen Lebens gegenwärtig. Zugleich drückt das Gewissen durch die sittlichen Werte dem Leben der Generationen, der Geschichte und Kultur des menschlichen Zusammenlebens, der Gesellschaften, der Völker und der gesamten Menschheit, ein ganz deutliches Siegel auf.
Wieviel hängt in diesem Bereich von jedem und von jeder unter euch ab!
“Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb”
7. Wenn wir nun das Gespräch Christi mit dem jungen Mann weiter untersuchen, treten wir in eine andere Phase ein. Sie ist neu und entscheidend. Der junge Mann hat die wesentliche und grundlegende Antwort auf seine Frage: “Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” erhalten; und diese Antwort stimmt mit seinem gesamten bisherigen Lebensweg überein: “Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt”. Wie sehr wünsche ich jedem von euch, daß euer bisheriger Lebensweg in ähnlicher Weise mit der Antwort Christi übereinstimmt! Ja, mein Wunsch für euch geht dahin, daß euch die Jugendzeit eine feste Grundlage gesunder Prinzipien schenkt, daß euer Gewissen schon in den Jahren eurer Jugend jene reife Klarheit erlangt, die es einem jeden von euch im Leben ermöglicht, stets ein “gewissenhafter Mensch”, “ein Mensch von Grundsätzen”, “eine Person, die Vertrauen erweckt”, die also glaubwürdig ist, zu sein. Eine so geformte sittliche Persönlichkeit bildet zugleich den wichtigsten Beitrag, den ihr in das Leben der Gemeinschaft einbringen könnt: in die Familie und in die Gesellschaft, in das Berufsleben und in den kulturellen oder politischen Bereich und schließlich auch in die Gemeinschaft der Kirche, zu der ihr schon gehört oder eines Tages gehören könntet.
Zugleich handelt es sich hierbei um die volle und tiefe Echtheit des Menschseins und eine ebensolche Echtheit in der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit von Mann und Frau, mit all den Eigenschaften, welche das einmalige Wesen dieser Persönlichkeit bilden und sich auch im Leben der Gemeinschaften, angefangen bei der Familie, auf vielfältige Weise auswirken. Jeder von euch muß in irgendeiner Weise zur Bereicherung dieser Gemeinschaften beitragen, und dies vor allem durch das, was er ist. Ist das nicht eine sinnvolle “Öffnung” jener Jugend, die an sich den ganz “persönlichen” Reichtum eines jeden von euch darstellt? Der Mensch sieht sich selbst und sein Menschsein gleichzeitig als seine eigene innere Welt und zugleich als das geeignete Feld, wo er “mit den anderen” und ,für die anderen” sein kann.
Hierbei bekommen die Gebote des Dekalogs und des Evangeliums eine entscheidende Bedeutung, vor allem aber das Liebesgebot, das den Menschen auf Gott und den Nächsten hin öffnet. Die Liebe ist ja “das Band, das alles … vollkommen macht” (Kol 3,14); durch sie gelangen der Mensch und die zwischenmenschliche Brüderlichkeit zu einer volleren Reife. Darum ist die Liebe am größten (Vgl. 1 Kor 13,13) und das erste unter allen Geboten, wie Christus uns lehrt (Vgl. Mt 22,38); darin sind alle anderen eingeschlossen und zusammengefaßt.
Ich wünsche also jedem von euch, daß ihr auf den Straßen eurer Jugend Christus begegnet: damit ihr vor ihm durch das Zeugnis eures Gewissens dieses Sittengesetz des Evangeliums bestätigen könnt, dessen Werten soviele tiefgeistige Menschen im Laufe der Generationen mehr oder weniger nahegekommen sind.
Dies ist nicht der Ort, die Beweise dafür aus der ganzen Menschheitsgeschichte anzuführen. Feststeht, daß von den ältesten Zeiten an der Spruch des Gewissens den Menschen auf eine objektive moralische Norm hinlenkt, die ihren konkreten Ausdruck in der Achtung vor der Person des anderen und in jenem Prinzip findet, dem Nächsten nichts zuzufügen, von dem man nicht will, daß es einem selbst angetan wird.
Hierin sehen wir schon deutlich jene objektive Moral aufleuchten, von der der hl. Paulus sagt, daß sie dem Herzen eingeschrieben ist und vom Gewissen bezeugt wird. (Vgl. Röm 2,15). Der Christ erblickt hier leicht das Licht des schöpferischen Wortes Gottes, das jeden Menschen erleuchtet (Vgl. Joh 1,9; Nostra Aetate, 2); und gerade weil er diesem Wort folgt, das Mensch geworden ist, erhebt er sich zum höheren Gesetz des Evangeliums, das im Liebesgebot positiv von ihm verlangt, dem Nächsten all das Gute zu tun, von dem er möchte, daß es auch ihm selbst getan werde. Der Christ besiegelt so die innere Stimme seines Gewissens mit der bedingungslosen Nachfolge Christi und seines Wortes.
Weiterhin wünsche ich euch, daß ihr nach dieser Erkenntnis der wesentlichen und wichtigen Fragen für eure Jugend, für den Entwurf des gesamten Lebens, das vor euch liegt, das erfahren dürft, wovon das Evangelium spricht: “Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb”. Ich wünsche euch, diesen Blick Jesu erleben zu dürfen! Ich wünsche euch, die Wahrheit zu erfahren, daß er, Christus, euch in Liebe anblickt!
Jedem Menschen schenkt er diesen Blick der Liebe. Das Evangelium bestätigt dies auf jeder Seite. Man kann sogar sagen, daß in diesem liebenden Blick Christi gleichsam eine Zusammenfassung der ganzen Frohen Botschaft enthalten ist. Wenn wir den Beginn dieses Blickes suchen, müssen wir bis zum Buch Genesis zurückgehen, bis zu jenem Moment, da Gott nach der Erschaffung des Menschen als “Mann und Frau” sah, daß “alles … sehr gut war” (Gen 1,31). Dieser allererste Blick des Schöpfers findet sich im Blick Christi wieder, mit dem er das Gespräch mit dem jungen Mann im Evangelium begleitet.
Wir wissen, daß Christus diesen liebenden Blick durch sein erlösendes Opfer am Kreuz bekräftigen und besiegeln wird; denn gerade durch dieses Opfer hat jener “Blick” eine besondere Tiefe der Liebe erlangt. Dort ist eine solche Bejahung des Menschen und der Menschheit enthalten, wie sie nur ihm möglich ist, Christus, dem Erlöser und Bräutigam. Er allein weiß, “was im Menschen ist”. Er kennt seine Schwäche (Vgl. Joh 2,25); er kennt aber auch und vor allem seine Würde.
Ich wünsche jedem und jeder von euch, diesen Blick Christi zu entdecken und ihn bis in die Tiefe zu erfahren. In welchem Augenblick eures Lebens das sein wird, weiß ich nicht. Ich denke, es wird dann sein, wenn ihr es am meisten nötig habt: vielleicht im Leiden, vielleicht verbunden mit dem Zeugnis eines reinen Gewissens, wie bei jenem jungen Mann des Evangeliums; oder vielleicht gerade in der entgegengesetzten Situation, verbunden mit einem Schuldgefühl, mit Gewissensbissen. Christus blickte ja auch den Petrus an in der Stunde seines Versagens, als er seinen Meister dreimal verleugnet hatte (Vgl. Lk 22,61).
Der Mensch braucht diesen liebevollen Blick: Er muß das Bewußtsein haben, geliebt zu sein, von Ewigkeit her geliebt und erwählt zu sein. Diese ewige Liebe göttlicher Erwählung begleitet den Menschen durch sein Leben wie der liebende Blick Christi. Und vielleicht am stärksten im Augenblick der Prüfung, der Erniedrigung, der Verfolgung, der Niederlage, wenn unser Menschsein vor den Augen der Leute fast ausgelöscht ist, geschändet und zertreten. Dann wird das Bewußtsein, daß der Vater uns immer schon in seinem Sohn geliebt hat, daß Christus selbst einen jeden ohne Unterlaß liebt, zu einem festen Halt für unsere gesamte menschliche Existenz. Wenn alles für den Zweifel an sich selbst und am Sinn des eigenen Lebens spricht, dann läßt uns dieser Blick Christi überleben, das Bewußtsein von jener Liebe, die sich in ihm mächtiger als jedes Übel und jede Zerstörung erwiesen hat.
Ich wünsche euch also, die gleiche Erfahrung wie der junge Mann im Evangelium zu machen: “Jesus blickte ihn an und gewann ihn lieb”.
“Folge mir nach”
8. Die Prüfung unseres Textes aus dem Evangelium ergibt, daß dieser Blick gleichsam die Antwort Christi auf das Zeugnis war, das der junge Mann von seinem Leben bis zu jenem Augenblik gegeben hatte, darauf nämlich, daß er nach den Geboten Gottes gehandelt hatte: “Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt”.
Gleichzeitig war dieser liebende Blick die Hinführung zum Schlußteil des Gespräches. Wenn man der Darstellung bei Matthäus folgen will, eröffnete der junge Mann selbst diesen Teil; denn er betonte nicht nur die eigene Treue gegenüber den Zehn Geboten, welche sein ganzes bisheriges Verhalten prägte, sondern stellte zugleich eine neue Frage. So fragte er: “Was fehlt mir jetzt noch?” (Mt 19,20).
Diese Frage ist sehr wichtig. Sie zeigt, daß im Gewissen des Menschen und gerade des jungen Menschen ein Streben nach “etwas Höherem” verborgen liegt. Dieses Streben äußert sich auf verschiedene Weise; wir können es auch bei Menschen bemerken, die unserem Glauben fern zu sein scheinen.
Unter den Anhängern nichtchristlicher Religionen, vor allem im Buddhismus, Hinduismus und Islam, finden wir schon seit jeher Scharen von “geistlichen” Menschen, die oft bereits von Jugend an alles verlassen, um den Stand der Armut und Reinheit zu wählen und das Absolute zu suchen, das jenseits der Erscheinung der wahrnehmbaren Dinge liegt; Menschen, die sich um den Stand vollkommener Freiheit bemühen, die mit Liebe und Vertrauen ihre Zuflucht zu Gott nehmen und sich mit ganzem Herzen seinen verborgenen Ratschlüssen unterwerfen. Sie sind wie von einer geheimnisvollen inneren Stimme bewegt, die in ihrem Geist wie ein Echo auf das Wort des hl. Paulus klingt: “Die Gestalt dieser Welt vergeht” (1 Kor 7,31) und die sie auf die Suche nach höheren Dingen führt, die von Dauer sind: “Strebt nach dem, was im Himmel ist” (Kol 3,1). Sie mühen sich mit allen Kräften um dieses Ziel, indem sie ernsthaft an der Reinigung ihres Geistes arbeiten und bisweilen sogar ihr Leben in Liebe Gott weihen. Dadurch werden sie zu einem lebendigen Beispiel für ihre Mitmenschen, die sie durch ihre Lebensform auf den Vorrang der ewigen Werte vor den vergänglichen und zuweilen zweifelhaften Werten hinweisen, welche die Gesellschaft anbietet, in der sie leben.
Dieses Streben nach Vollkommenheit, nach “etwas Höherem”, hat jedoch seinen ausdrücklichen Bezugspunkt im Evangelium. In der Bergpredigt bestätigt Christus das ganze Sittengesetz, dessen Mittelpunkt die mosaischen Gesetzestafeln der Zehn Gebote bilden; zugleich aber verleiht er diesen Geboten eine neue, evangelische Bedeutung. Alles ist – wie schon gesagt – zusammengefaßt in der Liebe, nicht nur als Gebot, sondern als Geschenk: “Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist” (Röm 5,5).
In diesem neuen Zusammenhang wird auch das Programm der Acht Seligkeiten verständlich, das im Matthäusevangelium die gesamte Bergpredigt einleitet (Vgl. Mt 5,3-12).
Im gleichen Zusammenhang wird die Summe der Gebote, welche die Grundlage der christlichen Moral bilden, durch die evangelischen Räte vervollständigt, in denen sich in besonderer und konkreter Weise der Ruf Christi zur Vollkommenheit ausdrückt, der Ruf zur Heiligkeit.
Als der junge Mann nach dem “Höheren” fragt: “Was fehlt mir noch?”, schaut ihn Jesus mit Liebe an: Diese Liebe erhält hier eine neue Bedeutung. Der Mensch wird durch den Heiligen Geist innerlich von einem Leben nach den Geboten zu einem bewußten Leben der Hingabe geführt, und der liebevolle Blick Christi drückt diesen inneren Übergang aus. Jesus sagt: “Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach” (Mt 19,21).
Ja, meine lieben jungen Freunde! Der Mensch, der Christ ist fähig, sein Leben als Geschenk zu verstehen. Diese Dimension ist nicht nur “höher” als die Dimension der einzelnen sittlichen Verpflichtungen, wie sie aus den Geboten hervorgehen, sondern sie ist auch “tiefer” und grundlegender. Sie ist ein vollerer Ausdruck jenes Lebensentwurfs, an dem wir schon in der Jugend bauen. Die Dimension des Geschenkes bildet auch den Reifegrad jeder menschlichen und christlichen Berufung, wie wir später noch sehen werden.
In diesem Augenblick möchte ich jedoch noch weiter von der besonderen Bedeutung der Worte zu euch sprechen, die Christus an jenen jungen Mann gerichtet hat. Ich tue das in der Überzeugung, daß Christus sie in der Kirche an einige seiner jungen Gesprächspartner aus jeder Generation richtet. Auch aus unserer Generation. Seine Worte bedeuten dann eine besondere Berufung in der Gemeinschaft des Gottesvolkes. Die Kirche erblickt die Aufforderung Christi “Folge mir nach” (Vgl. Mk 10,21; Joh 1,43; 21,23) am Anfang jeder Berufung zum Weihepriestertum, das in der römisch-katholischen Kirche zugleich mit der bewußten und freien Wahl des Zölibats verbunden ist. Die Kirche erblickt das gleiche “Folge mir nach” Christi am Anfang der Ordensberufung, bei der ein Mann oder eine Frau durch das Gelübde der evangelischen Räte (Keuschheit, Armut und Gehorsam) das Lebensprogramm übernimmt, das Christus selbst auf Erden um des Gottesreiches willens verwirklicht hat (Vgl. Mt 19,12). Durch die Ordensgelübde verpflichten sich solche Menschen, ein besonderes Zeugnis für die allesübersteigende Liebe zu Gott und zugleich für jene Berufung zur Einheit mit Gott in der Ewigkeit zu geben, die an alle ergeht. Es ist eben nötig, daß einige dafür ein außerordentliches Zeugnis vor den anderen ablegen.
Ich beschränke mich darauf, diese Themen im vorliegenden Schreiben nur kurz zu erwähnen, weil sie an anderer Stelle bereits mehrmals ausführlich dargelegt worden sind (Redemptionis Donum). Ich rufe sie aber in Erinnerung, weil sie im Gespräch Christi mit dem jungen Mann eine besondere Klarheit erreichen, vor allem die Frage der evangelischen Armut. Ich erinnere daran auch, weil der Ruf Christi “Folge mir nach” gerade in diesem außergewöhnlichen und charismatischen Sinn meistens schon in der Jugendzeit vernommen wird, bisweilen sogar schon in der Kindheit.
Deshalb möchte ich euch jungen Menschen allen in diesem wichtigen Abschnitt der Entfaltung eurer Persönlichkeit als Mann oder Frau sagen: Wenn ein solcher Ruf dein Herz erreicht, bring ihn nicht zum Schweigen! Laß ihn sich entfalten bis zur Reife einer Berufung! Wirke mit durch Gebet und Treue zu den Geboten! “Die Ernte ist gross” (Mt 9,37). Und sehr viele sind nötig, die der Ruf Christi “Folge mir nach” erreichen müßte. Es bedarf sehr vieler Priester nach dem Herzen Gottes; die Kirche und die Welt von heute brauchen unbedingt das Zeugnis eines Lebens, das sich ohne Vorbehalt Gott schenkt, das Zeugnis einer solchen bräutlichen Liebe wie bei Christus selber, die in besonderer Weise das Reich Gottes unter den Menschen gegenwärtig werden läßt und es der Welt näher bringt.
Erlaubt mir also, die Worte Christi über die Ernte, die groß ist, weiterzuführen. Ja, groß ist die Ernte des Evangeliums, diese Ernte des Heils!… “Aber es gibt nur wenig Arbeiter”. Vielleicht spürt man das heute mehr als in der Vergangenheit, besonders in einigen Ländern wie auch in einigen Ordensgemeinschaften.
“Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden” (Mt 9,37), so fährt Christus fort. Diese Worte werden vor allem in unserer Zeit zu einem Programm des Gebetes und des Einsatzes für Priester- und Ordensberufe. Mit diesem Programm wendet sich die Kirche an euch, an die Jugendlichen. Auch ihr: Bittet darum! Und wenn dieses Gebet der Kirche in der Tiefe eures Herzens Frucht ansetzt, dann hört den Meister, wie er auch euch sagt: “Folge mir nach”.
Lebensentwurf und christliche Berufung
9. Diese Worte im Evangelium meinen gewiß die Priester- oder Ordensberufung; gleichzeitig aber lassen sie uns die Frage der Berufung in einem weiteren und grundlegenderen Sinne tiefer verstehen.
Man könnte hier von der “Lebensberufung” sprechen, die sich in etwa mit jenem Lebensentwurf deckt, den jeder von euch in seiner Jugendzeit sich erarbeitet. Doch besagt “Berufung” noch etwas mehr als solch ein “Entwurf”. In diesem zweiten Fall bin ich selbst das Subjekt, das handelt, und dies entspricht eher der Wirklichkeit eurer jeweiligen Persönlichkeit. Dieser “Entwurf” ist jedoch .Berufung”, insofern sich in ihr verschiedene Faktoren vernehmen lassen, die “rufen”. Diese Faktoren bilden gewöhnlich eine bestimmte Wertordnung (auch “Hierarchie der Werte” genannt), aus der ein Ideal aufleuchtet, das es zu verwirklichen gilt und das ein junges Herz anspricht. Auf diese Weise wird die “Berufung” zum “Entwurf”, und der Entwurf beginnt, Berufung zu sein.
Da wir aber vor Christus stehen und unsere Überlegungen über die Jugend auf seinem Gespräch mit dem jungen Mann beruhen, müssen wir jene Beziehung zwischen dem “Lebensentwurf” und der “Lebensberufung” noch genauer bestimmen. Der Mensch ist ein Geschöpf und zugleich Adoptivkind Gottes in Christus: Er ist Kind Gottes. Die Frage: “Was soll ich tun?” stellt der Mensch während seiner Jugendzeit also nicht nur sich selber und den anderen Menschen, von denen er eine Antwort erwarten kann, vor allem den Eltern und Erziehern, sondern er stellt sie auch Gott, seinem Schöpfer und Vater. Er stellt sie im Bereich jenes inneren Raumes, in dem er gelernt hat, mit Gott in enger Beziehung zu stehen, vor allem im Gebet. Er fragt also Gott: “Was soll ich tun?” Welches ist dein Plan für mein Leben? Dein schöpferischer und väterlicher Plan? Was ist dein Wille? Ich möchte ihn vollbringen.
In einem solchen Zusammenhang gewinnt der “Entwurf” die Bedeutung einer “Lebensberufung” als etwas, das dem Menschen von Gott als Aufgabe anvertraut wird. Ein junger Mensch, der auf sein Inneres horcht und zugleich das Gespräch mit Christus im Gebet aufnimmt, möchte gleichsam den ewigen Gedanken lesen, mit dem Gott sich ihm zuwendet: als Schöpfer und Vater. Er gewinnt dabei die Überzeugung, daß die Aufgabe, die ihm von Gott zugedacht ist, ganz seiner Freiheit überlassen bleibt, zugleich jedoch von verschiedenen Umständen innerer und äußerer Art festgelegt ist. Indem der junge Mensch, Junge oder Mädchen, dies alles prüft, entwickelt er seinen Lebensentwurf und erkennt zugleich diesen Entwurf als die Berufung, zu der Gott ihn einlädt.
Euch allen, liebe junge Leser dieses Schreibens, möchte ich also diese herrliche Arbeit anvertrauen, die sich mit der Erkenntnis eurer Lebensberufung vor Gott verbindet. Es ist eine mitreißende Aufgabe, eine packende Herausforderung. In dieser Herausforderung entwickelt sich und wächst euer Menschsein und erwirbt eure junge Persönlichkeit ihre innere Reife. Ihr geht von dem aus, was ein jeder von euch ist, um das zu werden, was er werden soll: für sich – für die Menschen – für Gott.
Zusammen mit der schrittweisen Entdeckung der eigenen Lebensberufung sollte man sich bewußt werden, in welcher Weise diese Lebensberufung gleichzeitig eine “christliche” Berufung ist.
Man muß hierzu feststellen, daß in der Zeit vor dem II. Vatikanischen Konzil der Begriff der “Berufung” vor allem in Bezug zum Priestertum und Ordensleben gesehen wurde, als hätte sich Christus an den jungen Mann im Evangelium mit seinem “Folge mir nach” nur für diese Berufungen gewandt. Das Konzil hat diese Sicht erweitert. Die Priester- und Ordensberufung hat ihren besonderen Charakter und ihre sakramentale und charismatische Bedeutung im Leben des Gottesvolkes bewahrt. Zugleich aber haben das im Konzil erneuerte Bewußtsein von der allgemeinen Teilnahme aller Getauften an der dreifachen Sendung Christi (tria munera), der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung, wie auch das Bewußtsein von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit zur Folge (Lumen Gentium, 39-42), daß jede Lebensberufung des Menschen wie die christliche Berufung selbst dem Ruf des Evangeliums entspricht. Der Ruf Christi “Folge mir nach” läßt sich auf verschiedenen Wegen vernehmen, auf denen Jünger und Bekenner des göttlichen Erlösers gehen. Auf verschiedene Weise kann man Christus nachfolgen, das heißt nicht nur durch das Zeugnis vom eschatologischen Reich der Wahrheit und Liebe, sondern auch, indem man an der Gestaltung der ganzen zeitlichen Wirklichkeit im Geiste des Evangeliums mitwirkt (Vgl. Gaudium et Spes, 43-44). Von hier nimmt auch das Laienapostolat seinen Ausgang, das mit dem Wesen christlicher Berufung untrennbar verbunden ist.
Dies sind die ganz wichtigen Voraussetzungen für den Lebensentwurf, der dem wesentlichen Dynamismus eurer Jugend entspricht. Ihr müßt diesen Entwurf – unabhängig vom konkreten Lebensinhalt, mit dem er sich füllen wird – im Licht der Worte prüfen, mit denen sich Christus an jenen jungen Mann wendet.
Ihr müßt auch die Bedeutung der Taufe und der Firmung tief überdenken. In diesen beiden Sakramenten ist ja das Fundament des christlichen Lebens und der christlichen Berufung enthalten. Von hier führt der Weg weiter zur Eucharistie, welche die Fülle der sakramentalen Gnaden enthält, die dem Christen geschenkt werden: Der ganze Reichtum der Kirche konzentriert sich in diesem Sakrament der Liebe. Dann muß man – immer in Beziehung zur Eucharistie – auch das Bußsakrament neu bedenken, das eine unersetzliche Bedeutung für die Heranbildung einer christlichen Persönlichkeit hat, besonders wenn es mit einer geistlichen Führung verbunden ist, das heißt mit einer systematischen Schulung des inneren Lebens.
Dies alles spreche ich hier nur kurz an, auch wenn jedes der Sakramente seine eigene Beziehung zur Jugend und zu den Jugendlichen hat. Ich vertraue darauf, daß dieses Thema in ausführlicher Weise von anderen behandelt wird, vor allem von denjenigen, die für die pastorale Arbeit mit der Jugend verantwortlich sind.
Die Kirche selbst ist – wie das II.Vatikanische Konzil lehrt – “gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innige Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit” (Lumen Gentium, 1). Jede Lebensberufung ist als “christliche” Berufung in der Sakramentalität der Kirche verwurzelt: Sie formt sich also mit Hilfe der Sakramente unseres Glaubens. Vom Beginn der Jugend an öffnen die Sakramente unser menschliches “Ich” für das Heilswirken Gottes, der Heiligsten Dreifaltigkeit. Sie lassen uns am Leben Gottes teilhaben, wenn wir in jeder Beziehung ein wahrhaft menschliches Leben führen. Auf diese Weise erhält das Menschenleben eine neue Dimension und zugleich seine christliche Besonderheit: Das Wissen um die Forderungen, die das Evangelium stellt, wird vervollständigt durch das Wissen um jenes Geschenk, das alles andere übersteigt. “Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht” (Joh 4,10), sagte Jesus im Gespräch mit der samaritischen Frau.
Das “tiefe Geheimnis” bräutlicher Liebe
10. Auf diesem weiten Hintergrund, den euer jugendlicher Lebensentwurf aus seiner Beziehung zur Idee der christlichen Berufung erlangt, möchte ich nun zusammen mit euch, liebe junge Leser dieses Schreibens, die Aufmerksamkeit auf das Problem lenken, welches gewissermaßen im Mittelpunkt der Jugend bei euch allen steht. Es ist eines der Hauptthemen des menschlichen Lebens sowie aller Reflexion, Kreativität und Kultur. Es ist auch eines der wichtigsten biblischen Themen, dem ich persönlich viele Überlegungen und Analysen gewidmet habe. Gott hat den Menschen geschaffen als Mann und als Frau und damit in die Geschichte des Menschen jenen besonderen “Doppelcharakter” eingeführt: Er besagt volle Gleichheit, wenn es um die Menschenwürde geht, und eine wunderbare gegenseitige Ergänzung, wenn es um die Verteilung der Attribute, Eigenschaften und Aufgaben geht, die mit dem Menschen als Mann oder als Frau verbunden sind.
Darum ist dies ein Thema, das von vornherein zum personalen “Ich” eines jeden von euch gehört. Die Jugend ist jene Zeit, in der dieses große Thema prüfend und schöpferisch Seele und Leib des Mädchens und des Jungen bewegt und sich im Bewußtsein des Jugendlichen zusammen mit der grundlegenden Entdeckung des eigenen “Ich” mit all seinen vielfältigen Möglichkeiten zeigt. Für ein junges Herz eröffnet sich damit eine neue Erfahrung: Es ist die Erfahrung der Liebe, welche von Anfang an in den Lebensentwurf eingeschrieben sein will, den der junge Mensch von sich aus entwirft und formt.
Dies alles besitzt jedesmal seinen einmaligen subjektiven Ausdruck, seinen affektiven Reichtum, seine geradezu metaphysische Schönheit. Zugleich ist darin ein starker Anruf enthalten, diesen Ausdruck nicht zu verfälschen, einen solchen Reichtum nicht zu zerstören und solche Schönheit nicht zu verunstalten. Seid davon überzeugt, daß dieser Anruf von Gott selbst kommt, der den Menschen “nach seinem Bild und Gleichnis”, eben “als Mann und Frau”, geschaffen hat. Dieser Anruf kommt aus dem Evangelium und macht sich vernehmbar in der Stimme des jungen Gewissens, wenn sich dieses seine Einfachheit und Reinheit bewahrt hat: “Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen”. Ja, durch diese Liebe, die in euch aufkeimt und die eingeschrieben sein will in den Entwurf eures ganzen Lebens -, sollt ihr Gott schauen, der die Liebe selber ist (Vgl. 1 Joh 4,8.16).
Deshalb bitte ich euch, das Gespräch mit Christus in dieser äußerst wichtigen Phase eurer Jugend nicht zu unterbrechen; ich bitte sogar, euch noch mehr darum zu bemühen. Wenn Christus sagt “Folge mir nach”, kann sein Ruf bedeuten: “Ich rufe dich zu einer noch anderen Liebe”; sehr oft aber bedeutet er: “Folge mir nach”, folge mir, der ich der Bräutigam der Kirche, meiner Braut, bin; komm, werde auch du Bräutigam deiner Braut…; werde auch du Braut deines Bräutigams. Nehmt also beide teil an jenem Geheimnis, an jenem Sakrament, von dem es im Epheserbrief heißt, daß es tief sei: tief “in Bezug auf Christus und die Kirche” (Vgl. Eph 5,32).
Viel hängt davon ab, daß ihr auch auf diesem Wege Christus folgt; daß ihr euch von ihm nicht zurückzieht, wenn sich euch dieses Problem stellt, das ihr zu Recht für das große Ereignis eures Herzens haltet, das nur in euch und zwischen euch sich vollzieht. Ich möchte, daß ihr glaubt und euch davon überzeugt, daß dieses große Lebensproblem seine endgültige Dimension in Gott hat, der die Liebe ist – in Gott, der in der absoluten Einheit seiner Gottheit zugleich eine Gemeinschaft von Personen ist: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Ich möchte, daß ihr glaubt und euch davon überzeugt, daß dieses euer menschliches “tiefes Geheimnis” seinen Grund in Gott, dem Schöpfer hat, daß es in Christus, dem Erlöser, verwurzelt ist, der sich wie ein Bräutigam “hingegeben” hat und der jeden Bräutigam und jede Braut lehrt, “sich selbst zu schenken”, und zwar nach dem vollen Maß der personalen Würde jedes einzelnen. Christus lehrt uns die bräutliche Liebe.
Den Weg der ehelichen Berufung einschlagen bedeutet die bräutliche Liebe lernen, Tag für Tag, Jahr für Jahr: jene Liebe, die Seele und Leib umfaßt; die Liebe, die “langmütig, gütig ist, die nicht ihren Vorteil sucht.. . und das Böse nicht nachträgt”; die Liebe, die “sich an der Wahrheit freut’: die Liebe, die “alles erträgt” (Vgl. 1 Kor 13,4.5.6.7).
Zu dieser Liebe müßt ihr finden, liebe Jugendliche, wenn eure künftige Ehe die Probe eines ganzen Lebens bestehen soll. Gerade diese Probe gehört zum Wesen der Berufung, die ihr mit der Ehe in euren Lebensplan aufzunehmen gedenkt.
Deshalb höre ich nicht auf, Christus und die Mutter der Schönen Liebe für jene Liebe zu bitten, die in den Herzen der jungen Menschen aufkeimt. Sehr oft war es mir in meinem Leben gegeben, diese Liebe junger Menschen gleichsam aus der Nähe zu begleiten. Dank dieser Erfahrung habe ich verstanden, wie wesentlich dieses Problem ist, um das es hier geht, wie wichtig und tief es ist. Ich denke, daß sich die Zukunft des Menschen in hohem Maße auf den Wegen dieser Liebe entscheidet, die ihr, du und sie – du und er, zunächst als junge Liebe während eurer Jugendzeit entdeckt. Das ist in mancher Hinsicht ein großes Abenteuer, aber auch eine große Aufgabe.
Die Prinzipien der christlichen Ehemoral werden heute in vielen Kreisen auf entstellte Weise dargeboten. Man versucht, bestimmten Bereichen und sogar ganzen Gesellschaften ein Modell aufzudrängen, das sich selbst als fortschrittlich” und “modern” ausgibt. Man merkt dabei nicht, daß in diesem Modell der Mensch, und vielleicht besonders die Frau, vom Subjekt zum Objekt wird (Objekt einer besonderen Manipulation) und der gesamte tiefe Gehalt der Liebe reduziert wird zur bloßen “Lust”, welche auch dann, wenn sie von beiden Seiten erfahren wird, nicht aufhört, im Kern egoistisch zu sein. Schließlich wird auch das Kind, das doch eine Frucht und neue Fleischwerdung der Liebe von Mann und Frau ist, immer mehr zu einer “lästigen Zutat”. Die materialistische Zivilisation und die moderne Konsumgesellschaft dringen in diesen wunderbaren Bereich der ehelichen, väterlichen und mütterlichen Liebe ein, nehmen ihm jenen tiefen menschlichen Gehalt, der von Anfang an auch von einem göttlichen Zeichen und Widerschein geprägt war.
Liebe junge Freunde! Laßt nicht zu, daß euch dieser Reichtum geraubt wird! Nehmt in euer Lebensprogramm keinen Inhalt der Liebe auf, der verformt, verarmt und verfälscht ist: Die Liebe “freut sich an der Wahrheit”. Sucht diese Wahrheit dort, wo sie wirklich zu finden ist! Wenn es notwendig ist, seid entschlossen, gegen den Strom der gängigen Meinungen und Schlagworte anzugehen! Habt keine Angst vor der Liebe, die dem Menschen bestimmte Forderungen stellt. Diese Forderungen, wie ihr sie in der ständigen Lehre der Kirche findet, sind gerade geeignet, eure Liebe zu einer wahren Liebe zu machen.
Und wenn irgendwo, dann möchte ich besonders an dieser Stelle meinen anfangs ausgesprochenen Wunsch wiederholen, daß ihr “immer bereit seid, jedem zu antworten, der nach dem Grund der Hoffnung fragt, die in euch ist”! Die Kirche und die Menschheit vertrauen euch die große Aufgabe jener Liebe an, auf der Ehe und Familie gründen: unsere Zukunft. Sie vertrauen darauf, daß ihr es versteht, sie neu aufkeimen zu lassen; sie vertrauen darauf, daß ihr es versteht, sie menschlich und christlich anziehend zu machen, menschlich und christlich tief, reif und verantwortlich.
Das Erbe
11. In dem weiten Bereich, wo der Lebensentwurf, den der junge Mensch sich formt, den “anderen” begegnet, haben wir den empfindlichsten Punkt berührt. Bedenken wir nun noch, wie dieser wichtige Punkt, an dem sich unser personales “Ich” dem Leben “mit den anderen” und “für die anderen” im Ehebund öffnet, in der Heiligen Schrift eine sehr aufschlußreiche Formulierung findet: “Der Mann verläßt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau” (Gen 2,24; Vgl. Mt 19,5).
Dieses “Verlassen” verdient eine besondere Beachtung. Die Geschichte der Menschheit geht seit ihrem Beginn – und so wird es immer sein – durch die Familie. Der Mensch tritt in sie ein durch die Geburt, die er den Eltern verdankt, dem Vater und der Mutter, um dann im geeigneten Augenblick diesen ersten Lebenskreis und Hort der Liebe zu “verlassen” und zu einem neuen überzugehen. Indem ihr “Vater und Mutter verläßt”, nimmt jeder von euch sie zugleich mit sich und übernimmt das vielfältige Erbe, das in ihnen und in ihrer Familie seinen unmittelbaren Anfang und seine Quelle hat. Das bedeutet, daß jeder von euch, der “verläßt”, doch auch “bleibt”: Das Erbe, das er übernimmt, verbindet ihn fest mit denen, die es ihm übertragen haben und denen er soviel verdankt. Er seinerseits – er und sie – wird fortfahren, dieses Erbe weiterzugeben. Deshalb besitzt auch das vierte der Zehn Gebote eine so große Bedeutung: “Ehre deinen Vater und deine Mutter” (Ex 20,12; Dt 5,16; Mt 15,4).
Es handelt sich hier vor allem um das Erbe des Menschseins und dann auch um das Menschsein in einer näher bestimmten persönlichen und sozialen Situation. Hier hat sogar die leibliche Ähnlichkeit mit den Eltern ihre Bedeutung. Aber noch viel bedeutender als diese ist das gesamte kulturelle Erbe, dessen Mittelpunkt gleichsam täglich die Sprache ist. Die Eltern haben euch alle jene Sprache sprechen gelehrt, die das wesentliche Mittel sozialer Bindung mit anderen Menschen ist. Diese Bindung hat einen weiteren Rahmen als die Familie mit ihrem Lebensraum. Ein solcher Rahmen ist wenigstens ein Stamm, meistens aber ein Volk oder die Nation, in der ihr geboren seid.
So erweitert sich das Erbe aus der Familie. Durch die Erziehung in eurer Familie nehmt ihr an einer bestimmten Kultur und auch an der Geschichte eures Volkes oder eurer Nation teil. Das familiäre Band bedeutet zugleich die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die größer ist als die Familie, woraus sich eine weitere Basis für die Identität der Person ergibt. Wenn die Familie die erste Erzieherin eines jeden von euch ist, so ist gleichzeitig – durch die Familie – der Stamm euer Erzieher wie auch das Volk oder die Nation, mit der wir durch die Einheit der Kultur, der Sprache und der Geschichte verbunden sind.
Dieses Erbe stellt zugleich eine moralische Aufgabe dar. Indem ihr den Glauben übernehmt und die Werte und Inhalte erbt, die zusammen die Kultur eurer Gesellschaft, die Geschichte eurer Nation bilden, wird jeder von euch in seinem individuellen Menschsein geistig ausgestattet. Es bietet sich hier das Gleichnis von den Talenten an, die wir vom Schöpfer auf dem Weg über unsere Eltern und Familien sowie über die nationale Gemeinschaft, der wir angehören, empfangen. Vor diesem Erbe können wir nicht in einer passiven oder sogar ablehnenden Haltung verharren, wie es der letzte jener Arbeiter gemacht hat, die im Gleichnis von den Talenten genannt werden (Vgl. Mt 25,14-30; Lk 19,12-26). Wir müssen alles tun, was wir können, um dieses geistige Erbe aufzunehmen und zu bestätigen, es zu erhalten und zu fördern. Diese Aufgabe ist wichtig für alle Gesellschaften, besonders aber wohl für jene, die sich am Anfang ihrer autonomen Existenz befinden, oder auch für jene, die diese Existenz und ihre wesentliche nationale Identität vor der Gefahr äußerer Zerstörung oder innerer Auflösung verteidigen müssen.
Wenn ich euch, liebe Jugendliche, dies schreibe, versuche ich, die vielschichtige und unterschiedliche Situation der Stämme, Völker und Nationen auf unserer Erde geistig vor Augen zu haben. Eure Jugend und der Lebensentwurf, den ihr euch während der Jugendzeit erarbeitet, sind von Anfang an in die Geschichte dieser verschiedenen Gesellschaften verwoben, und das geschieht nicht “von außen”, sondern hauptsächlich “von innen”. Für jeden von euch wird dies zu einer Frage des Bewußtseins von eurer familiären und folglich auch nationalen Zugehörigkeit: zu einer Frage des Herzens, des Gewissens. Das Verständnis vom “Vaterland” entwickelt sich eng verbunden mit dem Verständnis von der “Familie”, in gewissem Sinne entwickelt sich das eine im Bereich des anderen. Wenn ihr dieses gesellschaftliche Band erfahrt, das viel weiter ist als die familiäre Bindung, beginnt ihr auch stufenweise teilzunehmen an der Verantwortung für das Allgemeinwohl jener größeren Familie, die das irdische “Vaterland” eines jeden von euch ist. Die herausragenden Gestalten der vergangenen wie der gegenwärtigen Geschichte einer Nation sind beispielhaft auch für die Zeit eurer Jugend und fordern die Entwicklung jener sozialen Liebe, die öfter “Vaterlandsliebe” genannt wird.
Talente und Aufgaben
12. In diesen Zusammenhang der Familie und Gesellschaft, die euer Vaterland ist, fügt sich Schritt für Schritt jenes Thema ein, das mit dem Gleichnis von den Talenten eng verbunden ist. Schritt für Schritt erkennt ihr nämlich jenes “Talent” oder jene “Talente”, die jeder von euch besitzt; ihr beginnt, schöpferisch damit tätig zu werden und sie zu vervielfachen. Und das geschieht durch die Arbeit.
Welch große Skala von möglichen Richtungen, Fähigkeiten und Interessen gibt es auf diesem Gebiet! Ich mache mir nicht die Mühe, sie hier aufzuzählen, nicht einmal nach Art von Beispielen, weil man dabei Gefahr läuft, mehr auszulassen, als man nennen kann. Ich setze deshalb die ganze Breite und Vielfalt dieser Möglichkeiten voraus. Sie beweist auch den mannigfachen Reichtum an Entdeckungen, den die Jugend mit sich bringt. Im Blick auf das Evangelium kann man sagen, daß die Jugend jene Zeit ist, in der man lernt, die eigenen Talente zu erkennen. Zugleich ist sie auch jene Zeit, in der man die vielfältigen Wege betritt, auf denen sich das gesamte Wirken des Menschen, seine Arbeit und Kreativität bisher entwickelt haben und sich noch weiter entwickeln.
Ich wünsche euch allen, daß ihr auf diesen Wegen euch selbst entdeckt. Ich wünsche euch, daß ihr diese Wege mit Interesse, Fleiß und Freude betretet. Die Arbeit – jede Arbeit – ist mit Anstrengung verbunden: “Mit Schweiß im Gesicht wirst du dein Brot essen” (Gen 3,19). An dieser Erfahrung von Anstrengung und Mühe nehmt ihr schon seit frühesten Jahren teil. Gleichzeitig aber formt die Arbeit den Menschen in spezifischer Weise und bringt ihn in einem gewissen Sinne sogar hervor. Es handelt sich dabei also immer um eine schöpferische Anstrengung.
Dies bezieht sich nicht nur auf die Forschungsarbeit oder ganz allgemein auf die geistige Arbeit, sondern auch auf die gewöhnlichen körperlichen Arbeiten, welche scheinbar nichts “Schöpferisches” enthalten.
Die für die Jugendzeit charakteristische Arbeit besteht vor allem in der Vorbereitung auf das berufliche Leben im Erwachsenenalter und ist deshalb mit der Schule verbunden. Während ich euch diese Worte schreibe, liebe Jugendliche, denke ich darum an alle Schulen der Welt, mit denen euer junges Leben für mehrere Jahre verbunden ist, nacheinander in verschiedenen Stufen nach dem Grad der geistigen Entwicklung und nach der Ausrichtung eurer Fähigkeiten: von der Grundschule bis zur Universität. Ich denke auch an alle Erwachsenen, meine Brüder und Schwestern, die eure Lehrer und Erzieher sind und euren jungen Geist und Charakter führen. Wie groß ist ihre Aufgabe! Wie groß ist ihre besondere Verantwortung! Wie groß aber auch sind ihre Verdienste!
Ich denke schließlich an jene Teile der Jugend, eure Altersgenossen, welche – besonders in einigen Gesellschaften und Umgebungen – keine Möglichkeit der Ausbildung haben, oft nicht einmal der Grundausbildung. Diese Tatsache ist eine ständige Herausforderung für alle verantwortlichen Stellen auf nationaler und internationaler Ebene, daß ein solcher Zustand die notwendige Verbesserung erfährt. Ausbildung gehört ja zu den Grundwerten menschlicher Zivilisation. Für die Jugendlichen ist sie besonders wichtig. Von ihr hängt aber auch in weitem Maße die Zukunft der ganzen Gesellschaft ab.
Wenn wir aber das Problem der Ausbildung und des Studiums, der Wissenschaft und der Schulen aufgreifen, führt dies zu einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung für den Menschen und in besonderer Weise für die Jugendlichen. Es ist die Frage der Wahrheit. Die Wahrheit ist das Licht des menschlichen Verstandes. Wenn dieser von Jugend an die Wirklichkeit in ihren verschiedenen Dimensionen zu erkennen sucht, macht er sich die Wahrheit zum Ziel: Er will die Wahrheit leben. So ist die Struktur des menschlichen Geistes: Der Hunger nach Wahrheit ist sein grundlegendes Verlangen und Merkmal.
Nun sagt Christus: “Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien” (Joh 8,32). Von allen Worten im Evangelium gehören diese gewiß zu den wichtigsten. Sie betreffen ja den Menschen in seiner Gesamtheit. Sie erklären, worauf sich von innen her, auf der Ebene des menschlichen Geistes, die besondere Würde und Größe des Menschen aufbauen. Die Erkenntnis, die den Menschen befreit, hängt nicht allein von der Ausbildung ab, und sei sie auch akademisch – auch ein Analphabet kann sie haben; die Ausbildung als systematische Erkenntnis der Wirklichkeit sollte aber auf jeden Fall dieser Würde und Größe und darum notwendigerweise auch der Wahrheit dienen.
Dieser Dienst an der Wahrheit wird auch in der Arbeit geleistet, zu der ihr gerufen seid, nachdem ihr euer Ausbildungsprogramm erfüllt habt. In der Schule sollt ihr die geistigen, technischen und praktischen Fähigkeiten erwerben, die es euch ermöglichen, mit Erfolg euren Platz an der großen Werkbank menschlicher Arbeit einzunehmen. Wenn es aber wahr ist, daß die Schule auf die Arbeit vorbereiten soll, auch auf die körperliche, so ist es auch wahr, daß die Arbeit in sich selbst eine Schule großer und wichtiger Werte ist: Sie besitzt ihre eigene Aussagekraft, mit der sie einen wertvollen Beitrag zur menschlichen Kultur leistet.
Aus der Beziehung zwischen Ausbildung und Arbeit, die die heutige Gesellschaft kennzeichnet, entstehen jedoch sehr schwere Probleme praktischer Art. Ich denke insbesondere an das Problem der Arbeitslosigkeit und allgemeiner an das Problem der fehlenden Arbeitsplätze, das die jungen Generationen auf der ganzen Welt in verschiedener Weise quält. Dieses Problem, wie ihr gut wißt, führt noch zu anderen Fragen, welche bereits in den Schuljahren einen Schatten der Ungewißheit auf eure Zukunft werfen. Ihr fragt euch: Braucht mich die Gesellschaft? Werde auch ich eine angemessene Arbeit finden können, die mich unabhängig werden läßt? Die mir erlaubt, eine Familie unter würdigen Lebensverhältnissen und vor allem in einer eigenen Wohnung zu gründen? Mit einem Wort, ist es wirklich wahr, daß die Gesellschaft meinen Beitrag erwartet?
Diese schwerwiegenden Fragen drängen mich dazu, auch an dieser Stelle die Regierungen und alle, welche für die Wirtschaft und die Entwicklung der Völker Verantwortung tragen, daran zu erinnern, daß die Arbeit ein Menschenrecht ist und deshalb garantiert werden muß, indem man ihr die größte Aufmerksamkeit widmet und in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik die Sorge um eine angemessene Arbeitsbeschaffung für alle und besonders fur die Jugendlichen stellt, die heute so oft unter der Not der Arbeitslosigkeit leiden. Wir alle sind davon überzeugt, daß “die Arbeit ein Gut für den Menschen – für sein Menschsein” ist, “weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern sich selbst auch als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen “mehr Mensch wird” (Laborem Exercens, 9).
Selbsterziehung und Bedrohungen
13. Was die Schule als Institution und Lebensbereich betrifft, so umfaßt sie gewiß vor allem die Jugend. Ich würde aber sagen, daß sich der Sinn der obengenannten Worte Christi über die Wahrheit mehr noch auf die Jugendlichen selbst bezieht. Wenn auch außer Zweifel steht, daß die Familie erzieht, daß die Schule unterrichtet und erzieht, so wird das Wirken von Familie und Schule zugleich unvollkommen bleiben (und kann sogar nutzlos werden), wenn sich nicht jeder einzelne von euch Jugendlichen von sich aus darum bemüht, sich selber zu erziehen. Die Erziehung in Familie und Schule kann euch nur einige Elemente für die Aufgabe eurer Selbsterziehung bieten.
In diesem Zusammenhang werden die Worte Christi: “Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien” zu einem grundlegenden Programm. Jugendlichen ist – wenn man so sagen kann – der “Sinn für Wahrheit” angeboren. Und die Wahrheit soll der Freiheit dienen: Die Jugendlichen haben auch das spontane “Verlangen nach Freiheit”. Was aber bedeutet frei sein? Es bedeutet, die eigene Freiheit in der Wahrheit zu gebrauchen wissen – “wahrhaft” frei sein. Wahrhaft frei sein besagt keinesfalls, alles zu tun, was mir gefällt oder was ich tun möchte. Die Freiheit enthält in sich das Kriterium der Wahrheit, die Disziplin der Wahrheit. Wahrhaft frei sein bedeutet, die eigene Freiheit für das zu gebrauchen, was ein wirkliches Gut darstellt. Folglich bedeutet frei sein, ein Mensch mit rechtem Gewissen, mit Verantwortungsbewußtsein, ein Mensch “für die anderen” zu sein.
Dies alles bildet den inneren Kern dessen, was wir Erziehung nennen, und vor allem dessen, was wir als Selbsterziehung bezeichnen. In der Tat: Selbsterziehung! Denn eine solche innere Verfassung, bei der “die Wahrheit uns befreit”, kann ja nicht nur “von außen” geschaffen werden. Jeder muß sie unter Anstrengungen auch “,von innen her”, mit Ausdauer und Geduld formen (was den Jugendlichen nicht immer so leicht fällt). Genau diese Formung nennt man Selbsterziehung. Der Herr spricht auch davon, wenn er unterstreicht, daß wir nur “mit Ausdauer … das Leben gewinnen” können (Vgl. Lk 21,19). “Das Leben gewinnen”: das ist die Frucht der Selbsterziehung.
In all dem ist eine neue Sichtweise der Jugend enthalten. Hier handelt es sich nicht mehr nur um das einfache Lebensprogramm, das erst in der Zukunft verwirklicht werden soll. Es verwirklicht sich schon in der Jugendzeit, wenn wir durch Arbeit, Unterricht und besonders durch Selbsterziehung das Leben entfalten und dadurch die Grundlage für die nachfolgende Entwicklung unserer Persönlichkeit schaffen. In diesem Sinn kann man sagen, daß die Jugend “die Bildhauerin ist, die das ganze Leben prägt und gestaltet”; die Form, die sie dem konkreten Menschsein eines jeden von euch gibt, festigt sich dann während des ganzen Lebens.
Wenn diese Tatsache eine wichtige positive Bedeutung hat, so kann dieses jedoch leider auch eine entscheidende negative Bedeutung haben. Ihr könnt eure Augen nicht vor den Bedrohungen verschließen, denen ihr während eurer Jugendzeit begegnet. Auch sie können eurem ganzen Leben ihr Merkmal aufprägen.
Ich möchte hier zum Beispiel hinweisen auf die Versuchung zu einer übersteigerten Kritiksucht, die alles diskutieren und alles neu überprüfen möchte; oder auf jenen Skeptizismus gegenüber den traditionellen Werten, von dem man leicht in eine Art skrupellosen Zynismus abgleitet, wenn es darum geht, die Probleme der Arbeit, des Berufes oder der Ehe zu meistern. Wie könnte ich ferner über die Versuchung schweigen, die darin besteht, daß sich – vor allem in den wohlhabenderen Ländern – ein Vergnügungsmarkt ausbreitet, der von einem ernsthaften Einsatz im Leben ablenkt und zu Passivität, Egoismus und Isolierung erzieht? Es bedroht euch, liebe Jugendliche, der schlechte Gebrauch der Reklametechniken, der die natürliche Neigung, Anstrengungen aus dem Weg zu gehen, fordert, indem die unmittelbare Erfüllung jedes Wunsches versprochen wird, während der Konsumismus, der damit eng verbunden ist, dem Menschen einredet, seine Selbstverwirklichung vor allem im Genuß der materiellen Güter zu suchen. Wieviele Jugendliche, die dem Reiz des verführerischen Blendwerkes erlegen sind, überlassen sich der unkontrollierten Macht der Instinkte oder suchen das Abenteuer auf Straßen, die scheinbar viel versprechen, aber in Wirklichkeit arm sind an wahrhaft menschlichen Perspektiven! Ich fühle mich gedrängt, hier zu wiederholen, was ich in der Botschaft geschrieben habe, die ich zum Weltfriedenstag gerade an euch gerichtet habe: “Einige von euch können versucht sein, vor ihrer Verantwortung zu fliehen: in die Traumwelt von Alkohol und Drogen, in kurzlebige sexuelle Beziehungen ohne Verpflichtung zu Ehe und Familie, in Gleichgültigkeit, Zynismus und sogar Gewalt. Seid wachsam gegenüber einer betrügerischen Welt, die euch ausbeuten oder eure kraftvolle, energische Suche nach Glück und Lebenssinn fehlleiten möchte”.
Ich schreibe euch dies alles, um euch die große Sorge zu bekunden, die ich um euch habe. Wenn ihr nämlich immer bereit sein sollt, “jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt”, dann gibt mir alles, was diese Hoffnung beeinträchtigt, zu Sorge Anlaß. Allen denjenigen, die eure Jugend mit verschiedenen Versuchungen und Illusionen zu zerstören suchen, kann ich nur die Worte Christi in Erinnerung rufen, mit denen er vom Ärgernis und von denen spricht, die es verursachen: “Wehe dem, der (die Verführungen) verschuldet! Es wäre besser für ihn, man würde ihn mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen, als daß er einen von diesen Kleinen zum Bösen verführt” (Lk 17,1s).
Ernste Worte! Besonders schwerwiegend im Munde dessen, der gekommen ist, um die Liebe zu offenbaren. Wer aber diese Worte des Evangeliums aufmerksam liest, der spürt, wie tief der Gegensatz zwischen Gut und Böse, zwischen Tugend und Sünde ist. Er muß noch deutlicher feststellen, welch große Bedeutung in den Augen Christi die Jugend eines jeden von euch hat. Es war ja gerade die Liebe zu den Jugendlichen, die ihn zu diesen ernsten und strengen Worten veranlaßt hat. In ihnen ist gleichsam ein fernes Echo des Gespräches Christi mit dem jungen Mann im Evangelium enthalten, auf welches das vorliegende Schreiben ständig Bezug nimmt.
Die Jugend als ein ” Wachsen”
14. Gestattet mir, daß ich diesen Teil meiner Überlegungen abschließe, indem ich an die Worte erinnere, mit denen das Evangelium über die Jugend von Jesus von Nazaret selber spricht. Sie sind kurz, obgleich sie sich auf die Zeit von dreißig Jahren beziehen, die er im Haus der Familie, an der Seite von Maria und Josef, dem Zimmermann, verlebt hat. Der Evangelist Lukas schreibt: “Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen” (Lk 2,52).
Somit ist die Jugend also ein” Wachsen”. Im Lichte dessen, was bisher zu diesem Thema gesagt worden ist, scheint dieses Wort des Evangeliums besonders dicht und suggestiv zu sein. Das Wachsen “an Alter” bezieht sich auf die natürliche Beziehung des Menschen zur Zeit: Dieses Wachsen ist gleichsam die “aufsteigende” Etappe im Gesamtverlauf des menschlichen Lebensweges.
Diesem entspricht die ganze leibseelische Entwicklung: Es ist das Wachsen aller Kräfte, durch die sich die normale menschliche Persönlichkeit entfaltet. Es ist aber notwendig, daß diesem Vorgang auch das Wachsen “an Weisheit und Gnade” entspricht.
Euch allen, liebe junge Freunde, wünsche ich vor allem ein solches “Wachsen”. Man kann sagen, daß dadurch die Jugend eigentlich Jugend ist. Auf diese Weise erhält sie ihren eigenen, unwiederholbaren Charakter. So wird sie einem jeden von euch in der persönlichen und gemeinschaftlichen Erfahrung als ein besonderer Wert bewußt. Und ähnlich wird sie auch zum festen Bestand in der Erfahrung der erwachsenen Menschen, die inzwischen die Jugend hinter sich haben und sich von der “aufsteigenden” Etappe in der Gesamtbilanz ihres Lebens auf jene “absteigende” hinbewegen.
Es ist notwendig, daß die Jugend ein ,”Wachsen” ist, das ein allmähliches Ansammeln von all dem in sich schließt, was wahr, gut und schön ist, selbst wenn dieses Wachsen “von außen” mit Leiden, mit dem Verlust lieber Menschen und mit der tiefen Erfahrung des Bösen verbunden ist, das ununterbrochen in der Welt, in der wir leben, am Werk ist.
Es ist notwendig, daß die Jugend ein “Wachsen” ist. Dafür ist äußerst wichtig der Kontakt mit der sichtbaren Welt, mit der Natur. Diese Beziehung bereichert uns in der Jugend auf eine andere Weise als die “aus den Büchern geschöpfte” Wissenschaft über die Welt. Sie bereichert uns auf direkte Weise. Man könnte sagen, daß wir, indem wir mit der Natur in Kontakt bleiben, in unsere menschliche Erfahrung das Geheimnis der Schöpfung selbst aufnehmen, das sich vor uns mit dem unerhörten Reichtum und der äußersten Vielfalt der sichtbaren Wesen enthüllt und uns zugleich beständig auf das hinweist, was verborgen, was unsichtbar ist. Die Weisheit – sei es durch das Wort der inspirierten Bücher (Vgl. Ps 104[103]; Ps 19[18]; Weish 13,1-9; 7,15-20), wie auch mit dem Zeugnis vieler genialer Geister scheint auf verschiedene Weise “die Transparenz der Welt” hervorzuheben. Es ist gut für den Menschen, in diesem wunderbaren Buch zu lesen, welches das “Buch der Natur” ist, das aufgeschlagen vor uns liegt. Was ein jugendlicher Geist und ein junges Herz darin lesen, scheint zutiefst mit jener Ermahnung zur Weisheit übereinzustimmen: “Erwirb dir Weisheit, erwirb dir Einsicht … Laß nicht von ihr, und sie wird dich behüten, liebe sie, und sie wird dich beschützen” (Spr 4,5f.).
Der heutige Mensch hat sich, besonders im Bereich der technischen und hochentwickelten industriellen Zivilisation, in großem Ausmaß der Erforschung der Natur zugewandt, wobei er sie jedoch oft auf eigennützige Weise behandelt, sehr viele ihrer Reichtümer und Schönheiten zerstört und die natürliche Umwelt seiner irdischen Existenz verschmutzt. Dagegen ist die Natur dem Menschen auch zur Bewunderung und Betrachtung, als ein großer Spiegel der Welt gegeben. In ihr spiegelt sich der Bund des Schöpfers mit seinem Geschöpf dessen Mittelpunkt von Anfang an der Mensch ist, der direkt als “Abbild” seines Schöpfers geschaffen worden ist.
Deshalb wünsche ich auch euch Jugendlichen, daß sich euer Wachsen “an Alter und Weisheit” im Kontakt mit der Natur vollzieht. Nehmt euch Zeit dafür! Spart nicht daran! Akzeptiert auch die Mühen und Anstrengungen, die dieser Kontakt manchmal mit sich bringt, vor allem wenn wir anspruchsvolle Ziele erreichen möchten. Diese Mühen sind schöpferisch und Bestandteil einer gesunden Erholung, die ebenso notwendig ist wie das Studium und die Arbeit.
Diese Mühen und Anstrengungen besitzen auch ihren biblischen Stellenwert, besonders beim hl. Paulus, der das ganze christliche Leben mit einem Wettkampf im Stadion vergleicht (1 Kor 9,24-27).
Jeder von euch hat solche Mühen und Anstrengungen nötig, in denen nicht nur der Körper gestählt wird, sondern der ganze Mensch die Freude darüber erfährt, sich zu beherrschen und Hindernisse und Widerstände zu überwinden. Gewiß ist dies eines der Elemente jenes “Wachsens”, das die Jugend charakterisiert.
Ich wünsche euch ebenso, daß dieses “Wachsen” im Kontakt mit den Werken des Menschen geschieht und mehr noch mit den lebendigen Menschen selbst. Wie zahlreich sind doch die Werke, die Menschen in der Geschichte geschaffen haben! Wie groß ist ihr Reichtum und ihre Vielfalt! Die Jugend scheint besonders empfänglich zu sein für die Wahrheit, für das Gute und Schöne, die in diesen Werken des Menschen enthalten sind. Indem wir im Bereich so vieler verschiedener Kulturen, so vieler Künste und Wissenschaften mit ihnen in Kontakt bleiben, lernen wir die Wahrheit über den Menschen (die auf solch eindrucksvolle Weise auch im Psalm 8 ausgedrückt ist), eine Wahrheit, die imstande ist, das Menschsein in jedem von uns zu formen und zu vertiefen.
In einer besonderen Weise studieren wir aber den Menschen, wenn wir Kontakte mit den Menschen selbst haben. Es muß euch in der Jugendzeit gelingen, durch diesen Kontakt “in der Weisheit” zu wachsen. Dies ist nämlich die Zeit, in der neue Kontakte, Kameradschaften und Freundschaften über den Kreis der Familie hinaus beginnen. Es eröffnet sich euch der große Bereich von Erfahrungen, die nicht nur von erkenntnismäßiger, sondern auch von erzieherischer und ethischer Bedeutung sind. Diese gesamte Erfahrung der Jugend ist nützlich, weil sie in jedem von euch auch den kritischen Sinn schult und vor allem die Gabe der Unterscheidung für alles, was menschlich ist. Gesegnet wird diese Erfahrung der Jugend sein, wenn ihr schrittweise auch noch jene wesentliche Wahrheit über den Menschen – über jeden Menschen und über euch selbst – lernt, jene Wahrheit, die in dem berühmten Text der Pastoralkonstitution Gaudium et Spes so zusammengefaßt wird: “Der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, kann sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden” (Gaudium et Spes, 24).
So lernen wir also die Menschen kennen, um durch die Fähigkeit des “Sichschenkens” noch vollkommener Mensch zu sein: Mensch zu sein “für die anderen”. Eine solche Wahrheit über den Menschen – eine solche Anthropologie – findet ihren unerreichbaren Höhepunkt in Jesus von Nazaret. Und deswegen ist auch seine Jugend so bedeutsam, während der “seine Weisheit zunahm und er Gefallen fand bei Gott und den Menschen”.
Ich wünsche euch auch dieses “Wachsen” durch den Kontakt mit Gott. Dazu kann indirekt auch der Kontakt mit der Natur und mit den Menschen dienen; direkt aber dient dazu vor allem das Gebet. Betet und lernt beten! Öffnet vor ihm, der euch besser kennt als ihr selbst, euer Herz und Gewissen. Sprecht mit ihm! Vertieft das Wort des lebendigen Gottes, indem ihr die Heilige Schrift lest und betrachtet.
Dies sind die Methoden und Mittel, um sich Gott zu nahen und mit ihm Kontakt zu haben. Seid euch dessen bewußt, daß dies ein wechselseitiges Verhältnis ist. Gott antwortet mit dem “selbstlosesten Geschenk seiner selbst”, einem Geschenk, das in der biblischen Sprache “Gnade” heißt. Sucht, in der Gnade Gottes zu leben!
Soviel also zum Thema des “Wachsens”, von dem ich hier nur die wichtigsten Aspekte aufgezeigt habe; jeder davon ist geeignet für eine eingehendere Diskussion. Ich hoffe, daß dies in den verschiedenen Kreisen und Gruppen der Jugend, in ihren Bewegungen und Verbänden geschieht, die in den verschiedenen Ländern und Kontinenten so zahlreich sind, wobei die einzelnen von der je eigenen Methode der geistigen Formung und des Apostolates geleitet werden. Diese Organismen wollen unter Mitwirkung der Hirten der Kirche den Jugendlichen den Weg zu jenem “Wachsen” zeigen, das gewissermaßen die Definition der Jugend im Evangelium darstellt.
Die große Herausforderung der Zukunft
15. Die Kirche blickt auf die Jugendlichen; mehr noch, die Kirche erblickt sich selbst in einer besonderen Weise in den Jugendlichen – in euch allen und in jedem einzelnen von euch. So ist es von Anfang an, seit den Zeiten der Apostel, gewesen. Die Worte im ersten Johannesbrief sind dafür ein besonderes Zeugnis: “Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr den Bösen besiegt habt. Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß ihr den Vater erkannt habt… Ich schreibe auch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid und daß das Wort Gottes in euch bleibt” (1 Joh 2,13s).
Die Worte des Apostels kommen zum Gespräch Christi mit dem jungen Mann im Evangelium hinzu und erschallen mit mächtigen Echo von Generation zu Generation.
Auch in unserer Generation, am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus, sieht die Kirche sich selbst in den Jugendlichen. Wie aber sieht sich die Kirche selbst? Dafür sei hier die Lehre des II. Vatikanischen Konzils als besonderes Zeugnis angeführt. Die Kirche sieht sich selbst als “Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit” (Lumen Gentium, 1). Sie sieht sich also in Beziehung zur gesamten großen Menschheitsfamilie, die ständig im Wachsen begriffen ist. Sie sieht sich selbst in weltweiten Dimensionen. Sie sieht sich auf den Wegen des Ökumenismus, das heißt der Vereinigung aller Christen, für die Christus selber gebetet hat und die in unserer Zeit von unbestreitbarer Dringlichkeit ist. Sie sieht sich ferner auch im Gespräch mit den Angehörigen der nichtchristlichen Religionen und mit allen Menschen guten Willens. Ein solcher Dialog ist ein Heilsdialog, der auch dem Frieden in der Welt und der Gerechtigkeit unter den Menschen dienen soll.
Ihr Jugendlichen seid die Hoffnung der Kirche, die sich selbst und ihre Sendung in der Welt gerade in dieser Weise sieht. Sie spricht zu euch über diese Sendung. Von ihr war auch die Rede in der kürzlichen Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1985. Diese war ja direkt an euch gerichtet in der Überzeugung, daß “der Weg des Friedens zugleich der Weg der Jugend ist” (Frieden und Jugend zusammen unterwegs). Diese Überzeugung ist ein Aufruf und gleichzeitig auch eine Verpflichtung: Es geht noch einmal darum, “bereit zu sein, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt” – nach der Hoffnung, die man mit euch verbindet. Wie ihr seht, betrifft diese Hoffnung grundsätzliche und auch weltweite Anliegen.
Ihr alle lebt jeden Tag zusammen mit euren Angehörigen. Doch weitet sich dieser Kreis schrittweise. Eine immer größere Zahl von Menschen teilt euer Leben, und ihr selber werdet euch einer gewissen Gemeinsamkeit bewußt, die euch mit ihnen verbindet. Es ist fast immer eine irgendwie differenzierte Gemeinschaft. Sie ist so differenziert, wie es das II. Vatikanische Konzil in seiner Dogmatischen Konstitution über die Kirche und in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute gesehen und dargelegt hat. Eure Jugend formt sich, was die Konfessionen betrifft, mitunter in gleichförmiger und manchmal in religiös differenzierter Umgebung oder sogar im Grenzbereich zwischen Glauben und Unglauben, sei es in der Gestalt des Agnostizismus oder des Atheismus in seinen verschiedenen Formen. Dennoch scheint es, daß diese vielfältigen und differenzierten Gemeinschaften von Jugendlichen gegenüber einigen Problemen auf sehr ähnliche Weise fühlen, denken und reagieren. So scheint es zum Beispiel, daß alle ein ähnliches Verhalten gegenüber der Tatsache verbindet, daß Hunderttausende von Menschen in äußerstem Elend leben und sogar verhungern, während gleichzeitig ungeheure Summen für die Herstellung von Atomwaffen ausgegeben werden, deren Vorräte schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Lage sind, die Menschheit auszulöschen. Daneben gibt es noch weitere ähnliche Spannungen und Bedrohungen in einem von der Menschheitsgeschichte bis dahin nicht gekannten Ausmaß. Davon habe ich bereits in der soeben erwähnten Botschaft zum Jahreswechsel gesprochen; deshalb möchte ich diese Probleme hier nicht wiederholen. Wir alle sind uns dessen bewußt, daß sich am Lebenshorizont von Milliarden von Menschen, die am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus die Menschheit bilden, die Möglichkeit von Unheil und Katastrophen in wahrhaft apokalyptischem Ausmaß abzuzeichnen scheint.
In dieser Situation könnt ihr Jugendlichen die vorhergehende Generation mit Recht fragen: Warum ist man soweit gekommen? Warum ist man zu dieser Bedrohung der ganzen Menschheit auf dem Erdball gelangt? Was sind die Ursachen für die augenfälligen Ungerechtigkeiten? Warum sterben soviele an Hunger? Warum gibt es soviele Millionen von Flüchtlingen an den verschiedenen Grenzen? Soviele Fälle, in denen die elementaren Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Soviele Gefängnisse und Konzentrationslager, soviel systematische Gewalt, soviele Tötungen von unschuldigen Menschen, soviele Mißhandlungen von Menschen, soviele Folterungen, soviele Qualen, die Menschen körperlich oder in ihrem Gewissen zugefügt werden? Und mitten darin finden sich auch Menschen in jugendlichem Alter, die viele unschuldige Opfer auf dem Gewissen haben, weil ihnen die Überzeugung eingehämmert worden ist, daß dieses – nämlich der organisierte Terrorismus – der einzige Weg sei, auf dem man die Welt verbessern könne. Ihr fragt also ein weiteres Mal: Warum?
Ihr Jugendlichen könnt alles das fragen, ja mehr noch, ihr müßt es! Es handelt sich nämlich um die Welt, in der ihr heute lebt und in der ihr morgen leben müßt, wenn die ältere Generation dahingegangen sein wird. Mit Recht fragt ihr deshalb: Warum richtet sich ein solch großer Fortschritt der Menschheit auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik – den man mit keiner vorherigen Geschichtsepoche vergleichen kann -, warum richtet sich der Fortschritt in der Beherrschung der Materie durch den Menschen an sovielen Stellen gegen den Menschen? Zu Recht fragt ihr auch mit einem Gefühl innerer Beklemmung: Ist dieser Stand der Dinge vielleicht sogar unumkehrbar? Kann er geändert werden? Werden wir es schaffen, ihn zu ändern?
Das fragt ihr zu Recht. In der Tat, es ist die Grundfrage in eurer Generation. In dieser Form setzt sich euer Gespräch mit Christus fort, das einmal im Evangelium begonnen hat. Jener junge Mann fragte: “Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?” Ihr stellt die Frage entsprechend den Zeiten, in denen ihr euch als Jugendliche vorfindet: Was müssen wir tun, damit sich das Leben – das blühende Leben der Menschheit – nicht in einen Friedhof des atomaren Todes verwandelt? Was müssen wir tun, damit nicht die Sünde der allgemeinen Ungerechtigkeit über uns herrscht? Die Sünde der Verachtung des Menschen und die Schmähung seiner Würde trotz der vielen Erklärungen, die alle seine Rechte bekräftigen? Was müssen wir tun? Und weiter: Werden wir es zu tun verstehen?
Christus antwortet, wie er schon den Jugendlichen der ersten Generation der Kirche mit den Worten des Apostels geantwortet hat: “Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr den Bösen besiegt habt. Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß ihr den Vater erkannt habt … Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid und daß das Wort Gottes in euch bleibt” (1 Joh 2,13s). Die Worte des Apostels, die vor fast zweitausend Jahren geschrieben wurden, sind zugleich auch eine Antwort für heute. Sie bedienen sich der einfachen und kraftvollen Sprache des Glaubens, der den Sieg über das Böse, das es in der Welt gibt, mit sich bringt. “Der Sieg, der die Welt besiegt hat, ist unser Glaube” (1 Joh 5,4). Diese Worte sind so kraftvoll durch die Erfahrung der Apostel und nachfolgenden Christen vom Kreuz und von der Auferstehung Christi. In dieser Erfahrung bestätigt sich das ganze Evangelium. Es bestätigt sich darin auch die Wahrheit, die im Gespräch Christi mit dem jungen Mann enthalten ist.
Verweilen wir also – gegen Ende des vorliegenden Schreibens – bei diesen Worten des Apostels, die zugleich eine Bekräftigung und eine Herausforderung für euch sind. Sie sind zugleich eine Antwort.
Es brennt in euch, in euren jungen Herzen, der Wunsch nach echter Brüderlichkeit unter allen Menschen, ohne Spaltungen, Gegensätze und Diskriminierungen. Gewiß. Den Wunsch nach Brüderlichkeit und vielfältiger Solidarität tragt ihr Jugendlichen in euch; ihr wünscht sicher nicht den gegenseitigen Kampf des Menschen gegen den Menschen in gleich welcher Form. Ist dieser Wunsch nach Brüderlichkeit – der Mensch ist der Nächste des anderen Menschen! der Mensch ist Bruder für den anderen Menschen! – nicht vielleicht ein Zeugnis dafür, daß “ihr den Vater erkannt habt” (wie der Apostel schreibt)? Denn Brüder gibt es nur dort, wo es einen Vater gibt. Und nur dort, wo der Vater ist, sind Menschen Brüder.
Wenn ihr also in euch den Wunsch nach Brüderlichkeit tragt, dann bedeutet dies, daß “das Wort Gottes in euch wohnt”. Es wohnt in euch jene Lehre, die Christus gebracht hat und die zu Recht “Frohe Botschaft” genannt wird. Auf euren Lippen oder zumindest in eurem Herzen verwurzelt ist das Gebet des Herrn, das mit den Worten beginnt “Vater unser”. Das Gebet, das den Vater offenbart, bekräftigt zugleich, daß die Menschen Brüder sind – und es widersetzt sich mit seinem ganzen Inhalt allen Programmen, die nach dem Prinzip des Kampfes des Menschen gegen den Menschen in welcher Form auch immer entworfen worden sind. Das Gebet des “Vater unser” befreit die Herzen der Menschen von Feindschaft, Gewalt, Terrorismus, Diskriminierung und von allen Situationen, in denen die menschliche Würde und die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Der Apostel schreibt, daß ihr Jugendlichen stark seid in der göttlichen Lehre: in jener Lehre, die im Evangelium Christi enthalten ist und im Gebet des “Vater unser” zusammengefaßt wird. In der Tat, ihr seid stark in dieser göttlichen Lehre, ihr seid stark in diesem Gebet. Ihr seid stark, weil dieses Gebet euch die Liebe, das Wohlwollen, die Achtung vor den Menschen, vor seinem Leben und seiner Würde, vor seinem Gewissen, seinen Überzeugungen und vor seinen Rechten ins Herz senkt. Wenn “ihr den Vater erkannt habt”, seid ihr stark mit der Kraft menschlicher Brüderlichkeit.
Ihr seid auch stark für den Kampf: nicht für den Kampf gegen den Menschen im Namen irgendeiner Ideologie oder Praxis, die sich von den Wurzeln des Evangeliums entfernt hat, sondern stark für den Kampf gegen das Böse, gegen das wahre Übel: gegen alles, was Gott beleidigt, gegen jede Ungerechtigkeit und jede Ausbeutung, gegen jede Falschheit und Lüge, gegen alles, was verletzt und demütigt, gegen alles, was das menschliche Zusammenleben und die menschlichen Beziehungen verschlechtert, gegen jegliches Verbrechen am Leben, gegen jede Sünde.
Der Apostel schreibt: “Ihr habt den Bösen besiegt”! So ist es. Man muß stets zu den Wurzeln des Bösen und der Sünde in der Geschichte der Menschheit und des Universums vordringen, so wie Christus zu ihnen vorgedrungen ist in seinem österlichen Geheimnis von Kreuz und Auferstehung. Man darf keine Angst haben, den ersten Urheber des Bösen beim Namen zu nennen: den Bösen. Die Taktik, die er angewandt hat und anwendet, besteht darin, sich nicht offen zu zeigen, damit das Böse, das er von Anfang an ausgesät hat, durch den Menschen selbst, durch die Systeme und durch die Beziehungen zwischen den Menschen, Klassen und Nationen sich weiter entfaltet, um dann auch immer mehr zur “strukturellen” Sünde zu werden und sich immer weniger als “persönliche” Sünde identifizieren zu lassen. Auf daß der Mensch sich so in einem gewissen Sinne von der Sünde “befreit” fühlt und zugleich doch immer tiefer in sie verstrickt wird.
Der Apostel sagt: “Jugendliche, ihr seid stark”: Es kommt nur darauf an, daß “das Wort Gottes in euch wohnt”. Ihr seid also stark: Ihr könnt so zu den verborgenen Mechanismen des Bösen, zu seinen Wurzeln vordringen; so werdet ihr allmählich die Welt erfolgreich verändern, sie verwandeln, sie menschlicher und brüderlicher machen – und sie zugleich näher zu Gott führen. Man kann nämlich nicht die Welt von Gott loslösen und sie zu Gott in Gegensatz bringen; noch kann man den Menschen von Gott loslösen und ihn zu Gott in Gegensatz bringen. Dies ist gegen die Natur der Welt und gegen die Natur des Menschen – gegen die innere Wahrheit, die die ganze Wirklichkeit bestimmt! Wahrhaftig, das Herz des Menschen ist “unruhig, bis es ruht in Gott”. Diese Worte des großen Augustinus verlieren nie ihre Aktualität (Vgl. Hl. Augustinus, Bekenntnisse, I, 1).
Schlußbotschaft
16. Dies also ist, liebe junge Freunde, das Schreiben, das ich in eure Hände lege. Es folgt dem Gespräch Christi mit dem jungen Mann im Evangelium und schöpft aus dem Zeugnis der Apostel und der ersten Generationen der Christen. Ich überreiche euch diesen Brief im Jahr der Jugend, während wir uns dem Ende des zweiten christlichen Jahrtausends nähern. Ich übergebe ihn euch in dem Jahr, da sich zum zwanzigsten Mal der Abschluß des II. Vatikanischen Konzils jährt, das die Jugendlichen die “Hoffnung der Kirche” (Gravissimum Educationis, 2) genannt hat und das an die Jugendlichen von damals – wie auch an die von heute und von immer – seine “letzte Botschaft” gerichtet hat, in der die Kirche als die wahre Jugend der Welt dargestellt wird, als diejenige, die “das besitzt, was die Kraft und den Reiz der jungen Menschen ausmacht: die Fähigkeit, sich über jeden Anfang zu freuen, sich frei zu schenken, sich zu erneuern und zu neuen Eroberungen aufzubrechen”. Ich tue dies am Palmsonntag, dem Tag, an dem ich vielen von euch begegnen darf, die als Pilger nach Rom auf den Petersplatz gekommen sind. An diesem Tag betet der Bischof von Rom zusammen mit euch für alle Jugendlichen in der Welt, für jeden und jede von euch. Wir beten in der Gemeinschaft der Kirche, auf daß ihr – vor dem Hintergrund der schwierigen Zeiten, in denen wir leben “bereit seid, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt”. Ja, gerade ihr, weil von euch die Zukunft abhängt, weil von euch das Ende dieses Jahrtausends und der Anfang des neuen abhängt. Bleibt deshalb nicht untätig stehen; übernehmt Verantwortung in allen Bereichen unserer Welt, die euch offenstehen. In derselben Meinung werden mit euch auch die Bischöfe und Priester an den verschiedenen Orten der Erde beten.
Indem wir so in der großen Gemeinschaft der Jugendlichen der ganzen Kirche und aller Kirchen beten, haben wir Maria vor Augen, die Christus vom Anfang seiner Sendung unter den Menschen begleitet hat. Es ist Maria von Kana in Galiläa, die für junge Menschen, die Brautleute, Fürsprache einlegt, als beim Hochzeitsmahl für die Gäste der Wein ausgeht. Die Mutter Christi sagt denen, die während des Mahles Dienst tun: “Was er euch sagt, das tut!” (Joh 2,5). Er, Christus.
Ich wiederhole diese Worte der Gottesmutter und richte sie an euch Jugendliche, an jeden und jede von euch: “Was er euch sagt, das tut!”. Und ich segne euch im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit. Amen.
Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 31. März, dem Palmsonntag des Jahres 1985, dem siebten meines Pontifikates.
JOHANNES PAUL II.
Copyright 1985 © Libreria Editrice Vaticana
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