Der Papst spricht über aktuelle Krisen
Über den Wolken: Der Papst spricht über aktuelle Krisen
Quelle
Vatikan – APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH MYANMAR UND BANGLADESCH
Rohingya, Atomwaffen, China – das waren nur einige der Themen, über die Papst Franziskus auf dem Rückflug von Bangladesch nach Rom am Samstagabend mit Journalisten gesprochen hat. Bei seiner „fliegenden Pressekonferenz“ über den Wolken verteidigte der Papst die Tatsache, dass er in Myanmar nicht öffentlich von „Rohingya“ gesprochen hat. Er erwähnte seinen Wunsch, China zu besuchen, und kündigte eine Reise nach Indien für das nächste Jahr an. Gegen zehn Uhr abends – eine Stunde eher als erwartet – ist das Flugzeug mit Franziskus an Bord wieder in Rom gelandet: Schlusspunkt einer knapp einwöchigen Südostasien-Reise.
Besitz von Atomwaffen irrational
Angesprochen auf die Nordkorea-Krise äusserte der Papst, eine Politik der nuklearen Abschreckung wie zu Zeiten des Kalten Krieges sei heute nicht mehr vertretbar. Schon den blossen Besitz von Atomwaffen halte er für „irrational“.
„Atomwaffen zu haben und einzusetzen, ist an der Grenze des ethisch Erlaubten. Warum? Weil solche ausgeklügelten Atomarsenale heutzutage die Menschheit – oder zumindest einen grossen Teil der Menschheit – zu vernichten drohen.“ Zwar sei das keine Frage des päpstlichen Lehramtes, aber dennoch eine Frage, die ein Papst stellen müsse: „Kann es denn heute wirklich legitim erscheinen, Atomarsenale weiter zu besitzen? Oder ist es nicht vielmehr nötig, zurückzuschrauben, um die Schöpfung zu retten und um die Menschheit heute zu retten?“
Der Papst antwortete damit auf die Frage eines mitreisenden Journalisten, was sich seit den 80er Jahren in der Welt verändert habe. Papst Johannes Paul II. (1978-2005) habe noch 1982 in einem Brief an die UNO-Vollversammlung geschrieben, die Politik der nuklearen Abschreckung sei insofern „moralisch gerechtfertigt“, als sie damals einen Krieg verhindert habe und die beteiligten Partner daran arbeiteten, sie abzubauen. Bereits Mitte Oktober hatte Franziskus hingegen die Anwendung von und die Drohung mit Atomwaffen verurteilt – und darüber hinausgehend auch deren alleinigen Besitz. Das hatte, vor allem bei Katholiken in den USA, für Diskussionen gesorgt.
Tränen beim Treffen mit Rohingya
Sein zweites Besuchsland Bangladesch lobte der Papst bei der „fliegenden Pressekonferenz“ als ein „Vorbild für die Aufnahme“ von Flüchtlingen. Obwohl Bangladesch nicht gross sei, habe es doch für über 600.000 Rohingya-Flüchtlinge aus dem benachbarten Myanmar die Türen geöffnet. „Ich denke da an die Länder, die ihre Türen schliessen. Da müssen wir dankbar sein für das Beispiel, das Bangladesch uns gegeben hat!“
Die Begegnung mit einigen Rohingya-Flüchtlingen am Freitagabend im Garten des Erzbischofs von Dhaka sei ein besonderer Moment gewesen, bei dem nur ein Teil geplant war, das meiste sich jedoch spontan ergab, erklärte der Papst. „Ich habe geweint. Ich versuchte es so hinzukriegen, dass man es nicht sah… Sie weinten auch. Ich habe mir gesagt: Ich kann die jetzt nicht wieder gehen lassen, ohne ihnen etwas zu sagen.“ Franziskus hatte bei der Begegnung die Flüchtlinge spontan im Namen ihrer Verfolger, aber auch im Namen einer gleichgültigen Weltöffentlichkeit, um Vergebung gebeten. Dabei hatte er zum einzigen Mal auf der ganzen Reise ausdrücklich von „Rohingya“ gesprochen.
Der Papst machte deutlich, dass er gerne ein Flüchtlingslager von Rohingya besucht hätte: „Die Dinge wurden geprüft, und das war dann nicht möglich, aus verschiedenen Gründen, etwa aus Zeitgründen wegen der Distanz. Aber das Flüchtlingslager ist dann ja durch einige Vertreter zu mir gekommen…“
Der Papst verteidigte ausdrücklich, dass er während seines Aufenthalts in Myanmar nie ausdrücklich von „Rohingya“ gesprochen hatte. „Hätte ich das in einer offiziellen Rede gesagt, hätte ich (den Burmesen) sozusagen die Tür vor der Nase zugeschlagen wie ein Heranwachsender. Aber man wusste doch genau, was ich dachte… Mir ist es am wichtigsten, dass die Botschaft angekommen ist. Sagen wir es so: Ich hatte nicht das Vergnügen, die Tür zuzuknallen, indem ich öffentlich etwas Anklagendes sagte – aber ich hatte die Genugtuung, einen Dialog aufzunehmen und auch die andere Seite zu hören. Und so ist die Botschaft angekommen.“
Diese Gesprächsdiplomatie hinter verschlossenen Türen nahm der Papst auch für seine Begegnung mit dem Armeechef in Anspruch, der nach allgemeiner Ansicht für die Vertreibung von Rohingya aus Myanmar verantwortlich ist. „Ich habe die Wahrheit nicht verhandelt… Ich habe so gesprochen, dass er verstanden hat, dass man heute die Dinge nicht mehr so machen darf, wie sie früher gemacht wurden… Es war ein gutes Treffen. Zivilisiert. Und auch bei dieser Gelegenheit ist die Botschaft angekommen.“
Nächstes Jahr eventuell eine Reise nach Indien
Franziskus liess die mitreisenden Journalisten auch einmal in seine Karten sehen, was die nächsten Reisepläne betrifft. Er wolle 2018 gerne Indien besuchen – „wenn ich dann noch lebe“, scherzte er. Eine Reise nach China sei dagegen „nicht in Vorbereitung“, auch wenn ihm eine solche Reise „so sehr gefallen würde“. Auf die zähen Verhandlungen zwischen Peking und dem Vatikan über eine Aufnahme von diplomatischen Beziehungen angesprochen, versuchte sich der Papst an einem Hohenlied der Langsamkeit und Gründlichkeit: „Schritt für Schritt“ gelte es vorzugehen.
rv 03.12.2017 sk
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