Im Blickpunkt: Das fluide Lehramt
Das heisst, Müller legt das nachsynodale Schreiben eng aus, was viele Bischofskonferenzen bekanntlich nicht getan haben’
Quelle
ABO – Die Tagespost
Veritatis splendor
Familiaris consortio
Rom, 10. November 2017, Die Tagespost
Von Guido Horst
Zu der „scharfen Kontroverse“ um das Papstschreiben zur Ehe- und Familiensynode, wie Kardinal Gerhard Müller schreibt, hat der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation ein Vorwort zu dem Buch des italienischen Philosophen Rocco Buttiglione beigesteuert, das jetzt in Italien erschienen ist. Es trägt den Titel „Freundschaftliche Antworten an die Kritiker von Amoris laetita“. Dass Buttiglione Papst Franziskus gegen den Vorwurf der Zweideutigkeit oder gar Häresie verteidigt, ist bekannt. Dass aber auch Kardinal Müller auf die Seite der Verteidiger des Papstes tritt, ist neu und hat dementsprechend für Erstaunen gesorgt. Wer nun aber das Vorwort Müllers liest, stellt fest, dass der Kardinal sich selbst treu geblieben ist, indem er wieder einmal das deutlich macht, was auch das Anliegen Buttigliones ist.
Erstens: „Die dogmatischen Lehren und pastoralen Hinweise des achten Kapitels von ,Amoris laetitia“ können und müssen orthodox verstanden werden.“ Und zweitens: „,Amoris laetitia‘ bedeutet keine lehramtliche Kehrtwende zu einer Situationsethik und damit einen Widerspruch zur Enzyklika ,Splendor veritatis‘ von Papst Johannes Paul II.“ Das heisst, Müller legt das nachsynodale Schreiben eng aus, was viele Bischofskonferenzen bekanntlich nicht getan haben. Sie legen das Papstschreiben weit aus und öffnen Wiederverheirateten den Weg zum Empfang der Sakramente.
Aber auch ein anderer Kardinal hat vor kurzem erleben müssen, dass man Schreiben von Franziskus eng und weit interpretieren kann, und bitter dafür gebüsst: Liturgiepräfekt Robert Sarah hat das Motu proprio „Magnum principium“ des Papstes zur Übersetzung und Anpassung liturgischer Bücher in den Landessprachen in einem privaten Rundbrief eng ausgelegt – Rom hat das letzte Wort – und dafür einen öffentlichen Rüffel des Papstes einstecken müssen, der ihn korrigierte: Nein, bei den Übersetzungen sind ab jetzt die Bischofskonferenzen federführend. Schön, dass das jetzt geklärt ist. Bleibt zu hoffen, dass nicht auch Kardinal Müller von Franziskus eines Besseren belehrt wird, indem der Papst etwa klarstellt: Nein, „Amoris laetitia“ geht über „Splendor veritatis“ und „Familiaris consortio“ hinaus und hat bei der pastoralen Begleitung Wiederverheirateter tatsächlich Neues gebracht. Das ist ungewohnt. Früher haben wichtige Schreiben der Päpste die Lehre oder Praxis der Kirche präzisiert. Heute lösen sie innerkirchliche Debatten aus, das heisst Prozesse, die Zeit kosten. Das etwas rätselhafte Wort von Franziskus, die Zeit sei wichtiger, als Räume zu besetzen, findet so eine Erklärung.
Was meinen die Bischöfe von Basel, bzw. St. Gallen zu AL, bzw. Kommunionempfang?
Wie es seit mehreren Jahren üblich ist, werden in beiden Bistümern auch auf diese Fragen Informationen vermittelt, welche keine klaren, theologisch solide Antworten mehr geben, sondern die Verwässerung von Glaubenswahrheiten fördern (siehe unten einige Zitate). “Normen” seinen ja nicht mehr prioritär, diese müssen sich der Wirklichkeit stellen, und am Ende soll doch das eigene Gewissen entscheiden. Barmherzigkeit und Eingliederung sei das neue, anwendbare Prinzip. Schlussfolgerungen: (1) Von Umkehr in die geregelten, von der Kirche akzeptierten, Verhältnisse sprechen die beiden Bischöfe nicht mehr. (2) Auf diese Weise wird die Spaltung der Kirche weiter gefördert.
Bischof Gmür zu Amoris laetitia (kath.ch): «Ein Weg der Liebe und der Öffnung» 8. April 2016
«Der Text sagt deutlich, dass es nicht allein darum geht, was erlaubt ist und was nicht», sagte Gmür weiter. «Es geht darum, die verantwortungsvolle Unterscheidung zwischen den spezifischen Situationen wahrzunehmen.» Die von den Ortskirchen geforderte Kompetenz lasse sich mit den Begriffen «Unterscheiden, Gewissen schulen, Eigenverantwortung übernehmen, Begleiten» umschreiben. Und dies alles «im Rahmen der geltenden Ordnung», betonte der Bischof. Das sei ein anderer Ansatz als die «reine Normenorientierung». Das Spannungsfeld zwischen den geltenden Normen und den Ansprüchen bleibe jedoch bestehen. «Es gehört überall zum Leben und ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam kommunikativ angehen.»
Bischof Gmür zu AL (Internetseite Bistum Basel, 28. Dezember 2016)
Angesichts der unterschiedlichen und komplexen Situationen sind neue Regelungen, z.B. für den Empfang der Sakramente, nicht möglich. Man könnte sowieso nie allen Situationen gerecht werden. Das Gewissen spielt hier eine entscheidende Rolle. Die Kirche kann das Gewissen der einzelnen nicht ersetzen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, die Gewissen zu bilden. Die Menschen sind dann in der Lage, selbst zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen, so zum Beispiel beim Kommunionempfang. Hier betont der Papst, dass die Eucharistie nicht eine Belohnung für die Vollkommenen ist, sondern ein grosszügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen. Gewissensentscheide fallen nicht vom Himmel. Sie verlangen, dass eine Situation, ein Wunsch, eine Begebenheit immer wieder neu bedacht und überlegt wird. Was will ich? Was hat das für Auswirkungen auf meine Familie? Verletze ich jemanden? Verhilft es mir zum Glück? Das Unterscheiden ist ein persönlicher Prozess und gleichzeitig ein interaktives Geschehen. Es geschieht allein mit und vor Gott, in der Partnerschaft, mit Freunden, mit dem Priester und der Seelsorgerin. Richtschnur ist auch hier die Logik der Liebe und der Integration….Es liege in der Natur dieses gemeinsamen Weges der Liebe und des Gewissens, dass es sich um einen vernetzten und nicht nur um einen hierarchischen Prozess handle. Entsprechend sei es auch ein Weg des Dialogs, der Integration und der Gemeinschaft. Es darf keine Ausschlüsse geben!“ Der Umgang mit Regeln und Normen ‑‑ und damit auch mit dem Gewissen, das sich manchmal an Regeln und Normen reibt – hätten sich der sich verändernden Wirklichkeit zu stellen. „Die Formung des Gewissens zu unterstützen, ist unsere Aufgabe und Herausforderung als Kirche“.
Bischof Büchel «Wer bin ich, dass ich jemandem die Kommunion verbieten kann?»
Balzers FL, 19.6.15 (kath.ch) «Wer bin ich, dass ich jemandem die Kommunion verbieten kann?» Mit dieser Gegenfrage antwortete Markus Büchel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, an einem Gesprächsabend im Haus Gutenberg im liechtensteinischen Balzers auf die Frage aus dem Publikum, ob wiederverheiratete Geschiedene die Kommunion empfangen dürften. Es gehe immer darum, ob jemand an Jesus Christus und seine Lehre glaube, so Büchel gemäss dem «Liechtensteiner Vaterland» (19. Juni). Ob er oder sie dann zur Kommunion komme, sei eine persönliche Entscheidung und nicht die des Pfarrers oder Bischofs.