Der Ehebandverteidiger
Moraltheologe, Gelehrter und leidenschaftlicher Seelsorger: Zum Tod von Kardinal Carlo Caffarra
Rom, Die Tagespost, 8. September 2017
Giacomo Biffi – ‘Der Antichrist verwässert Glaubenswahrheiten’
Theologie des Leibes – Diverse Beiträge
Schon früh hat Carlo Caffarra damit begonnen, sich Fragen der Ehe und Familie zu widmen. Am 1. Juni 1938 in der Provinz Parma geboren und am 2. Juli 1961 in seinem Heimatort Samboseto geweiht, hat der junge Priester damals seine Studien an der Gregoriana-Universität in Rom fortgesetzt und das Doktorat in Kirchenrecht mit einer Arbeit über die Eheziele erworben. Als ihn schliesslich Johannes Paul II. im Januar 1981 beauftragte, an der Lateran-Universität das nach dem polnischen Papst benannte Institut für Ehe und Familie zu gründen, hatte Caffarra dieses Thema bereits immer wieder vertieft: als Professor für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät in Mailand – eine Zeit, in der er Freundschaft schloss mit dem bekannten italienischen Konzilstheologen Carlo Colombo und dem Gründer von „Comunione e Liberazione“, Luigi Giussani –, als Spezialist für Ehefragen in den Jahren nach der Veröffentlichung von „Humanae vitae“, seit 1974 als Mitglied der Internationalen Theologischen Kommission des Vatikans – es waren die Jahre, in denen der erste im Reagenzglas gezeugte Mensch geboren wurde – und schliesslich als Experte auf der römischen Bischofssynode von 1980 über Ehe und Familie.
Das Institut für Ehe und Familie wurde zu einer Erfolgsgeschichte. Caffarra gründete selber Niederlassungen 1988 in Washington und später in Mexiko und Spanien. Aber dann sollte noch eine besondere kirchliche Karriere beginnen: Am 21. Oktober von Kardinal Giacomo Biffi zum Bischof geweiht, übernahm er zunächst die Leitung der Erzdiözese Ferrara-Comacchio und wurde Präsident der Bischofskonferenz der Emilia Romagna. Am 16. Dezember 2003 ernannte ihn dann Johannes Paul II. zum Erzbischof in Bologna, wo Caffarra Nachfolger Biffis wurde und elf Jahre, bis zum Oktober 2015, blieb. Benedikt XVI. nahm ihn 2006 in das Kardinalskollegium auf und Caffarra nahm am Konklave von 2013 teil.
Nicht zu unterschätzen sei der Einklang gewesen, den Caffarra mit seinem Vorgänger in Bologna, dem gelehrten und 2015 verstorbenen Kardinal und Theologen Giacomo Biffi verbunden habe, erklärte jetzt Kardinal Walter Brandmüller gegenüber dieser Zeitung. Dessen hohes geistliches Erbe habe Caffarra immer hochgehalten. Wie Biffi, so Brandmüller, sei Caffarra ein „gründlich gelehrter Theologe“ und ein „hingebungsvoller Oberhirte“ gewesen. Der Tod des an einer schweren Krankheit Leidenden habe ihn zutiefst betroffen gemacht. Caffarras Nachfolger, Erzbischof Matteo Zuppi von Bologna, hatte die Nachricht am Montag „mit einem Herzen voller Trauer“ bekannt gegeben. Der Verstorbene, so schrieb Zuppi, „hat sein ganzes Leben treu gedient, ohne mit Liebe, Grosszügigkeit und Intelligenz zu sparen, die er überall da reichlich spendete, wo der Herr ihn hin gerufen hat“.
Wie dem kürzlich verstorbenen Kardinal Joachim Meisner geschah es nun auch Kardinal Caffarra, dass er in den Meldungen zu seinem Tod als einer der vier „dubia“-Kardinäle bezeichnet wurde, die Papst Franziskus um Klärungen zu „Amoris laetitia“ gebeten hatten. Der entsprechende Brief und dessen Veröffentlichung waren ein spätes Detail im Leben Caffarras, das aber völlig ungeeignet ist, ein ganzes Lebenswerk zu kennzeichnen. Man denke allein an die von ihm kommentierte Herausgabe der langen Katechesereihe von Johannes Paul II. über die „Theologie des Leibes“. Papst Franziskus hat Caffarra sehr geschätzt. Er berief diesen persönlich zu den beiden Synoden zu Ehe und Familie im Oktober 2014 und 2015. Und Caffarra reagierte empfindlich, als es Stimmen gab, die ihn im Oktober 2014 – auf einem ersten Höhepunkt der Auseinandersetzung um die von Kardinal Walter Kasper vorgebrachten Thesen zur Barmherzigkeit bei der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedene zu den Sakramenten – als einen „Gegner“ von Papst Franziskus bezeichneten. „Erlaubt mir dazu einen Scherz“, sagte er. „Es würde mir besser gefallen, wenn es hiesse, der Erzbischof von Bologna habe einen Geliebten, als wenn man jetzt sagt, er denke etwas anderes als der Papst.“ Als Gegner des amtierenden Papstes bezeichnet zu werden, habe ihn jetzt „zutiefst verbittert, weil es eine üble Nachrede ist“.
Dennoch müssen die Irritationen, die von „Amoris laetitia“ ausgingen – sowie der Umbau des Instituts Johannes Paul II. zu Ehe und Familie –, den Kardinal aus Bologna zutiefst beunruhigt haben. Seine ganze Sorge über die unterschiedlichen Interpretationen des nachsynodalen Schreibens fasste er nochmals in einem Brief an Franziskus vom 25. April dieses Jahres zusammen und bat darin um die Audienz für die vier Kardinäle der „dubia“. Eine Antwort hat er, der grosse Verehrer der Päpste, nicht erhalten und Franziskus nicht mehr gesehen. Auch diese letzte Enttäuschung verbindet ihn mit Kardinal Meisner.
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