Das Wunder von Knock
Rom, Zenit.org, Mittwoch, 1. Juni 2011
Zum Abschluss des Marienmonates hatte Zenit die exklusiven Rechte für die Veröffentlichung von Auszügen aus dem Buch von Dr. Peter H. Görg*: „Das Wunder von Knock – Die Erscheinung der Jungfrau Maria in Irland in Zeiten sozialer Not“ erhalten.
Heute veröffentlichen wir den letzten Teil der fünfteiligen Folge.
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Besonderheiten der Vision
Eine Besonderheit der Erscheinungen von Knock ist die Tatsache, dass kein einziges gesprochenes Wort von ihr ausging. Dabei ist es dem Kenner der Visionsliteratur, angefangen bei den großen biblischen Visionen mit ihrem Höhepunkt in der Johannesoffenbarung, bekannt, dass himmlische Botschaften sich nicht auf die verbale Ebene begrenzen, die eben auch immer mit der Begrenzung der Sprache einhergeht. Vielmehr finden sich die schönsten und tiefsten Aussagen über die transzendente Welt eben in der wörtlichen Übersetzung der „Vision“, nämlich in der Schauung. Diese Schauung kann sogar zu solch tiefer Erkenntnis führen, dass ein wortgewandter Theologe wie Thomas von Aquin sich außerstande sieht, noch einmal etwas zu schreiben.
Auch Johannes beschreibt vor allem, was er geschaut hat! Dementsprechend sehen heute viele Kenner Knock in seinem biblischen Symbolismus als eine der tiefgründigsten Erscheinungen, die zu immer neuen Betrachtungen anregt. Einen Teil dieser Betrachtungen wollen wir hier bekannt machen. Diese beschäftigen sich mit verschiedenen Gesichtspunkten, wie etwa der zentralen Bedeutung des Lammes, aber auch mit den drei himmlischen Gestalten, von denen die Gottesmutter im Zentrum steht.
Oft taucht auch die Frage auf, welche Rolle gerade der heilige Josef in dieser Vision einnimmt, der ja zum Beispiel kaum in direkten Bezug zur Johannesoffenbarung gebracht werden kann, an die die Vision von Knock geradezu anzuknüpfen scheint. Bei der Betrachtung der unterschiedlichen theologischen Überlegungen und Auslegungen zu Knock tauchen dabei tiefsinnige Zusammenhänge auf, die in der Folge aufgezeigt werden sollen. Die folgenden Überlegungen gehen auf Priester und Theologen zurück, die sich viele Jahre mit der Vision von Knock beschäftigten. Die tiefe Symbolik lädt zu immer neuen Betrachtungen ein, doch wir wollen uns hier auf die wesentlichen Punkte beschränken.
Knock und die Johannesoffenbarung
Nach kirchlicher Lehre ereignet sich kein Wunder und dementsprechend auch keine Erscheinung ohne einen tiefen Grund, der im göttlichen Heilsplan zu suchen ist. Alle vermeintlichen Erscheinungen, die sich ins Unzählige vermehren und dabei in ihrer Häufigkeit keinen erkennbaren Sinn zeigen, sind daher mit großer Skepsis zu betrachten. Für die Zeugen der Erscheinung in Knock war es die Glorie des Himmels, die sich ihnen zeigte. Daher sieht Walsh als unmittelbaren Effekt der Ereignisse die Tröstung des betrübten irischen Volkes, was bereits einen ausreichenden Sinn und Grund für die Erscheinung darstellt. Auch hier verweist er vor allem auf die Erklärung der Johannesoffenbarung, die den eschatologischen Zustand im himmlischen Jerusalem beschreibt und findet diese Erklärung auch passend für Knock:
„Seht die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er; Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen.“ (Offb. 21,3b-4).
Damit sieht Walsh auch die ewig gültige Aussage der Erscheinungen in ihrem eschatologischen Kern. Die menschliche Bestimmung liegt nicht in einem irdischen Paradies. Die endgültige Erfüllung kann der Mensch nur im himmlischen Jerusalem finden, während der Weg der Kirche das Kreuz ist, das zur Glorie führt. Er sieht im Lamm, den Engeln und den Sternen der Erscheinung von Knock eine unverkennbare Anspielung an die Johannesapokalypse. Das Lamm erscheint in der Heiligen Schrift als der zukünftige Messias. Auch das öffentliche Auftreten Jesu beginnt mit dem Ausruf des Täufers Johannes: „Seht das Lamm Gottes!“. Und die Offenbarung beschreibt als abschließendes Buch der Bibel die Himmelsvisionen des Johannes, in dem das geschlachtete Lamm die Anbetung des himmlischen Hofes erfährt.
Die Erscheinung Mariens in Knock korreliert nach Walsh ebenfalls mit der geheimnisvollen Frau aus Offb. 12 und lässt die einzigartige Rolle Mariens im Erlösungswerk aufscheinen. Sie ist in ihrer Himmelsglorie zugleich die erste Blüte der pilgernden Kirche und das Bild jener Herrlichkeit, die die gesamte Kirche erlangen soll. Eben als jenes Buch der Apokalypse deutet der Interpret das Buch, das der Apostel und Evangelist Johannes während der Erscheinung in Knock in seiner Hand hält. Er sieht es zugleich als eine Einladung, das Wort Gottes zu studieren. All dies zeigt auf, dass die Botschaft von Knock zutiefst biblisch ist. Sie fordert auf, die reiche Symbolwelt der Erscheinungen im Gebet zu betrachten und sich in sie zu vertiefen.
Es kann hier nur kurz auf die Bedeutung des Paschamysteriums eingegangen werden, das mit der zentralen Stellung des Lammes angedeutet ist und direkt auf das tiefe Geheimnis der Eucharistie verweist, in der sich Christus uns auf einzigartige Weise schenkt. Wenn Knock auch gemeinhin als Marienheiligtum verstanden wird, steht es letztlich doch für eine besonders christozentrische Erscheinung, denn das Zentrum ist das geheimnisvolle Lamm. Maria steht nicht über dem Lamm, sondern in einer Mittelstellung über Johannes und Josef. Die direkte Ausrichtung Mariens verweist auf den Himmel mit gleichzeitiger Ausrichtung zum Altar des Lammes. Mit der Ausrichtung Josefs und Johannes’ auf Maria, ohne sich vom Altar abzuwenden, ist die zentrale und einzigartige Stellung Mariens am Erlösungswerk in wunderbarer Weise ausgedrückt. Das katholische Zusammendenken der allgemeinen Verehrung der Heiligen (hier Josef und Johannes), der besonderen Verehrung Mariens (durch die Ausrichtung der Heiligen) und der Anbetung des Lammes, auf Erden vornehmlich im Mysterium des eucharistischen Opfers findet seine augenfälligste Darstellung in Knock.
Der heilige Joseph
Von besonderem Interesse in der Betrachtung der Vision von Knock ist die Anwesenheit des hl. Josephs, Bräutigam der Gottesmutter und Nährvater Jesu, des fleischgewordenen Wortes des ewigen Vaters. Wenn wir uns bisher in der Deutung der Vision in besonderer Weise auf die Offenbarung des hl. Apostels und Evangelisten Johannes gestützt haben, so lässt sich die Präsenz des heiligen Mannes aus Nazareth hier schwer einfügen. Und doch war es im göttlichen Plan vorgesehen, dass der gerechte und gütige Joseph, der Beschützer der Mutter und des Kindes, in Knock zugegen war. Überhaupt wird in der Geschichte der Erscheinungen der hl. Joseph selten genannt. Daher sei hier ein kleiner Ausflug erlaubt, der sich auf die Ausführungen von Msgr. Arthur Calkins stützen.
Calkins betont zunächst noch einmal, dass im Gegensatz zu der Erscheinung des Apostels Johannes, Joseph sofort von allen Zeugen klar identifiziert wurde. Sie alle sahen ihn in etwas weniger hellem Licht als die Gottesmutter, ihr mit geneigtem Haupt zugewendet und Respekt zollend.
Die erste Überlieferung einer Erscheinung des hl. Josephs bezieht sich auf die Erscheinung der hl. Familie, die ein reisender Mönch in der Nähe von Monserrat gehabt haben soll, wovon aber keine Dokumentation erhalten ist. Dagegen ereignete sich in der Nacht des 19. März 1448 im belagerten italienischen Novara die wohl erste dokumentierte Erscheinung Josephs. Am 7. Juni 1660 soll der Heilige einem Hirten namens Gaspard Ricard d’Estienne am Mont Besillon nahe Cotignac erschienen sein. Der Hirte hatte sich in der Hitze des Mittags mit seinen Schafen in den Schatten einiger Bäume geflüchtet, als ein Mann mit beeindruckender Statur vor ihm erschien und sagte: „Ich bin Joseph. Hebe diesen Stein hoch und du wirst trinken.“ Doch Gaspard sah, dass es sich um einen großen Felsbrocken handelte. Der Fremde beharrte aber darauf, dass er ihn wegschaffen solle und der Hirte konnte ihn tatsächlich mühelos anheben und fand darunter eine sprudelnde Quelle vor. Als er seinen Durst gestillt hatte und sich bei dem Fremden bedanken wollte, war dieser wieder verschwunden. Mit diesem Ereignis begann der Josephs-Kult in dieser Region zu wachsen. Eine Kapelle wurde errichtet und von den Oratorianern betreut.
Gebet zur Maria von Knock:
Unsere Liebe Frau von Knock, Königin Irlands, du gabst deinem Volk Hoffnung in einer Zeit der Not und hast es in der Trauer getröstet. Du hast unzählige Pilger inspiriert, mit festem Vertrauen zu deinem göttlichen Sohn zu beten, eingedenk Seines Versprechens: „Bittet und ihr werdet empfangen, sucht und ihr werdet finden.“
Hilf mir, dass ich daran denke, dass wir alle Pilger auf dem Weg zum Himmel sind. Erfülle mich mit Liebe und Sorge für meine Brüder und Schwestern in Christus, besonders für jene, die mit mir zusammenleben. Tröste mich, wenn ich krank, einsam oder niedergedrückt bin. Lehre mich, mit immer mehr Ehrfurcht an der Heiligen Messe teilzunehmen. Gib mir eine größere Liebe zu Jesus im Allerheiligsten Sakrament. Bete jetzt für mich, und in der Stunde meines Todes. Amen.
*Dr. Peter H. Görg wurde 1976 geboren. Er studierte Philosophie und Theologie und promovierte im Fach Dogmatik bei Prof. Dr. Anton Ziegenaus. Dr. Görg verfasste die biographischen Werke „Die Wüstenväter: Antonius und die Anfänge des Mönchtums“ (2008) und „Elisabeth von Thüringen begegnen“ (2009). Neben seiner publizistischen Tätigkeit arbeitet er als Lehrer.
Peter H. Görg: Das Wunder von Knock – Die Erscheinung der Jungfrau Maria in Irland in Zeiten sozialer Not, Media Maria Verlag, Illertissen 2010 (1. Aufl.)
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