Charta der Familienrechte UPDATE

Päpstlicher Rat für die Familie

Quelle: mit Anmerkungen Nr. 1 – 56
Päpstlicher Rat für die Familie
Elternrecht achten
Familien-Pastoral (598)

22. Oktober 1983 (1)
Charta der Familienrechte

Präambel

Im Bewusstsein, dass

A. die Rechte der Person, selbst wenn sie als Rechte des einzelnen formuliert sind, eine grundlegende soziale Dimension haben, die ihren natürlichen und vitalen Ausdruck in der Familie findet; (3)

B. die Familie ihre Grundlage in der Ehe hat, dieser innigen Lebensgemeinschaft in gegenseitiger Ergänzung von Mann und Frau, die durch das frei übernommene und öffentlich bekundete unauflösliche Eheband gebildet wird und offen ist für die Weitergabe des Lebens; (4)

C. die Ehe die naturgegebene Institution ist, der allein die Aufgabe, das Leben weiterzugeben, anvertraut ist; (5)

D. die Familie, eine natürliche Gemeinschaft, vor dem Staat und jeder anderen Gemeinschaft besteht und aus sich heraus Rechte besitzt, die unveräusserlich sind; (6)

E. die Familie, die viel mehr ist als eine blosse juridische, soziale und ökonomische Einheit, eine Gemeinschaft der Liebe und der Solidarität bildet, die in einzigartiger Weise geeignet ist, kulturelle, ethische, soziale, geistige und religiöse Werte zu lehren und zu übermitteln, wie sie wesentlich sind für die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer eigenen Mitglieder und der ganzen Gesellschaft; (7)

F. die Familie der Ort ist, wo verschiedene Generationen zusammenkommen und einander helfen, an menschlicher Weisheit zu wachsen und die Rechte des einzelnen mit den anderen Forderungen des sozialen Lebens zu verbinden; (8)

G. Familie und Gesellschaft, die in vitaler und organischer Weise miteinander verbunden sind, bei der Verteidigung und Förderung des Wohls der Menschheit und jeder einzelnen Person eine komplementäre Funktion haben; (9)

H. die Erfahrung verschiedener Kulturen im Laufe der Geschichte gezeigt hat, dass die Gesellschaft die Institution der Familie anerkennen und verteidigen muss;

I. die Gesellschaft und insbesondere der Staat und internationale Organisationen die Familie durch politische, ökonomische, soziale und juristische Massnahmen schützen müssen, die dahin zielen, die Einheit und Festigkeit der Familie zu stärken, damit sie ihre besondere Funktion erfüllen kann; (10)

J. die Rechte, die grundlegenden Bedürfnisse, das Wohlergehen und die Werte der Familie, obwohl in einigen Fällen in zunehmendem Masse gesichert, doch oft nicht beachtet und nicht selten durch Gesetze, Institutionen und gesellschaftlich-wirtschaftliche Programme untergraben werden; (11)

K. viele Familien gezwungen sind, in ärmlichen Verhältnissen zu leben, die sie daran hindern, ihre Aufgaben in Würde zu erfüllen; (12)

L. die katholische Kirche in der Erkenntnis, dass das Wohl der Person, der Gesellschaft und der Kirche selbst auf dem Weg über die Familie erreicht wird, es immer für einen Teil ihrer Sendung angesehen hat, allen den Plan Gottes, wie er für Ehe und Familie der menschlichen Natur eingeschrieben ist, zu verkünden, diese beiden Institutionen zu fördern und sie gegen alle zu verteidigen, die sie angreifen; (13)

M. die Bischofssynode des Jahres 1980 ausdrücklich empfohlen hat, eine Charta der Familienrechte zu erarbeiten und allen zuständigen Stellen zuzuleiten, (14)

legt der Heilige Stuhl nach Einholung des Rates der Bischofskonferenzen nun diese Charta der Familienrechte vor und bittet alle Staaten und internationalen Organisationen, alle interessierten Institutionen und Personen dringend, die Achtung vor diesen Rechten zu fördern und ihre tatsächliche Beachtung und Einhaltung zu gewährleisten.

Artikel 1

Alle Personen haben das Recht, ihren Lebensstand frei zu wählen und so entweder zu heiraten und eine Familie zu gründen oder ehelos zu bleiben. (15)

a) Jeder Mann und jede Frau, die das heiratsfähige Alter erreicht und die notwendige Eignung hat, hat das Recht, ohne jegliche Diskriminierung zu heiraten und eine Familie zu gründen; gesetzliche Einschränkungen für die Ausübung dieses Rechtes, ob von dauerhafter oder zeitlich begrenzter Art, dürfen nur eingeführt werden, wenn schwere und objektive Erfordernisse der Eheinstitution selbst und ihrer sozialen und öffentlichen Bedeutung dies verlangen; solche Einschränkungen müssen dabei auf jeden Fall die Würde und die Grundrechte der Person respektieren. (16)

b) Diejenigen, welche heiraten und eine Familie gründen möchten, haben das Recht, von der Gesellschaft die moralischen, erzieherischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen zu erwarten, die es ihnen ermöglichen, ihr Recht auf Heirat in aller Reife und Verantwortlichkeit auszuüben. (17)

c) Der Wert der Ehe als Institution soll von den staatlichen Autoritäten hochgehalten werden; die Situation nichtverheirateter Paare darf nicht mit einer gültig geschlossenen Ehe gleichgesetzt werden. (18)

Artikel 2

Eine Ehe darf nur geschlossen werden aufgrund der freien und vollen Zustimmung, die die Brautleute in gebührender Form bekunden. (19)

a) Bei allem schuldigen Respekt vor der traditionellen Rolle der Familien in einigen Kulturen, die Kinder bei ihrer Entscheidung anzuleiten, muss doch jeder Druck, der die Wahl einer bestimmten Person als Ehepartner behindern würde, vermieden werden. (20)

b) Die zukünftigen Eheleute haben das Recht auf ihre religiöse Freiheit. Darum ist es eine Verletzung dieses Rechtes, als vorgängige Bedingung für eine Eheschliessung eine Verleugnung des Glaubens oder das Bekenntnis eines Glaubens, der ihrem Gewissen widerspricht, zu verlangen. (21)

c) Die Eheleute haben im Rahmen der natürlichen Komplementarität, wie sie zwischen Mann und Frau besteht, dieselbe Würde und gleiche Rechte im Hinblick auf ihre Ehe. (22)

Artikel 3

Die Eheleute haben das unveräusserliche Recht, eine Familie zu gründen und über den zeitlichen Abstand der Geburten und die Zahl ihrer Kinder zu entscheiden; dabei müssen sie ihre Verpflichtungen gegenüber sich selbst, den bereits geborenen Kindern, der Familie und der Gesellschaft voll berücksichtigen, und dies in einer rechten Hierarchie der Werte und in Übereinstimmung mit der objektiven moralischen Ordnung, die Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung ausschliesst. (23)

a) Die Aktivitäten öffentlicher Autoritäten und privater Organisationen, die in irgendeiner Weise versuchen, die Freiheit der Ehepaare in der Entscheidung über die Zahl ihrer Kinder einzuschränken, stellen eine schwere Verletzung der menschlichen Würde und Gerechtigkeit dar. (24)

b) In den internationalen Beziehungen darf Wirtschaftshilfe für die Entwicklung der Völker nicht an die Annahme von Programmen für Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung gebunden werden. (25)

c) Die Familie hat ein Recht auf Unterstützung durch die Gesellschaft bei der Geburt und Erziehung von Kindern. Jene Ehepaare, die eine grosse Familie haben, haben ein Recht auf angemessene Hilfe und sollten keiner Diskrimination ausgesetzt werden. (26)

Artikel 4

Menschliches Leben muss vom Augenblick der Empfängnis an absolut geachtet und geschützt werden. (27)

a) Abtreibung ist eine direkte Verletzung des grundlegenden Lebensrechtes des Menschen. (28)

b) Die Achtung vor der Würde des Menschen schliesst alle experimentelle Manipulation und Verwertung des menschlichen Embryos aus. (29)

c) Alle Eingriffe in das genetische Erbe der menschlichen Person, die nicht auf die Korrektur von Anomalien abzielen, stellen eine Verletzung des Rechtes auf körperliche Integrität dar und widersprechen dem Wohl der Familie.

d) Kinder haben vor und nach der Geburt ein Recht auf besonderen Schutz und Beistand, wie die Mutter sie ihnen während der Schwangerschaft und einer angemessenen Zeitspanne nach der Geburt leistet. (30)

e) Alle Kinder, ob ehelich oder ausserehelich geboren, haben dasselbe Recht auf sozialen Schutz für ihre volle persönliche Entfaltung. (31)

f) Waisen oder Kinder, die des Beistandes ihrer Eltern oder Pflegeeltern entbehren, müssen von Seiten der Gesellschaft einen besonderen Schutz erhalten. Im Hinblick auf ein Pflegeverhältnis oder auf Adoption muss der Staat für eine Gesetzgebung sorgen, die es geeigneten Familien erleichtert, Kinder in ihr Heim aufzunehmen, die dauernde oder zeitweilige Sorge brauchen, und die zugleich die natürlichen Rechte der Eltern achtet. (32)

g) Behinderte Kinder haben das Recht, zu Hause und in der Schule eine für ihre Entwicklung günstige Umgebung zu finden. (33)

Artikel 5

Weil sie ihren Kindern das Leben geschenkt haben, besitzen die Eltern das ursprüngliche, erste und unveräusserliche Recht, sie zu erziehen; darum müssen sie als die ersten und vorrangigen Erzieher ihrer Kinder anerkannt werden. (34)

a) Eltern haben das Recht, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen und dabei die kulturellen Traditionen ihrer Familie zu berücksichtigen, die Wohl und Würde des Kindes fördern; sie sollten auch die notwendige Hilfe und Unterstützung der Gesellschaft erhalten, um ihre Erziehungsaufgabe richtig zu erfüllen. (35)

b) Eltern haben das Recht, Schulen und andere Hilfsmittel frei zu wählen, die notwendig sind, um die Kinder in Übereinstimmung mit ihren Überzeugungen zu erziehen. Staatliche Autoritäten müssen sicherstellen, dass die staatlichen Unterstützungen so zugeteilt werden, dass die Eltern dieses Recht wirklich frei ausüben können, ohne ungerechtfertigte Lasten tragen zu müssen. Es dürfte nicht sein, dass Eltern direkt oder indirekt Sonderlasten tragen müssen, die die Ausübung dieser Freiheit unmöglich machen oder in ungerechter Weise einschränken würden. (36)

c) Eltern haben das Recht auf Gewähr, dass ihre Kinder nicht gezwungen werden, Schulklassen zu besuchen, die nicht in Übereinstimmung stehen mit ihren eigenen moralischen und religiösen Überzeugungen. Insbesondere die Geschlechtserziehung – die ein Grundrecht der Eltern darstellt – muss immer unter ihrer aufmerksamen Führung geschehen, ob zu Hause oder in Erziehungseinrichtungen, die von ihnen ausgewählt und kontrolliert werden. (37)

d) Die Elternrechte werden verletzt, wenn der Staat eine verpflichtende Erziehungsform auferlegt, bei der alle religiöse Bildung ausgeschlossen ist. (38)

e) Das vorrangige Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, muss in allen Formen des Zusammenwirkens zwischen Eltern, Lehrern und Schulleitung gewahrt bleiben, insbesondere bei Mitwirkungsformen, die den Bürgern in praktischen Schulfragen und in der Formulierung und Konkretisierung von Erziehungsprogrammen eine Stimme geben wollen. (39)

f) Die Familie hat das Recht zu erwarten, dass die Kommunikationsmittel als positive Instrumente für den Aufbau der Gesellschaft wirken und die grundlegenden Werte der Familie stärken. Zugleich hat die Familie das Recht, vor allem im Hinblick auf ihre jüngsten Mitglieder, vor den negativen Einflüssen und den Missbräuchen der Massenkommunikationsmittel angemessen beschützt zu werden. (40)

Artikel 6

Die Familie hat das Recht, als Familie zu leben und sich zu entfalten. (41)

a) Die staatlichen Autoritäten müssen die Würde, gesetzliche Unabhängigkeit, Privatsphäre, Einheit und Festigkeit jeder Familie achten und fördern. (42)

b) Ehescheidung ist ein Angriff auf die Institution selbst von Ehe und Familie. (43)

c) Dort, wo das System der Grossfamilie existiert, sollte es weiterhin hochgeschätzt und darin unterstützt werden, seine traditionelle Rolle der Solidarität und des gegenseitigen Beistandes noch besser zu verwirklichen; gleichzeitig sollten jedoch die Rechte der Kernfamilie und die Personwürde jedes Familienmitgliedes geachtet werden.

Artikel 7

Jede Familie hat das Recht, unter Anleitung der Eltern zu Hause ihr eigenes religiöses Leben zu führen, sowie das Recht, den Glauben öffentlich zu bekennen und zu verbreiten, am öffentlichen Gottesdienst und an frei gewählten Programmen religiöser Unterweisung teilzunehmen, ohne dadurch benachteiligt zu werden. (44)

Artikel 8

Die Familie hat das Recht, ihre soziale und politische Funktion beim Aufbau der Gesellschaft auszuüben. (45)

a) Familien haben das Recht, Vereinigungen mit anderen Familien und Institutionen zu bilden, um die Aufgaben der Familie in geeigneter und wirksamer Weise zu erfüllen sowie ihre Rechte zu schützen, ihr Wohlergehen zu fördern und ihre Interessen zu vertreten. (46)

b) Auf wirtschaftlichem, sozialem, juristischem und kulturellem Gebiet muss die rechtmässige Rolle der Familien und Familienverbände für die Planung und Entwicklung von Programmen, die das Familienleben berühren, anerkannt werden. (47)

Artikel 9

Familien haben ein Recht, von den staatlichen Autoritäten eine angemessene Familienpolitik auf juristischem, wirtschaftlichem, sozialem und steuerrechtlichem Gebiet erwarten zu können, die jedwede Benachteiligung ausschliesst. (48)

a) Familien haben ein Recht auf wirtschaftliche Bedingungen, die ihnen einen Lebensstandard sichern, der ihrer Würde und ihrer vollen Entwicklung entspricht. Sie sollten nicht daran gehindert werden, privates Eigentum zu erwerben und zu besitzen, um ein stabiles Familienleben zu fördern; die Gesetze über Erbschaft und Eigentumsübertragung müssen die Bedürfnisse und Rechte der Familienmitglieder beachten. (49)

b) Familien haben ein Recht auf soziale Unterstützung bei besonderen Bedürfnissen, wie besonders beim vorzeitigen Tod eines oder beider Elternteile, im Falle, dass ein Ehepartner im Stich gelassen wird, bei Unfall, Krankheit oder Invalidität, bei Arbeitslosigkeit oder wenn immer die Familie aus Gründen des hohen Alters, von körperlicher oder geistiger Behinderung oder wegen der Kindererziehung Sonderlasten für ihre Mitglieder tragen muss. (50)

c) Die älteren Menschen haben das Recht, in ihrer eigenen Familie oder, wenn dies nicht möglich ist, in geeigneten Einrichtungen eine Umgebung zu finden, die es ihnen ermöglicht, ihre späten Lebensjahre in Ruhe und Gelassenheit zu verbringen und dabei solche Dinge zu tun, die mit ihrem Alter vereinbar sind und die sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen lassen. (51)

d) Die Rechte und Bedürfnisse der Familie, vor allem der Wert der Einheit der Familie, müssen im Strafrecht und in der entsprechenden Politik berücksichtigt werden, und zwar derart, dass ein Strafgefangener im Kontakt mit seiner Familie bleibt und die Familie während der Zeit der Strafverbüssung angemessen unterstützt wird.

Artikel 10

Familien haben ein Recht auf eine soziale und wirtschaftliche Ordnung, in der die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse es den Familienmitgliedern gestattet, zusammenzuleben, und nicht die Einheit, das Wohlergehen, die Gesundheit und den Zusammenhalt der Familie behindert, sondern sogar die Möglichkeit gemeinsamer Erholung bietet. (52)

a) Der Arbeitslohn muss hinreichend sein, um eine Familie in würdiger Weise gründen und unterhalten zu können, und dies entweder durch eine angemessene Bezahlung, “Familienlohn” genannt, oder durch andere soziale Massnahmen wie Familienzuschüsse oder ein Entgelt für die Hausarbeit eines Elternteils; der Arbeitslohn sollte so bemessen sein, dass Mütter nicht zur Arbeit ausserhalb des Hauses genötigt werden, zum Nachteil des Familienlebens und vor allem der Kindererziehung. (53)

b) Die Arbeit der Mutter im Haus muss wegen ihres Wertes für Familie und Gesellschaft anerkannt und geachtet werden. (54)

Artikel 11

Die Familie hat das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung, die für das Familienleben geeignet ist und der Zahl der Familienmitglieder entspricht, in einer äusseren Umgebung, in der die Grunddienste für das Leben von Familie und Gemeinschaft gewährleistet sind. (55)

Artikel 12

Eingewanderte Familien haben das Recht auf denselben Schutz, wie er den anderen Familien gewährt wird. (56)

a) Die Familien der Einwanderer haben das Recht, dass ihre eigene Kultur geachtet wird und dass sie Unterstützung und Beistand erhalten für ihre Integration in die Gesellschaft, zu deren Wohl sie beitragen.

b) Gastarbeiter haben das Recht, so bald wie möglich mit ihrer Familie zusammenleben zu können.

c) Flüchtlinge haben das Recht auf Unterstützung durch staatliche Autoritäten und internationale Organisationen, damit die Zusammenführung ihrer Familien erleichtert wird.

EINFÜHRUNG

Die “Charta der Familienrechte” geht zurück auf eine Bitte der Bischofssynode, die im Jahre 1980 über das Thema “Die Rolle der christlichen Familie in der modernen Welt” in Rom stattgefunden hat (vgl. “Propositio” 42). Papst Johannes Paul II. hat sich in seinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio (Nr. 46) diesem Wunsch der Synode angeschlossen und den Heiligen Stuhl beauftragt, eine Charta der Familienrechte zu erarbeiten, um sie dann den zuständigen Behörden und Autoritäten vorzulegen.

Es ist wichtig, Natur und Stil der hier vorliegenden Charta richtig zu verstehen.

Das Dokument ist keine Darlegung der Dogmatik und Moraltheologie von Ehe und Familie, obgleich es die kirchliche Auffassung zu diesem Bereich widerspiegelt. Auch ist es kein Verhaltenskodex für Personen und Institutionen, die mit solchen Fragen befasst sind. Die Charta unterscheidet sich ferner von einer blossen Erklärung theoretischer Prinzipien bezüglich der Familie. Seine Absicht ist vielmehr, den heutigen Menschen – ob Christen oder nicht – eine möglichst vollständige und geordnete Zusammenstellung der grundlegenden Rechte vorzulegen, die mit jener naturgegebenen und universellen Gemeinschaft verbunden sind, wie sie die Familie darstellt.

Die in dieser Charta verkündigten Rechte sind im Gewissen des Menschen und in den gemeinsamen Werten der ganzen Menschheit enthalten. Der christliche Aspekt ist hierbei durch das Licht der göttlichen Offenbarung gegeben, welche die naturgegebene Wirklichkeit der Familie erhellt. Letztlich erwachsen diese Rechte jenem Gesetz, das vom Schöpfer dem Herzen jedes Menschen eingeschrieben worden ist. Die Gesellschaft ist aufgerufen, diese Rechte gegen alle Verletzungen zu verteidigen und sie in ganzem Umfang zu achten und zu fördern.

Die Rechte, die hier dargelegt werden, müssen im spezifischen Sinn einer “Charta” verstanden werden. In einigen Fällen verweisen sie auf echte, juristisch verbindliche Normen; in anderen Fällen enthalten sie grundlegende Forderungen und Prinzipien für eine entsprechende Konkretisierung durch die Gesetzgebung und für die Entwicklung einer Familienpolitik. In jedem Falle sind sie ein prophetischer Aufruf zugunsten der Familie, die geachtet und gegen jeden widerrechtlichen Zugriff verteidigt werden muss.

Fast alle diese Rechte sind bereits in anderen Dokumenten sowohl der Kirche wie auch der internationalen Gemeinschaft enthalten. Die vorliegende Charta versucht, sie weiter zu entfalten, klarer zu definieren und in einer zusammenhängenden, geordneten und systematischen Form darzustellen. Dem Text sind Angaben (2) von “Quellen und Bezugsstellen” beigefügt, denen einige der Formulierungen entnommen sind.

Die “Charta der Familienrechte wird nun vom Heiligen Stuhl vorgelegt, dem zentralen und höchsten Leitungsorgan der katholischen Kirche. In diesem Dokument sind zahlreiche Anmerkungen und Gedanken verwertet worden, die in Beantwortung einer breiten Konsultation der Bischofskonferenzen der ganzen Kirche sowie von dafür zuständigen Fachleuten aus verschiedenen Kulturbereichen eingegangen sind. Die Charta richtet sich hauptsächlich an Regierungen. Indem die Charta zum Wohl der Gesellschaft das gemeinsame Bewusstsein von den wesentlichen Rechten der Familie erneut bekräftigt, bietet sie allen, die für das Gemeinwohl Verantwortung tragen, ein Modell und eine Grundlage für die Erarbeitung einer entsprechenden Gesetzgebung und Familienpolitik sowie eine Handreichung für konkrete Programme und Aktionen an.

Zugleich legt der Heilige Stuhl dieses Dokument vertrauensvoll den überstaatlichen internationalen Organisationen vor, die in ihrer Zuständigkeit und Sorge für die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte die Verletzungen der fundamentalen Rechte der Familie nicht übersehen oder zulassen dürfen.

Die Charta richtet sich natürlich auch an die Familien selbst. Sie möchte unter den Familien das Bewusstsein von der unersetzlichen Rolle und Stellung der Familie wieder stärken; sie will die Familien dazu anregen, sich zur Verteidigung und Förderung ihrer Rechte zusammenzuschliessen; sie ermutigt die Familien, ihre Aufgaben so zu erfüllen, dass die Rolle der Familien in der heutigen Welt besser gewertet und anerkannt wird.

Schliesslich richtet sich die Charta an alle Männer und Frauen, damit sie sich mit allen Kräften dafür einsetzen, dass die Rechte der Familie geschützt werden und die Institution der Familie zum Wohl der heutigen und der zukünftigen Menschheit gestärkt werde.

Durch die Vorlage dieser von den Vertretern des Weltepiskopates gewünschten Charta richtet der Heilige Stuhl einen besonderen Appell an alle Glieder und Institutionen der Kirche, die Überzeugung von der unersetzlichen Sendung der Familie klar kundzutun und darauf zu achten, dass Familien und Eltern die notwendige Unterstützung und Ermutigung erhalten, ihre gottgegebene Aufgabe zu erfüllen.

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