Triumph der Heuchelei

Impuls zum 30. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C — 23. Oktober 2016

bergpredigt-xpQuelle

21. Oktober 2016, Peter von Steinitz, Kommentar zu Sonntagslesungen im Jahreskreis

Weh euch!, James Tissot (1836-1902) / Wikimedia Commons – Online Collection of Brooklyn Museum, Public Domain

Der Evangelist Lukas beginnt das heute zu verlesende Evangelium mit den Worten: „Jesus erzählte einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Beispiel…“ (Lk 18,9)

Es ist die Heuchelei, die Jesus in dieser Geschichte von dem eingebildeten Pharisäer und dem demütigen Zöllner geisselt.

Die Sache ist allerdings im Vergleich zu den Triumphen, die die Heuchelei heute im grossen Stil, in der Weltpolitik, feiert, relativ harmlos. Da ist ein Pharisäer, ein Wichtigtuer, der davon überzeugt ist, dass er ‚besser‘ als der Zöllner ist, der im Hintergrund steht. Seine Charakterbild ist mit Absicht überzeichnet. Jesus will es ganz deutlich machen, dass sein Stolz und seine Eitelkeit selbst ihn verurteilen. Der Pharisäer ist eine lächerliche Person, während der Zöllner in seiner Demut und Zerknirschtheit im Frieden ist.

Zur Heuchelei gehört zunächst einmal, dass ein moralischer Kodex existiert, an dem man sich  selbst und dann die anderen misst.

Was im Kleinen gilt, gilt für Jesus auch im Grossen. Die Tugenden gelten nicht nur für einzelne Personen, sondern auch für die Völker.

Im Leben der Völker gibt es auch heute, allen moralischen Einbrüchen zum Trotz, noch eine Menge von Grundsätzen, die – wenigstens äusserlich – eingehalten werden. Dazu gehören natürlich besonders solche Werte wie Freiheit und Frieden. Keine Regierung der Welt kann es sich leisten, nicht für den Frieden zu sein. Aber wie ist es dann zu erklären, dass unsere Welt  immer unfriedlicher wird?

Die Antwort lautet: allenthalben Heuchelei. Man ist zwar nach aussen hin für den Frieden, aber man kann ihn nicht immer gut gebrauchen, vor allem, wenn es ums Geld geht.

Es ist geradezu ergreifend, wie die Aussenminister der USA und Russlands, dann auch wieder die Vertreter zahlreicher anderer Mächte zusammen mit ihnen, sich in endlosen Verhandlungen um Frieden oder wenigstens Waffenruhe bemühen.

Diese Verhandlungen, die am Ende regelmässig dann doch nichts bringen, sind meistens Makulatur, denn es wird auf der falschen Ebene verhandelt. Warum endet das grausame Töten in Syrien nicht? Warum hält sich das Assad-Regime immer noch? Weil es immerzu Waffen nachgeschoben bekommt. Es hätte längst seit Jahren all ‚sein Pulver verschossen‘, aber da sind die Multi-Konzerne der Rüstungsindustrie, die alle Kriegsparteien immer wieder mit neuen Waffen versorgen. Würde der Nachschub an Waffen bei Assad, wie auch bei den Rebellen, von heute auf morgen total eingestellt werden, wäre der Krieg bald vorbei.

Aber mit der Produktion und dem Verkauf von Waffen lässt sich unendlich viel Geld verdienen!

In der öffentlichen Meinung, besser gesagt in der veröffentlichten Meinung, werden die Zusammenhänge zwischen Geld und politischem Handeln oft verschwiegen, oder zumindest verschleiert. Warum hat z.B. das steinreiche und hoch gerüstete Saudi Arabien, in dessen Namen sehr viel Unrecht geschieht, nirgendwo eine schlechte Presse, während auf Russland ständig eingedroschen wird? Warum ereifert sich niemand darüber, dass dieser Islamische Staat keineswegs seine verfolgten Glaubensbrüder aufnimmt, wie es nahe läge. Und der Zusammenhang mit Nine-Eleven? Mit Ach und Krach hat man es in Amerika geschafft, dass Obama nicht verhindern konnte, dass man gegen diesen Staat, von dem die Vereinigten Staaten wirtschaftlich profitieren, gerichtlich vorgehen kann, nachdem es einen begründeten Verdacht gibt, dass er in die Terroranschläge am 9. September 2001 verwickelt sein könnte.

Da wird offensichtlich viel Geld bezahlt, wobei man nicht weiss, ob es direkt an die Medien geht oder an die Politiker, die die Medien entsprechend ‚briefen’. Warum lässt Saudi Arabien den notleidenden arabischen Muslimen auch keine wirtschaftliche Hilfe angedeihen? Statt dessen brüstet sich dieser Staat damit, dass er in Deutschland Hunderte von Moscheen finanziert.

Auch der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hält sich seit vielen Jahrzehnten mit unschöner Konstanz. Wie kommt das? Jährlich werden Hunderte unschuldiger Menschen  sinnloserweise getötet. Tatsache ist, dass sowohl die Israelis als auch die Palästinenser ein friedliches Zusammenleben wollen und dafür auch gewisse Einschränkungen in Kauf nehmen würden. Trotzdem wird immer wieder gekämpft und gemordet, weil immer wieder neue Waffen geliefert werden. Sie werden geliefert, weil andere grössere Mächte im Hintergrund ein grosses Interesse daran haben, diesen Konflikt immer am Schwelen zu halten. Und weil es darum geht, dass die massenhaft produzierten Waffen ihrer Bestimmung zugeführt werden. Gelegentlich wird das übrigens auch „humanitär“ begründet: sehr viele Menschen, die dort beschäftigt sind, würden ihren Arbeitsplatz verlieren, wenn keine Waffen produziert würden.

Und wie ist es mit den supranationalen Organisationen, EU und UNO, die angeblich ebenfalls um den Frieden ringen? Wäre es wirklich unrealistisch zu erwarten, dass die Vereinten Nationen eine wirkliche Abrüstungskonferenz veranstalteten, d.h. eine Konferenz,  bei der die souveränen Staaten die Produzenten von Waffen an einen Tisch zwingen mit dem Ziel, die Produktion von Waffen zu reduzieren und schliesslich ganz zu beenden. An dieser Stelle ist bei den meisten sachlich denkenden Menschen ein ironisches Lächeln fällig.

Unrealistisch?

Was unser Herr Jesus Christus fordert, ist in diesem Sinn meist „unrealistisch“. Deswegen sind ja die Forderungen der Bergpredigt in so paradoxer Weise formuliert („Selig, die Verfolgung leiden,…“).

Der Pharisäer ist am Ende gescheitert, der Zöllner nicht. Die waffenstarrenden Kriegsparteien, sie werden auch alle scheitern, aber am Ende – vielleicht ganz am Ende – wird sein: Pax Christi in Regno Christi.

Aber müssen wir Menschen bis dahin warten und zusehen, wie die Menschen sich gegenseitig abschlachten?

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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