‘Politische Korrektheit’
„Man kann sich ärgern über die oft zitierte, nie genau erklärte und nie begründete ‚politische Korrektheit‘
Quelle
Klartext III – Dialog mit dem Zeitgeist
„Man kann sich ärgern über die oft zitierte, nie genau erklärte und nie begründete ‚politische Korrektheit‘. Es kann einem aber auch angst und bang werden!“ kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun
Salzburg, kath.net, 3. Oktober 2016
Man kann sich ärgern über die oft zitierte, nie genau erklärte und nie begründete „politische Korrektheit“. Es kann einem aber auch angst und bang werden! Lächerlich? Vielleicht doch nicht? Denn es gab früher noch nicht den Begriff, aber der Sache nach gab es sie schon oft und mündete nicht selten in Schrecken und Unterdrückung:
Beispiel 1: Zur Zeit der französischen Revolution war es politisch korrekt, den „Volkswillen“, die „Republik“, „Revolution“ und „Tugend“ hoch zu halten, aber im Namen dieser „Ideale“ köpfte man Menschen ohne Zahl. Oft nur, weil diese sich dem „Volkswillen“ nicht fügen wollten oder weil man sie aus irgendeinem Grund weghaben wollte. Um diesen Volkswillen zu vollziehen behauptete Joseph Fouché, einer der Ideologen der Revolution, er sei beauftragt, „die abergläubischen und verlogenen Kultushandlungen, denen das Volk unglücklicherweise immer noch die Treue hält, durch solche zu ersetzen, die der Republik und der natürlichen Moral gemäß sind“. Wie grauenhaft er wütete, lässt sich u.a. bei Stefan Zweig (Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen) nachlesen. Politisch korrekt war damals auch die Verehrung eines „höchsten Wesens“, der „Gottheit der Republik und das „Üben der Tugenden“. Weil das Credo der Kirche mit diesem politisch korrekten ideologischem Programm unvereinbar war, startete man die Entchristlichung des Landes. Ein Beispiel dazu: Auf Friedhöfen musste ein Schild angebracht werden: „Der Tod ist ein ewiger Schlaf“. Auch damals schon wollte man einen neuen Menschen schaffen, gelten sollte nur noch Vernunft, Freiheit und Gleichheit. Die Deutungshoheit für diese Quasireligion der „Tugend“ und „Gleichheit“, sozusagen das revolutionäre Lehramt, nahmen fanatische Ideologen für sich in Anspruch. Daraus entstanden Lehren wie die von Robespierre in einer seiner letzten Reden: „Das einzige Fundament der republikanischen Zivilgesellschaft ist die Moral“. Aber ein erläuternder Satz öffnet Abgründe und hätte auch für Göbbels oder Stalin gepasst: „In den Augen des Gesetzebers ist alles Wahrheit, was der Welt zum Vorteil gereicht und in der Praxis gut ist.“ Wahrscheinlich würde diese These auch in den Ohren und im Mund heutiger Politiker kaum auffallen und für politisch korrekt gehalten werden.
Beispiel 2: Im Namen seines Verständnisses der Bibel praktizierte auch Johannes Calvin politisch Korrektheit mit seiner Sittenpolizei, die die Moral der Leute kontrollierte mit Vollmachen, die schaudern lassen.
Beispiel 3: Ähnlich ist es heute wohl im Iran mit der Kontrolle der „korrekten“ Kopfbedeckung und Kleidung von Frauen.
Beispiel 4: Politisch höchst unkorrekt und lebensgefährlich ist es für Muslime, ihre Religion aufzugeben und etwa Christ zu werden.
Beispiel 5: Es wäre ungerecht nicht zuzugeben: Auch im katholischen Christentum gab es strukturelle Verirrungen dieser Art, wenn man versuchte, jede häretische Abweichung vom wahren Glauben mit Gewalt zu unterdrücken.
Beispiel 6: Aber natürlich kann man auch die vielen Christenverfolgungen der Geschichte so beschreiben: Es war politisch unkorrekt, den jüdisch-christlichen Gott über den Kaiser zu stellen und darum wurde man nicht selten hingerichtet.
Alle diese Beispiele zeigen: Es geht immer um eine Wahrheitsfrage und immer den Versuch bestimmter Leute oder Gruppen, ihre Wahrheit durchzusetzen und den anderen Menschen aufzuerlegen, koste es was es wolle.
Ist die Wahrheit also gefährlich, führt sie zu Gewalt und Unfreiheit? Nein, nicht Wahrheit ist gefährlich, sie befreit vielmehr, es gehört zum Menschen, sich nach ihr zu sehnen und zu suchen, gefährlich kann nur ein bestimmter Umgang mit ihr sein, aber ohne sie kann ein Rechtsstaat nicht existieren. Wenn es keine Wahrheit gäbe, die anerkannt ist und auch in bestimmten Fällen verteidigt wird, gäbe es keine Rechtssicherheit und keine freiheitliche Ordnung!!
Der Begriff der „politischen Korrektheit“ verschleiert, in Wirklichkeit wirft er nur die alte, im neuen Begriff getarnte Frage nach der Wahrheit auf und dann die nächste, wie mit dem „Irrenden“ umzugehen ist. Wir rufen Toleranz, wenn wir das Gemeinte anders sehen als es die öffentliche Meinung tut, oder wenn wir den Irrtum für harmlos halten. Aber auch wir rufen nach Verbot und Strafe, wenn wir meinen, die politische Korrektheit stehe in einem bestimmten Fall wirklich im Dienst der Wahrheit und ihre Leugnung wäre gefährlich. Darum dulden wir keine nationalsozialistische und hoffentlich ebenso wenig keine kommunistische Ideologie, obwohl beide zu ihrer Zeit für „politisch korrekt“ galten.
Umgekehrt verteidigen heute viele die absurde und menschenfeindliche Genderideologie als politisch korrekt, deren Programm den meisten Menschen ohnehin unbekannt ist. Oder man will ein Recht auf Abtreibung als politisch korrekt und durchsetzen und stellt den Lebensschützer ins Abseits: Er wird am medialen Pranger geprügelt, man diffamiert ihn als „extrem“, als radikal“ und eben als „politisch nicht korrekt“, unnötig ihm Zuzuhören. „Politisch nicht korrekt“ ersetzt die Argumente und jede Beweisführung.
Die Gefahr beginnt, wo es kein Ringen um die Wahrheit mehr gibt und der Begriff der „politischen Korrektheit“ wie ein Redeverbot eingesetzt wird, der die Wahrheit zu sagen unmöglich und die Prüfung von Argumente unnötig macht.
Die Gefahr beginnt in dem Augenblick, in dem man die politische Korrektheit auf die Ebene eines gesellschaftlichen Grundgesetzes hebt und mit fast allen Mitteln durchsetzen will – verbunden mit dem Anspruch, die Wahrheit zu besitzen und in ihrem Namen eine bessere Welt und einen neuen Menschen erschaffen zu können und auch wider den Willen der Anderen zu dürfen! Dabei ist nicht die Wahrheit die Gefahr, sondern einzig der sündige Irrtum, sie mit Gewalt allen aufzwingen zu dürfen. Der Kampf der Religionen und auch der Ideologien um die Wahrheit mit den Waffen die Geistes und nur mit ihnen, gehört zum Leben, ist notwendig und wichtig für die Findung der Wahrheit und für ihre Verteidigung gegen neue und alte Irrtümer. Gefährlich ist es nicht, wenn sich eine Gruppierung oder Religionsgemeinschaft von ihren Dissidenten trennt, dies ist um ihrer Identität willen legitim und wichtig und ein Dienst an der Gemeinschaft, wenn der „Häretiker“ für alle andere Menschen gefährliche Ansichten vertritt
Wenn man aber von „politisch korrekt“ redet und Gesetze zu ihrer Förderung machen will, sollte man klar sagen, was wirklich gemeint ist. Sonst bekommt Vladimir Palko noch recht mit der Annahme, dass uns die Ausreifung einer neuen ideologischen, „politisch korrekten“ Ideologie droht, die ihre Wurzeln im Marxismus hat und deren Folgen doch bekannt sein müssten! Im Bild Palkos gesprochen: Die Raubtiere in Gestalt von politischer Korrektheit sind bereits im Kommen und zwar jene, die schon im Kommunismus gewütet haben und heute von feigen, auch „christlichen“ Politikern für Kätzchen gehalten werden, die man streicheln darf und füttern sollte“. weil „politisch Korrektes“ abzulehnen für besonders politisch unkorrekt gehalten wird! Wie anders lässt sich z. B. verstehen, dass im deutschen Bundesland Hessen der Kultusminister Alexander Lorz von der CDU gegen die Ablehnung des Landeselternbeirates einen gendergemässe Sexuallehrplan durchdrückt? Das Hauptlaster unserer Zeit ist die Feigheit, sagte Otto von Habsburg, und damit verbunden wohl auch die sündhafte Blindheit für die Zeichen der Zeit! Auch andere Diktaturen sind so – politisch korrekt – an die Macht gekommen.
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Klartext III – Dialog mit dem Zeitgeist
Von Andreas Laun
Taschenbuch, 104 Seiten
2014 Dip3 Bildungsservice Gmbh
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