Glaube statt Event

‘Nicht der Event steht im Mittelpunkt, sondern der Glaube’

sturm-auf-demave-maria-bei-der-ueberfahrtVon Guido Horst

Quelle
Paulus-Jahr
Priester-Jahr
Jahr des Glaubens
Jahr des gottgeweihten Lebens
Jubiläum der Barmherzigkeit

2008 bis 2009: das ausserordentliche, dem Völkerapostel Paulus gewidmete Jubiläumsjahr.
2009 bis 2010, von Benedikt XVI. anlässlich des 150. Todestags des heiligen Pfarrers von Ars angekündigt: das Jahr des Priesters (das dann unseliger Weise auf dem Höhepunkt des Missbrauchsskandal endete).
Dem sollte dann 2015 ein Jahr der Orden folgen.

Vorher aber das Jahr des Glaubens: Von Papst Benedikt 2011 mit dem Motu proprio „Porta fidei“, angekündigt, im Oktober 2012 eröffnet und von Papst Franziskus im November 2014 abgeschlossen.
Und schliesslich das Heilige Jahr der Barmherzigkeit, das am 29. November 2015 mit der Öffnung der ersten Heiligen Pforte im zentralafrikanischen Bangui begann und am kommenden Christkönigssonntag sein Ende findet.

Von einem Jubiläum oder Themenjahr ging es ins nächste: Die vergangenen Jahre waren zumindest in Rom eine Abfolge von Sonderveranstaltungen, Sonderaudienzen, Massenmessen – und ein wenig wird auch in den Ortskirchen von diesem römischen Aktivismus zu spüren gewesen sein.
Mir kam eine gute Bekannte in den Sinn, die am Anfang ihrer Ehe leider mehrere Schwangerschaften nicht beenden konnte – immer wieder kam die Nachricht, dass sie einen Abgang erlitten hatte. Die Folge war, dass sie über Jahre eigentlich dauernd schwanger war, bis schliesslich das erste Kind gesund das Licht der Welt erblickte. So kam man sich in den vergangenen Jahren manchmal auch in Rom vor. Es war ein beständiges Schwanger-gehen, ein Ereignis jagte das andere, fast ununterbrochen war etwas los, nach eben erst Erlebtem setzte unmittelbar die Erwartungen des Kommenden ein – so wie jetzt im Heiligen Jahr, in dem eine Grossveranstaltung der anderen folgt.

Doch nun ist das Ende in Sicht: Nach einem „Marianischen Jubiläum“ wird es noch eine Veranstaltung für Gefangene geben, dann beginnt die Schliessung der Heiligen Pforten, am letzten Sonntag des Kirchenjahrs dann jener in der Petersbasilika. Knappe zwei Monate, das ist nicht viel Zeit – und es beschleicht einen jetzt schon das ungewohnte Gefühl, das nach Christkönig ein fast zur Gewohnheit gewordenes Rad der Sonderaktivitäten zum Stillstand kommt: Dann ist nur noch Advent, und nur noch Weihnachten, schliesslich Fastenzeit und darauf Ostern – so wie früher, das normale Kirchenjahr eben. Und auch keine Bischofssynode oder gar ein synodaler Prozess sind in Sicht. Man geht in die Kirche, betet, feiert Feste, aber ohne das Gefühl, etwas Besonderes zu durchleben. Werden wir das aushalten, den ganzen normalen Alltag, in dem sich, wenn man einmal das Kirchenjahr nimmt, nur Altbekanntes und stets Gleichbleibendes wiederholt?

Der römische Event-Katholizismus der vergangenen Jahre hat etwas das Gefühl dafür verdrängt, dass sich Kirche und Glaube in der Regel im Alltag bewähren müssen. Nun hat das Herz der katholischen Weltkirche mit Papst und Kurie sowie den Apostelgräbern als stillen und dem Petersplatz und der Audienzhalle als oft lauten Anziehungspunkten immer schon dafür gesorgt, Massen zu mobilisieren – bei Papstwahlen, Weltjugendtagen oder grossen Heiligsprechungsfeiern wie der für Mutter Teresa am ersten Sonntag im September. Aber bald kehrte dann wieder Ruhe ein und der römische Alltag nahm seinen Lauf – ein Alltag, der in den zurückliegenden acht Jahren aber eher aus zahllosen Events bestand. Nach langer Zeit kehrt nun der Normalzustand wieder zurück – so wie für eine Frau, die soeben glücklich entbunden hat und sich wieder daran gewöhnen kann, nun nicht mehr schwanger zu sein.

Eine erste Bilanz der Jubiläen vom Paulus-Jahr bis zum Jahr der Barmherzigkeit wäre deshalb die: Nicht der Event steht im Mittelpunkt, sondern der Glaube. Da wo der Glaube stark und lebendig ist, da ist die Kirche in dieser Zeit auch gewachsen und gereift. Da wo der Glaube in der Krise steckt, da haben auch Themenjahre und das Heilige Jahr nicht geholfen. Kein Priester-Jahr oder Jahr des Glaubens konnte etwa die Schwindsucht bei den Priesterberufungen in Deutschland bremsen. Vielleicht ist es höchste Zeit, hier in Rom nach den Jahren des Event-Katholizismus zum Alltag zurückzukehren und sich wieder darin einzuüben, einfach nur katholisch zu sein.

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