Grosser Bahnhof für Franziskus

Ganz grosser Bahnhof für Papst Franziskus in Rom

Guido HorstVon Guido Horst

Rom, Die Tagespost,, 06. Mai 2016

Ganz großer Bahnhof für Papst Franziskus in Rom. Auch Johannes Paul II. hat den – außerordentlichen – Karlspreis erhalten. Das war im Jahr 2004. Damals waren der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel und der Aachener Oberbürgermeister Jürgen Linden die prominentesten Politiker in der Delegation. Jetzt aber hat sich halb Europa im Vatikan eingefunden – in Person seiner wichtigen politischen Repräsentanten. Am Freitagmittag waren neben Bundeskanzlerin Merkel der italienische Ministerpräsident und der spanische König unter den Ehrengästen. Mit Martin Schulz, Jean-Claude Juncker und Donald Tusk präsentierte sich das Dreigestirn an der Spitze des vereinten Europa. Man könnte meinen, nie sei die Übereinstimmung zwischen dem politischen Europa und dem Oberhaupt der katholischen Kirche so groß gewesen. Und als hätte der nicht-europäische Papst Bergoglio aus Lateinamerika den Europäern etwas zu sagen, was die seit langer Zeit hören wollen.

Aber es ist paradox: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Ansprache von Franziskus zur Verleihung des Preises erinnert zu sehr an die Mahnrede des Papstes in Straßburg, in der von Europa als der „Großmutter“ die Rede war, die gealtert, müde, nicht mehr fruchtbar und nicht mehr lebendig sei. Franziskus verstand das als Appell, zum alten Schwung und der kühnen Vision der Gründerväter der Union zurückzukehren. Und auch diesmal hatte der Papst keine Schmeicheleien parat, sondern eher den klagenden Ausruf: „Was ist mit dir los, Europa?“ – der du einst humanistisch, kulturell hochstehend und so tapfer warst? Der Papst fordert Großzügigkeit und die Integration der Migranten – und am Vorabend der Preisverleihung mussten sich Matteo Renzi und Angela Merkel gemeinsam in Rom über das Abschotten am Brenner beklagen. Aber genau dieser Papst hat den Europäern etwas zu sagen. Europa hat sich so weit von den eigenen Wurzeln entfernt und droht nun wieder der Nationalstaaterei zu verfallen, dass die Politikerelite des Kontinents ahnt, dass nur ein christlich inspirierter Geist die Union wieder auf Vordermann bringen kann.

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