Friede, Versöhnung und satte Wirtschaftsverträge

Als Start seiner ersten Europareise hatte sich der iranische Präsident Rom ausgesucht – Rohani lädt auch Franziskus nach Teheran ein

Von Guido Horst

Rom, Die Tagespost, 27. Januar 2016

Bei aller Feierlichkeit, mit der der iranische Staatspräsident Hassan Rohani den ersten Europabesuch nach dem Ende des Embargos und der aussenpolitischen Isolation seines Landes in Italien begonnen hat – es blieb am Ende ein schlechter Nachgeschmack. Staatsvisite in Italien, das heisst Rom: Empfang beim Präsident der Republik, Begegnung mit dem Regierungschef, Reitergarden, Prachtuniformen, völlig blockierter Verkehr, Einfahrt in den Vatikan und Audienz beim Papst. Der Politiker und schiitische Rechtsgelehrte hatte sich ein passendes “Einfallstor” für seinen ersten öffentlichen Auftritt im Okzident ausgesucht, bevor er nach Frankreich weiterflog. Doch zur Pressekonferenz mit Ministerpräsident Matteo Renzi – ebenfalls stilvoll in den Kapitolinischen Museen – am Montagabend hatten die Verantwortlichen nackte Statuen aus Marmor abgedeckt und hinter Holzverschlägen verschwinden lassen. Sogar die Kapitolinische Venus machte ein solcher Blickschutz unsichtbar.

Das sei doch wirklich ein Kotau vor muslimischen Moralvorstellungen, tönten am Dienstag nicht nur Rechtspolitiker, auch ganz seriöse Zeitungen zogen den Vorfall am Mittwoch empört als Schlagzeile auf Seite eins. Doch davon abgesehen lief der Besuch ordentlich ab – und beim Papst am Dienstagmorgen oben im Apostolischen Palast gab es keine nackten Skulpturen zu verhängen. In den Vatikanischen Museen hätte das natürlich anders ausgesehen.

Als Präfekt des Päpstlichen Hauses empfing Erzbischof Georg Gänswein den Staatsgast auf dem Damasushof und geleitete ihn hoch zum Papst. Die Unterhaltung zwischen Franziskus und Rohani dauerte vierzig Minuten, ein Monsignore und eine Perserin mit Kopftuch übersetzten. Dann kam der Austausch der Geschenke. “Während der herzlichen Gespräche”, so hiess es im vatikanischen Kommuniqué im Anschluss an die Begegnung, hätten der Papst und der iranische Präsident sich über “das Leben der Kirche im Land und das Wirken des Heiligen Stuhles zur Förderung der Menschenwürde und der Religionsfreiheit” ausgetauscht. Damit dürfte auch die im Iran häufig praktizierte Todesstrafe gemeint sein. Ausserdem sei es um das kürzlich in Wien abgeschlossene Atomabkommen und die Rolle des Iran im Nahen Osten gegangen. Dort sei das Land – zusammen mit anderen – gerufen, mit “geeigneten politischen Lösungen“ gegen “die Verbreitung des Terrorismus und den Waffenhandel“ vorzugehen. In diesem Zusammenhang hätten der iranische Präsident und der Papst sowie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin an die “Verantwortung der Religionsgemeinschaften bei der Förderung von Versöhnung, Toleranz und Frieden” erinnert, wie es in der Vatikan-Note heisst. Die Beziehungen zwischen Persien und dem Heiligen Stuhl sind gut, das Vatikan-Kommuniqué wies ausdrücklich darauf hin.

Auch in den Kriegsjahren und während der Isolation des Iran hatte der Vatikan die diplomatischen Beziehungen zu dem Land nicht aufgegeben. Der letzte Besuch eines iranischen Präsidenten beim Papst liegt zwar siebzehn Jahre zurück: 1999 hatte Papst Johannes Paul II. Mohammad Khatami empfangen, der auch zum Requiem des polnischen Papstes 2005 anreiste. Im Saal mit den Geschenken sagte Franziskus zu Rohani: “Ich danke Ihnen sehr für diesen Besuch und hoffe auf den Frieden. “Beten Sie für mich, es war mir ein aufrichtiges Vergnügen und ich wünsche Ihnen gutes Wirken”, antwortete das Oberhaupt aus Teheran. Franziskus schenkte ihm ein Medaillon des heiligen Martin und erklärte, es handle sich “um den Heiligen, der seinen Mantel abnimmt, um einen Armen zu bedecken. Ein Zeichen kostenlos geschenkter Geschwisterlichkeit.” Auch zwei Exemplare der Enzyklika “Laudato si?” übergab er dem Gast. Rohani erwiderte den Austausch der Gaben mit einem in der heiligen Stadt Ghom handgefertigten Teppich und einem Buch über iranische Malerei mit zahlreichen Miniaturen.

Insgesamt überwog beim Besuch des iranischen Präsidenten in Rom das Politische, vor allem aber das Wirtschaftliche. Italien und der Iran wollen die Beziehungen ausbauen und stärken. Ein entsprechendes Abkommen hatte Rohani bereits am Montagabend mit Regierungschef Renzi unterzeichnet. Auch der italienische Wirtschaftsminister und der iranische Aussenhandelsminister setzten ihre Unterschrift unter ein ähnliches Memorandum.

Seit dem Wiener Friedensabkommen mit dem Iran vom Juli vergangenen Jahres ist Persien ein vielversprechender Wirtschaftspartner. “Ich bin glücklich”, sagte Renzi seinem Gast am Montag, “dass Präsident Rohani Italien als Startpunkt einer Mission ausgesucht hat, die ihn nach Europa zurückbringt.” Die Anstrengungen, die zur Vereinbarung von Wien geführt hätten, könnten auch zu einer neuen Phase des Friedens und des Wachstums führen, nicht nur im Iran, sondern in der ganzen dortigen Region. Erste Verträge, die im Rahmen des Staatsbesuchs des persischen Präsidenten von seiner Delegation mit den italienischen Partnern abgeschlossen wurden, betreffen den Bau von Industrieanlagen und das Verkehrsnetz im Iran – es geht um vier Milliarden Euro. In der gleichen Höhenordnung bewegen sich weitere Verträge über den Bau von Wasserleitungen. Die Zusammenarbeit mit dem Iran, so erklärte Ministerpräsident Renzi, sei eine fundamentale Voraussetzung dafür, die Terrorgefahr im Mittleren Osten einzudämmen. Rohani lud am Montag den italienischen Präsidenten Mattarella zu einem Besuch nach Teheran ein – wie er am Tag darauf auch Papst Franziskus bat, dem Iran einen Besuch abzustatten.

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