Das Gewicht der Päpste

Die Botschaft von Papst Franziskus an die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in Davos (siehe auch Seite 7) ist keine Philippika

Guido Horst xpVon Guido Horst

Die Tagespost, 22. Januar 2016Die Botschaft von Papst Franziskus an die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in Davos (siehe auch Seite 7) ist keine Philippika. Weder wird das Unternehmertum verteufelt, noch der Kapitalismus unter die bösen Mächte eingereiht. Ganz im Gegenteil. Franziskus beklagt Armut und warnt vor noch grösserer Arbeitslosigkeit in Folge der “vierten industriellen Revolution”, aber appelliert an das Gute im Menschen – auch bei denen, die Kapital und den technologischen Fortschritt in den Händen halten: Diese nächste Stufe der industriellen Revolution sei eine “kostbare Gelegenheit”, so der Papst, “zugleich inklusive Gesellschaften aufzubauen, die sich auf die Achtung gegenüber der Menschenwürde, auf Toleranz, Mitgefühl und Barmherzigkeit gründen”. Franziskus appelliert an das Verantwortungsgefühl der führenden Köpfe: “Ich lege Ihnen ausserdem ans Herz, von Neuem das Gespräch darüber aufzunehmen, wie die Zukunft des Planeten, ‘unseres gemeinsamen Hauses’, zu gestalten ist, und ich bitte Sie, eine gemeinsame Anstrengung zu unternehmen, um eine nachhaltige und integrierende Entwicklung voranzubringen.” Da steckt vieles von dem drin, was der lateinamerikanische Papst schon in seiner Enzyklika “Laudato si'” formuliert hat – und nicht zuletzt in seinem Interview-Buch über Gott und die Barmherzigkeit.

Welcher religiöse Führer kann schon so reden wie der Papst? Und welchem religiösen Führer auf der Welt wird von Politik, Wirtschaft und Medien eine solche Aufmerksamkeit gezollt wie dem Papst? Weder bei den Oberhäuptern der anderen christlichen Konfessionen noch bei den Köpfen der grossen Weltreligionen ist das der Fall. Statt nur immer zu jammern und sich an Rom zu reiben, sollten Katholiken stolz sein auf das Papsttum, das der Kirche, dem Christentum und allen Menschen guten Willens eine unüberhörbare Stimme gibt.

Es gibt ein wunderbares Buch von Florian Illies über die kulturelle Elite Deutschlands vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs: “1913. Der Sommer des Jahrhunderts”. In dieser Zeitchronik ist von Kirche, Glaube, Gott oder Religion nicht mehr die Rede, das Christliche drohte endgültig vor der geistigen Ausrottung zu stehen – auch wenn die Volkskirche damals noch existierte. Aber in den Köpfen der Kulturschaffenden spielte es keine Rolle mehr. Heute, gut hundert Jahre später, ist das Papsttum als moralische Instanz auf die öffentliche Bühne zurückgekehrt. Laizisten und Aufklärer von einst würden die Welt heute gar nicht mehr verstehen. Das ist ein Pfund, mit dem man ruhig wuchern darf. Statt sich in innerkirchlichem Lagerstreit zu verheddern und zu verlieren.

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