Klug werden, aber wie?

Klug zu werden, ist ein erstrebenswerter Wunsch

Markus RederVon Markus Reder

Die Tagespost, 08. Juni 2015

Klug zu werden, ist ein erstrebenswerter Wunsch. Ob die Besucher des Evangelischen Kirchentages, der unter dem Leitwort “…damit wir klug werden” vom 3. bis 7. Juni in Stuttgart stattfand, nun klüger sind, lässt sich schwer messen. Gibt man sich mit weniger anspruchsvollen Zielen zufrieden, ist man nach dem Protestantentreffen zumindest in einigen Punkten schlauer: Der Kirchentag hat sich endgültig vom Leitbild der Ehe zwischen Mann und Frau verabschiedet. An dessen Stelle ist ein neuer diffuser Familienbegriff der sexuellen Vielfalt getreten. Das hat zwar weder mit der Bibel, noch mit dem “sola scriptura“-Prinzip des Reformators zu tun.

Aber Protestanten, denen die Heilige Schrift nicht mehr Massstab ihres Glaubens ist, braucht man auch nicht mit Luther kommen. Ein derart entkerntes Bekenntnis ist dann freilich offen für politische Surrogate aller Art. Wen mag es da wundern, wenn dieser Kirchentag – fast wie in alten Zeiten – besonders politisch war. Nur das Publikum ist inzwischen deutlich älter als früher. Dass ein Protestantentreffen sich an klassischen Kirchentagsthemen wund redet, vom Flüchtlingselend bis zu Regenbogen-Gender-Themen so ziemlich über alles diskutiert, was derzeit auf der gesellschaftspolitischen Agenda steht, aber das Thema Christenverfolgung derart vernachlässigt, muss alarmieren. Gleiches gilt für die Tatsache, dass Evangelisierung zum Randthema zu werden droht.

Als Lichtblick kann da gelten, dass es in Stuttgart auch eine spirituelle Seite gab. Viel Lobgesang war zu hören. Erstmals war auch ein “Christustag” in das Programm eingebunden, den rund 10 000 Pietisten besuchten. Dass damit nun alle Streitigkeiten zwischen Pietisten beziehungsweise Evangelikalen und anderen evangelischen Christen überwunden sind, wäre übertrieben. Aber ein wichtiger Anfang ist gemacht. Denn ohne radikale Besinnung auf die Mitte des Glaubens ist weder Kirche noch Ökumene zu machen. Wie heisst es doch in Luthers Übersetzung von Psalm 111, Vers 10: “Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Klug sind alle, die danach tun. Sein Lob bleibet ewiglich.”

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