Bischöfe liberalisieren Arbeitsrecht

Neuer Umgang mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und wiederverheirateten Geschiedenen – Zustimmung von Verbänden und ZdK

Markus RederQuelle
Die Tagespost, 06. Mai 2015: ABO

Von Markus Reder

Es war ein langer Diskussionsprozess bis zu jener Abstimmung im Würzburger Kloster Himmelspforten, bei der mehr als zwei Drittel der Deutschen Bischöfe am 27. April für eine Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechts gestimmt haben. Man müsse noch einige Modi einarbeiten, hiess es danach, dann werde der Beschluss veröffentlicht. Dies ist am Dienstag geschehen. Die Debatte um die Neugestaltung des kirchlichen Arbeitsrechtes in Deutschland dürfte damit aber nicht zu Ende sein. Zum einen fiel die Entscheidung zwar mit Zustimmung der grossen Mehrheit der Bischöfe, aber eben nicht einstimmig. Man wird also abwarten müssen, welche Bistümer den Beschluss, der empfehlenden Charakter hat, umsetzen und welche nicht. Rechtswirksamkeit tritt erst ein, wenn der jeweilige Ortsbischof die Neuerungen in seinem Bistum in Kraft setzt. Durchaus möglich also, dass dies in einzelnen Bistümern nicht geschieht. Dort würde dann nach Lage der Dinge die bisherige Rechtslage gelten.

Reform-Argumente für Dialogprozess und Synode

Zum anderen wirft die neue Regelung Fragen auf, die durch die grosse Zustimmung seitens katholischer Verbände und des ZdK leicht zu übersehen, aber unbeantwortet sind. Und drittens wird die bischöfliche Entscheidung zum kirchlichen Arbeitsrecht, das einen neuen Umgang mit Homosexuellen und wiederverheirateten Geschiedenen vorschreibt, als kraftvolles Argument rasch Eingang finden in Dialogprozesse und deutsche Synoden-Diskussionen, um dort ihr Reform-Potenzial zu entfalten. Von einem Ende der Diskussion kann also sicher keine Rede sein. Zumal auch Caritas-Präsident Peter Neher die Debatte um Loyalitätsverpflichtung im kirchlichen Dienst weitertreiben will.

Wie sieht das neue Arbeitsrecht für die mehr als 700 000 Mitarbeiter der katholischen Kirche und der Caritas aus?

Konkret sollen arbeitsrechtliche Folgen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft oder Wiederverheiratung auf schwerwiegende Fälle beschränkt werden, in denen die Integrität und Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigt wird oder die “ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis erregen“. Kündigungen sollen nur das allerletzte Mittel sein. Für pastoral-katechetische und bischöflich besonders beauftragte Mitarbeiter bleibt die bisherige Rechtslage bestehen: Sie unterliegen erhöhten Loyalitätsforderungen, müssen also bei Wiederheirat oder Eingehen einer Lebenspartnerschaft mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung rechnen. Bei den sonstigen Mitarbeitern kommt eine arbeitsrechtliche Ahndung des Fehlverhaltens nur in Ausnahmefällen in Frage. Die Reform legt darüber hinaus fest, dass Gewerkschaften am Zustandekommen kirchlicher Arbeitsvertragsbedingungen zu beteiligen sind. In welchem Umfang sie in den arbeitsrechtlichen Kommissionen vertreten sind, hängt vom gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Mitarbeiter ab.

Mit der im neuen Arbeitsrecht vorgenommenen Neubewertung homosexueller Lebensgemeinschaften bricht die Bischofskonferenz mit ihrer “Erklärung zur Unvereinbarkeit von Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftgesetz mit den Loyalitätsobliegenheiten nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse” vom 24. Juni 2002. Damals hatten die Bischöfe erklärt: Das neu geschaffene Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft “widerspricht der Auffassung über Ehe und Familie, wie sie die katholische Kirche lehrt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, gleich, ob sie der katholischen Kirche angehören oder nicht, die nach diesem Gesetz eine ‘eingetragene Lebenspartnerschaft‘ eingehen, verstossen dadurch gegen die für sie geltenden Loyalitätsobliegenheiten.” Das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sei deshalb ein schwerwiegender Loyalitätsverstoss. Diese Erklärung ist mit der Novelle des Arbeitsrechts aufgehoben.

Ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen

Das neue Arbeitsrecht kennt nicht nur eine abgestufte Loyalitätsverpflichtung, die von der Tätigkeit im kirchlichen Dienst abhängen. Die Caritas-Angestellte wird arbeitsrechtlich anders behandelt als Mitarbeiter in der Pastoral. Es gibt den Bischöfen die Möglichkeit durch besondere Beauftragung für bestimmte Aufgaben im Bistum die höhere Loyalitätsverpflichtung vorzuschreiben. Eine Folge wird sein, dass es künftig von Bistum zu Bistum unterschiedliche Handhabungen dieser Möglichkeit gibt. Wie aber soll ein solcher Flickenteppich unterschiedlicher Regelung Rechtssicherheit bringen? Auf was können sich kirchliche Mitarbeiter verlassen, wenn für ihre Tätigkeit in einem Bistum solche, im nächsten möglicherweise andere Loyalitätsansprüche gelten? Ist die geschaffene Möglichkeit zur Einzelfall-Abwägung tatsächlich ein Beitrag zur Transparenz oder bewirkt sie in Wirklichkeit nicht eher das genaue Gegenteil? Das neue kirchliche Arbeitsrecht wirft zahlreiche Fragen auf. Das gilt für die Frage nach einheitlicher Anwendung, Praktikabilität, Rechtssicherheit und nicht zuletzt für die Frage, inwieweit diese Neureglung mit dem universalen Kirchenrecht kompatibel ist.

Das Echo auf die Reform der Bischöfe fiel unterschiedlich aus. Lob und Anerkennung zollten kirchliche Verbände und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Wenngleich der Präsident des Caritasverbandes Peter Neher bereits wissen liess, dass die Diskussion um Loyalitätsverpflichtungen im kirchlichen Dienst weitergehen müsse. Neher würdigte die Reform des Arbeitsrechts durch die Bischöfe, rief aber auch dazu auf, weiter über die Loyalitätspflichten der mehr als 700 000 Mitarbeiter von Kirche und Caritas nachzudenken. “Wir brauchen ein erweitertes Verständnis des Loyalitätsbegriffs, der Loyalität nicht nur an der Lebensführung des einzelnen Mitarbeiters festmacht, sondern auch an der Anforderung, sich klar zum Auftrag der Einrichtung in der Sendung der Kirche zu bekennen und diesen mit der entsprechenden Loyalität zu unterstützen.” Neher begrüsste, dass sich die Bischöfe intensiv mit der Lebenswirklichkeit der Kirchenmitarbeiter auseinandergesetzt hätten. “Auch das Scheitern gehört zum Leben. Und hier muss sich in besonderer Weise zeigen, wie die katholische Kirche den Menschen beisteht, die mit Brüchen in der eigenen Biografie leben.” Dies müsse auch im Arbeitsrecht der Kirche deutlich werden.

Nach Einschätzung des Grünenpolitikers Beck bleibt beim kirchlichen Arbeitsrecht weiterhin der Gesetzgeber gefragt. “Ausserhalb der Verkündigung sind persönliche Loyalitätspflichten, die über den kirchlichen Tendenzschutz hinausgehen, unverhältnismässig”, betonte Beck.

Das ZdK sprach dagegen von einem grundlegenden Wandel im kirchlichen Arbeitsrecht. ZdK-Präsident Alois Glück hob hervor: “Ein Kündigungsautomatismus darf damit zukünftig als ausgeschlossen gelten.“ Dass künftig jeder Loyalitätsverstoss individuell geprüft werden müsse, “bedeutet einen substanziellen Paradigmenwechsel in der Anwendung kirchlichen Rechts“, so der ZdK-Präsident.

“Nur ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen”

Für den Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ist die Neuregelung des katholischen Arbeitsrechts “ein erster Schritt, dem noch weitere folgen müssen”. Es gebe “kleine Fortschritte“, aber noch “keinen grossen Wurf“, heisst es in einer Erklärung des BDKJ. Im Bereich des individuellen Arbeitsrechts hätten sich “neue Möglichkeiten für wiederverheiratete Geschiedene oder Menschen in eingetragenen Lebenspartnerschaften aufgetan, die sich aber erst noch als tragfähig erweisen müssen”, so der BDKJ-Bundesvorsitzende Wolfgang Ehrenlechner. Ehrenlechner bedauerte es, dass eine eingetragene Lebenspartnerschaft letztlich mit Scheidung und Wiederheirat gleichgestellt werde: “Damit werden nicht Werte wie Treue und Verbindlichkeit, sondern Fragen der erlaubten oder abgelehnten Sexualität zum Kriterium christlichen Lebens gemacht.” Auch die Gewerkschaft Ver.di dürfte dafür sorgen, dass weiter um das kirchliche Arbeitsrecht gerungen wird. Ver.di-Chef Frank Bsirske betonte erst am Montag “Der Dritte Weg der Kirchen ist für uns keine akzeptable Alternative.” Bsirske fordert ein Streikrecht für die 1,3 Millionen Mitarbeiter der Kirchen in Deutschland. “Wir wollen Tarifverträge für alle Beschäftigten.” Kein Zweifel: Das kirchliche Arbeitsrecht bleibt auch nach dem Mehrheitsbeschuss der Bischöfe ein strittiges Thema. (Mit Material von KNA)

Zum Thema siehe auch Seiten 2, 6, 7

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