Standpunkt
Beschwichtigung und Seelenheil
Ist dies das Lächeln des Weisen?
Man spricht mit einem hochrangigen Kirchenmann, vielleicht einem Bischof über die religiöse Lage und erwähnt dabei schwerwiegende Missstände:
Die Glaubensunterweisung ist zusammengebrochen mit der Folge, dass ungezählte Katholiken ohne Orientierung leben; man passt die christliche Lehre und Moral an heutige Strömungen an, die im offenen Widerspruch zum Evangelium stehen; Wahrheiten, die dem modernen Menschen angeblich nicht mehr zumutbar sind, werden geleugnet, umgedeutet oder einfach verschwiegen; unter Kirchenvertretern herrscht in wesentlichen Fragen Uneinigkeit, wodurch das gemeinsame Zeugnis bis zur Unkenntlichkeit getrübt wird; der Gottesdienst, insbesondere die heilige Messe, wird enstellt, sodass man das Opfer Jesu Christi kaum noch erkennt. Seine wirkliche Gegenwart im Sakrament wird nicht mehr herausgestellt und angebetet, die Kommunion ohne Ehrfurcht empfangen; (progressive, zeitgeistbeflissene Eigenmächtigkeiten erfahren Duldung und Protektion, während man jene Kreise, die sich den vorherrschenden Trends widersetzen und für den unverkürzten Glauben eintreten, behindert und ausgegrenzt…..
Nachdem man alles dies also seinem Gegenüber mitgeteilt hat, nimmt man in dessen Gesicht jenes seltsame Lächeln wahr’ Und alsbald erhält man die Auskunft:
“Das mögen ja wirklich bedauerliche Zustände sein. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Menschen nun einmal Fehler machen. Auch Bischöfe. Ausserdem hat es in der langen Geschichte der Kirche immer wieder Krisen gegeben, doch schlussendlich wurden sie überwunden. Wir sollen daher nicht so schwarzsehen, sondern unseren Blick auf das viele Gute richten, das wir überall wahrnehmen dürfen. Ein Christ soll doch kein Pessimist sein. Wir haben vielmehr allen Grund, optimistisch zu sein. Gott schreibt bekanntlich auch auf krummen Linien gerade….”
Was ist an dieser Aussage eigentlich falsch und weshalb empfindet man das Lächeln, das sie begleitet, als unangemessen? Ein Blick in die Kirchengeschichte belehrt uns darüber, dass es von den Auseinandersetzungen in der apostolischen Zeit – die uns der heilige Paulus keineswegs verheimlicht – über die heftigen Lehrstreitigkeiten der darauffolgenden Jahrhunderte und Jahrtausende bis zu den gegenwärtigen, oft erbitterten Richtungskämpfen zwischen ‘Progressiven’ und ‘Traditionalisten’ (beide Gruppen sind nochmals in sich zerteilt und zerstritten) immer Krisen gegeben hat. Sie alle konnten weitgehend beigelegt werden.
Und wer wird an dem Guten zweifeln, das es heute gibt? Ein Unrecht, wollte man es nicht beachten und sich stattdessen nur bei Schlechtem, Unerfreulichem aufhalten!
Und nicht zu vergessen:
Die Kirche ist keine bloss menschliche Institution, sondern ein Werk Gotte, geführt und geschützt durch den Heiligen Geist.
Unser Herr kann Unheil in Heil verwandeln, und sich dabei sogar der menschlichen Irrwege bedienen.
So weit, so gut. Ein gläubiger Realist und realistischer Gläubiger wird es so sehen müssen. Dennoch täuscht das beschwichtigend optimistische Lächeln über eine entscheidende Tatsache hinweg: das Heil der Seelen.
Gewiss hat die Kirche finstere Krisenzeiten durchlebt und ist aus ihnen oft geradezu triumphal auferstanden. Gleich dem alttestamentlichen Gottesvolk hat sie Rote Meere und endlose Wüsten durchschritten, Babylonische Gefangenschaften, Kriege und schwere Zerstörungen überlebt. Doch wie viele Menschen sind dabei seelisch zugrunde gegangen? Wie gross mag die Menge sein, die sich durch die Propaganda der Irrlehrer vom wahren Glauben und der christlichen Lebensordnung abbringen liessen? Wer kann die Zahl derjenigen nennen, die von der Kirche entfremdet wurden und die ihr Ende in Rebellion und Gottlosigkeit fanden? Jede einzelne Seele ist von solchem Wert, dass der Mensch gewordene Gottesohn für sie sterbend Sein kostbares Blut vergossen hat. Und da sollten einflussreiche Kirchenmänner angesichts von Massen, die wegen desolater kirchlicher Zustände dem Erlölser und seinem Werk den Rücken kehren und in der Gefahr schweben, endgültig verloren zu gehen, lächelnd darauf verweisen dürfen, es werde schon alles wieder gut werden?
Könnten wir es einem Arzt nachsehen, wenn er in der Zeit einer lebensgefährlichen Epidemie heiteren Gemüts die Auskunft erteilte, dass die Menschheit bereits viele Krankheiten überstanden habe und so auch diese hinter sich lassen werde, anstatt mit dem Aufgebot seiner ganzen ärztlichen Kunst zu Werke zu gehen? Nein, von ihm wie von den kirchlichen Hirten erwarten wir jeden nur erdenklichen Einsatz, um die Bedrohung zu bannen und möglichst viele vor ihr zu retten!
P. Bernward Deneke, FSSP, Wigratzbad
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