Human oder inhuman?

Wie human oder inhuman eine Gesellschaft ist, zeigt nicht zuletzt ihr Umgang mit Leidenden und Sterbenden

Stefan RehderVon Stefan Rehder

Die Tagespost,  17. April 2015

Wie human oder inhuman eine Gesellschaft ist, zeigt nicht zuletzt ihr Umgang mit Leidenden und Sterbenden an. Die Signale, die hier von Deutschland ausgehen, weisen bislang in entgegen gesetzte Richtungen. Auf der einen Seite leuchtet das Engagement der Kirchen, die auch die von ihnen initiierte, heute beginnende “Woche für das Leben” erstmals wieder nutzen, um ein echtes Lebensschutzthema in das Bewusstsein der Menschen zu rücken. Das nötigt sogar der Lebensrechtsbewegung, die beiden Kirchen in der Vergangenheit öfter und oft zu Recht vorwarf, auf diesem gesellschaftspolitisch hart umkämpften Feld weniger zu leisten, als ihnen möglich wäre, Respekt und Anerkennung ab. In dieselbe Richtung weist auch der noch zu wenig beachtete Entwurf eines “Gesetzes zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung”, mit dem Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) den nachhaltigen Ausbau der Palliativmedizin und Hospizarbeit in Deutschland vorantreiben will.

Auf der anderen Seite steht der nicht minder massive Einsatz, mit dem selbsternannte Sterbehelfer ihren Mitmenschen den Weg in einen begleiteten Suizid zu ebnen suchen. Was hier als “Letzte Hilfe” angepriesen und dreist als ein “Sterben in Würde” verkauft wird, ist bei Licht betrachtet ein Etikettenschwindel von nahezu diabolischem Ausmass. Alle Menschen besitzen eine natürliche Tötungshemmung. Wer daran zweifelt, kann sich durch das Meer wissenschaftlicher Ergebnisse der Hirnforschung und der Verhaltensbiologie kämpfen. Es reicht allerdings auch, sich die Methoden vor Augen zu führen, mit denen Menschen, die zum Töten ausgebildet werden, systematisch lernen, diese Hemmung zu übergehen. Sie alle zielen im Kern darauf ab, einerseits das “Ziel” zu “entmenschlichen” und andererseits ein Aggressionspotenzial aufzubauen, das hoch genug ist, um die Tötungshemmung zu überwinden. Welches Drama sich hinter jedem Suizid verbirgt, wird schnell ersichtlich, wenn man sich vorzustellen sucht, was in der Seele eines Menschen vor sich gehen muss, der sich selbst zum “Ziel” eines derartigen Aggressionspotenzials macht. Wer hier vom “Freitod” spricht, ist daher entweder völlig skrupel- oder aber völlig ahnungslos. Menschen, die derart verzweifelt sind, dass sie bereit sind, die Hand gegen sich selbst zu richten, benötigen Lebens- und keine Sterbehilfe. Mehr noch: Wer die (ärztlich assistierte) Hilfe zum Suizid zu einem Angebot macht, das man zwar ablehnen, aber auch annehmen könne, der befördert die Entsolidarisierung der Gesellschaft, läuft Gefahr, auch Menschen in den Suizid zu treiben, die das für eine Selbsttötung erforderliche Aggressionspotenzial alleine gar nicht aufbringen würden und schürt zudem gesellschaftliche Erwartungshandlungen nach dem Motto: “Für XY wäre es jetzt aber auch mal an der Zeit abzutreten.”

Selbstverständlich ist die Beihilfe zum Suizid etwas anderes als die “Tötung auf Verlangen”. Nicht einmal alle Lebensrechtler vermögen hier hinreichend zu differenzieren. Dennoch sollte in einer humanen Gesellschaft niemand, der verzweifelte Menschen bis auf das Schafott geleitet, sich hinterher damit herausreden können, das Beil selbst nicht geschwungen zu haben. Daher gehört die Beihilfe zum Suizid bestraft, ganz gleich, wer sie leistet und warum, ob gratis oder gegen Entgelt.

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