Diskriminierende Antidiskriminierung

Österreichs Sozialdemokraten wollen die unternehmerische Freiheit zugunsten der Gleichstellung Homosexueller beschneiden

Von Stephan Baier

Die Tagespost, 10. April 2015

Die SPÖ lässt nicht locker. Mehrfach ist eine Ausweitung der gesetzlichen Antidiskriminierungsbestimmungen in Österreich am Widerstand des Koalitionspartners ÖVP gescheitert. Zuletzt 2014. Doch nun kursiert schon wieder in verschiedenen Ministerien der Bundeshauptstadt Wien ein Papier für ein strengeres Gleichbehandlungsgesetz. Dessen Ziel ist, nicht bloss beim Arbeitsrecht, sondern auch bei der Zurverfügungstellung von Gütern und Dienstleistungen im Rahmen der Privatwirtschaft jede unterschiedliche Behandlung aufgrund von Alter, sexueller Orientierung, Religion oder Weltanschauung zu verbieten.

Im Herbst 2012 hatte sich – im Gegensatz zur evangelischen Kirche – die katholische Bischofskonferenz schliesslich gegen das damals geplante Gleichbehandlungsgesetz gestemmt: Die “Einführung eines horizontalen, tiefgreifend in den Rechtsverkehr zwischen Privaten eingreifenden Diskriminierungsverbots” würde einen massiven Eingriff in die Vertragsfreiheit und in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger darstellen, hiess es in der Stellungnahme des Generalsekretärs der Bischofskonferenz, Peter Schipka. Er verwies auf negative Erfahrungen in anderen Ländern: So sei in Grossbritannien der private Vermieter eines Zimmers mit Frühstück (“Bed and Breakfast”) zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil er nur an verheiratete Paare – nicht aber an unverheiratete oder gleichgeschlechtliche – vermieten wollte.

Tatsächlich scheint es den österreichischen Sozialdemokraten genau darum zu gehen, die gesetzlich weitestgehend vollzogene Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe auch gesellschaftlich zu erzwingen. So klagte der Vorsitzende der “Jungen Generation in der SPÖ”, Marcus Gremel: “Während ein Chef einen schwulen Angestellten vor Homophobie schützen muss, was gut und wichtig ist, kann er einen schwulen Kunden einfach aus dem Laden werfen.” Und der Vorsitzende der sozialdemokratischen Organisation für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle (LSBTI), Peter Traschkowitsch, bejubelte zu Jahresbeginn, dass der Verfassungsgerichtshof das bisherige Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Partner aufhob – und verband die Genugtuung darüber mit einem Plädoyer für eine Ausweitung der Gleichbehandlungsgesetzgebung: “Es liegt alles in der Schublade. Tun wir es doch endlich!”

Auch Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) drängt seit langem darauf, “den Diskriminierungsschutz ausserhalb der Arbeitswelt auszuweiten” und beklagte mehrfach den Widerstand der ÖVP – und deren “Kniefall vor beharrenden Kräften in der katholischen Kirche”. Es brauche “echte Gleichstellung und einen umfassenden Schutz vor Diskriminierung für Homosexuelle”, so die SPÖ-Ministerin. Die Gleichbehandlungssprecherin der SPÖ, Gisela Wurm, erklärte dazu, dass mit der geplanten Reform “Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Alters von Diskriminierungen betroffen sind, auch bei Fällen ausserhalb der Arbeitswelt Schadensersatzansprüche stellen” könnten. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag sei fertig ausgearbeitet, “die ÖVP müsste nur noch zustimmen”, so Wurm.

Eher unwahrscheinlich dürfte sein, dass Jugendliche auf Schadensersatz klagen, wenn ihnen der Seniorenteller in Restaurants oder die Seniorenkarte im Freibad verweigert werden. Auch werden wohl wenige Erwachsene den Kindertarif bei Museen und Theatern einklagen. In Grossbritannien sollen aber bereits viele Gästehäuser von Klöstern die Vermietung eingestellt haben, weil sie gesetzlich verpflichtet worden wären, auch an Homo-Paare oder Unverheiratete zu vermieten. Die politisch engagierte Juristin und katholische Aktivistin Gudrun Kugler erklärt, wohin das führen könnte: “Ein katholischer Event-Planer, Bäcker, Florist oder Fotograf müsste an einer Verpartnerungsfeier mitwirken, ein evangelikaler Grafiker eine Einladung zu einer solchen Feier gestalten. Ein katholischer Vermieter müsste seine Location zur Verfügung stellen.”

Als Vorsitzender der Bischofskonferenz sprach sich der Wiener Kardinal Christoph Schönborn Anfang März deutlich gegen eine Ausweitung der Gleichstellungsgesetzgebung aus. “Wir verteidigen hier nicht Kirchenprivilegien”, betonte Kardinal Schönborn. Der letztlich abgeschmetterte Gesetzesentwurf von 2012 hätte die Kirchen und kirchliche Einrichtungen durchaus schmerzlich getroffen, auch wenn es darin beruhigend hiess, Kirchen würden “hinsichtlich des Merkmals der Religion” die Möglichkeit haben, “Güter und Dienstleistungen bevorzugt Personen anzubieten, auf deren Religion oder Weltanschauung diese zugeschnitten sind”. Nicht geplant war also, die Kirche zur Sakramentenspendung an Nicht-Christen zu zwingen. Ob aber obige Ausnahme auch eine Verweigerung der Vermietung des Pfarrsaals an das Vorbereitungsteam der “Love Parade” oder an eine Scientology-Gruppe rechtfertigt?

Mit der von der SPÖ gewünschten Ausweitung der Antidiskriminierungsgesetzgebung würden Interessengruppen geradezu eingeladen, den Staat zu instrumentalisieren, um mit erheblichem bürokratischen Aufwand gegen unternehmerische Freiheit und Vertragsfreiheit zu Felde zu ziehen. Und gegen die Gewissensfreiheit, denn wer als Vermieter seine Räume oder als Unternehmer seine Dienstleistungen nicht jedem “diskriminierungsfrei” zur Verfügung stellen will, dem droht dann jedenfalls eine Schadensersatzklage.

Gefährlich sei auch das geplante Diskriminierungsverbot “aufgrund von Weltanschauung”, erläutert Gudrun Kugler im Gespräch mit der “Tagespost”. Sie nennt Beispiele: “Ein jüdischer Hotelbesitzer würde seine Versammlungsräume gegen seinen Willen einer Burschenschaft vermieten müssen; eine einst vor den osteuropäischen Kommunisten geflohene Familie müsste ihre Wohnung an die Kommunistische Partei vermieten; ein islamisches Reisebüro müsste Christen nach Mekka mitnehmen. Ein katholischer Anwalt dürfte einen Klienten nicht ablehnen, der gegen die Kirche prozessieren möchte.”

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