Dienst nach Vorschrift oder Guter Hirt?

Impuls zum 4. Ostersonntag im Jahreskreis B — Sonntag vom Guten Hirten

Münster, 24. April 2015, zenit.org, Msgr. Dr. Peter von Steinitz

Jesus hat absolut recht, wenn er sich selbst als den Guten Hirten bezeichnet. Und das zu sagen widerspricht nicht seiner Demut, denn – wie die Hl. Theresia von Avila sagt – “Demut ist die Wahrheit”.

Das von Jesus hier beschriebene Berufsbild des Hirten ist ausserordentlich anspruchsvoll. Schon bei anderer Gelegenheit ist es uns aufgefallen, dass Jesus, wenn er von der Arbeit spricht sich etwas ausserhalb unserer Vorstellung von Arbeitsrecht oder Sozialgesetzgebung bewegt. Denken wir an das Gleichnis vom Gutsherrn, der zu verschiedenen Tageszeiten auf den Markt geht, um Tagelöhner anzuheuern. Überaschenderweise bekommen am Schluss diejenigen, die nur eine Stunde tätig waren, genauso viel wie die, die den ganzen Tag und in der Hitze gearbeitet haben. Gewiss, das erscheint ungerecht, aber andererseits hatte er mit allen einen Lohn von einem Denar vereinbart. ‘Von Rechts wegen’ müsste er dem Arbeiter der letzten Stunde weniger geben, dann wären alle zufrieden gewesen. Aber wäre das wirkliche Gerechtigkeit? Bei der Diskussion darüber weist der Herr darauf hin, dass im sozialen Leben der Menschen der Neid eine verhältnismässig grosse Rolle spielt.

Aber zurück zum Bild vom Hirten, bei dem es natürlich auch wieder nicht um rein menschliche Dinge wie soziale Gerechtigkeit geht. Sicherlich gibt es Tätigkeiten, die ein sehr grosses Berufsrisiko mit sich bringen, aber in keinem Beruf, ausser dem des Soldaten, wird vorausgesetzt, dass man unter Umständen sein Leben hingeben muss. Und der Beruf eines Hirten hat nun mal von sich aus wenig Militärisches an sich.

Ohne hier auch auf den Beruf des Soldaten einzugehen, der ein ehrenwerter Beruf ist, obwohl Krieg bösartiges Phänomen ist, wollen wir uns fragen, warum der Herr einen so hohen Anspruch geltend macht. Es ist verständlich, dass der gute Hirt sich sorgfältig um seine Schafe kümmern soll, aber sich vom Wolf zerreissen lassen, nur um die Schafe zu schützen? Die ja am Ende sowieso von den Menschen geschlachtet werden? Dabei müssen wir im Auge behalten, dass bei den Gleichnissen Jesu, die ja meistens aus der seinen Zuhörern bestens bekannten Welt von Ackerbau und Viehzucht stammen, das jeweilige Bild nicht in allen Richtungen dem entspricht, was Jesus mit dem Vergleich sagen will. Wenn Jesus zu Petrus sagt: “Weide meine Schafe, weide meine Lämmer!”, will er ihm ans Herz legen, die Menschen mit Liebe und Güte zu führen. Dass ein Schaf ausserdem ein etwas dummes Tier ist, ist in dem Vergleich natürlich nicht mit ausgesagt.

Im heutigen Sonntagsevangelium sagt Jesus übrigens auch nicht, dass jeder Hirt sein Leben für die Schafe hingeben soll. In seiner feinfühligen Art will uns der Herr zu verstehen geben, dass jeder von uns, der auch Hirt ist, so sein soll wie er. Aber immer lässt er uns die Freiheit. Der eigentliche Gute Hirt ist er, da er sein Leben tatsächlich hingibt für die Schafe, d.h. für die Menschen. Er fordert nicht, sondern er lädt uns ein, so zu sein wie er.

In vielen Kirchen finden in diesen Tagen Diakon- und Priesterweihen statt. Ein zum geistlichen Amt Berufener soll also ein solcher guter Hirt sein, der die ihm Anvertrauten nicht herum kommandiert, sondern betreut, d.h. auf gute Weide führt (also von schlechten Lehren und falschen Theologien fernhält), ihnen nachgeht, wenn sie sich verirrt haben (dazu gehört auch gelegentlich ein liebevolles, aber klares Wort zu moralischen Verirrungen, statt diese gut zu heissen); er soll sie sorgsam aus dem Gestrüpp befreien, in das sie durch eigene Schuld geraten sind (und sie nicht im Irrtum auch noch bestätigen).

In diesem Sinne sind wir alle sowohl Schaf wie auch Hirt – genauso wie Jesus selbst der Gute Hirt ist und paradoxerweise gleichzeitig das unschuldige Lamm.

An Jesus Mass nehmen, das ist wie immer die Lösung. Christus nachfolgen, das ist ja die Berufung des Christen. Kreuzesnachfolge.

In diesen Wochen und Monaten erleben wir – wenn auch (noch) nicht in unserem Land – wie Christen abgeschlachtet werden von Menschen, die sich wie böse Wölfe aufführen. Beten wir für die Hirten im Irak, in Syrien, in Nigerien und all den Ländern, wo die Hölle buchstäblich losgelassen ist, und wo viele – Geistliche wie Laien – sich in selbstloser Weise für die ihnen Anvertrauten einsetzen und oft dabei ihr Leben lassen, dass das Bild vom Hirten und seinen Schafen, das uns eigentlich als ein Symbol des Friedens geläufig ist, seinen eigentlichen Charakter zurück erhält.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz, war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: “Pantaleon der Arzt“, “Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und “Katharina von Ägypten“.

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