Demütig und arbeitsam

“Demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn”

Von Guido Horst

Die Tagespost, 17. April 2015

Als Joseph Ratzinger am 19. April 2005 sein Pontifikat begann und sich der wartenden Menge auf dem Petersplatz als “demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn” vorstellte, wusste keiner, dass das tatsächlich zum Charakteristikum von Benedikt XVI. werden sollte: Der deutsche Papst war demütig und arbeitsam. Es gab Monate während seines Petrusamts, da stand das Kreuz im Vordergrund – etwa auf dem Höhepunkt der Missbrauchskrise mit den wütenden Angriffen der Medien und einflussreicher Lobbys auf die Kirche von Rom und die Person des Papstes. Ergeben hat Benedikt dieses Kreuz angenommen – auch die Verlassenheit, die es mit sich brachte. Fast euphorisch hatte ihn die deutsche Öffentlichkeit auf der “Wir sind Papst”-Welle begrüsst. Chefredakteure flogen in Rom ein, um sich in seinem Glanz zu sonnen. Viele haben ihn später im Stich gelassen. Auch Repräsentanten der Kirche nördlich der Alpen.

Bereits in seinem Brief an den Weltepiskopat vom März 2009 nach dem “Fall Williamson” fand Papst Benedikt die bitteren Worte: “Betrübt hat mich, dass auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten.” Nicht zuletzt diese “sprungbereite Feindseligkeit” unter den eigenen Landsleuten hat dazu geführt, dass der Katholizismus in der Heimat des Papstes “die deutsche Stunde der Kirche” verpasst hat.

In den oft bitteren Abschnitten seines Pontifikats hat Benedikt geduldig weitergearbeitet und der Kirche einen wahren Schatz an Meditationen, Ansprachen, Schriften und jene wunderbaren, ohne Manuskript frei gesprochenen Zeugnisse hinterlassen, die heute alle noch lesenswert sind. Nach der Enttarnung des diebischen Butlers und dem Höhepunkt des “Falls Vatikleaks” machte er in Castelgandolfo die Tür hinter sich zu und vollendete das dreibändige Werk über Jesus von Nazareth. Die Person Christi war ihm das Wichtigste. Ihr die letzten Jahre seines theologischen Arbeitens zu widmen, hatte er schon als Kardinal angekündigt, ohne zu wissen, dass da noch etwas ganz anderes auf ihn wartete. Er hat daran festgehalten. Er wusste, dass die Welt, vor allem aber die Kirche, dringend eine Stärkung des Glaubens an die historische Figur des Auferstandenen braucht. Ohne seine eigene Person allzu wichtig zu nehmen, holte Benedikt XVI. am Ende dann zum Paukenschlag aus: Er trat zurück – wohl wissend, dass er damit die Geschichte des neuzeitlichen Papsttums ein für alle Mal verändert hat. So wird der deutsche Papst nachwirken, nicht nur als genialer Theologe, sondern auch als demütiger Arbeiter im Weinberg des Herrn.

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