Was ist die Alternative?

Es war ein starker Auftritt, den Israels Premier Netanjahu am Dienstag in Washington hatte

Von Oliver Maksan

Die Tagespost, 04. März 2015

Es war ein starker Auftritt, den Israels Premier Netanjahu am Dienstag in Washington hatte. Souverän und in makellosem amerikanischem Englisch sprach er zu dem – fast – vollständig versammelten US-Kongress. Mehr als zwanzig Mal sprangen seine Zuhörer den Ritualen des US-Polittheaters folgend auf und applaudierten dem Israeli. Ob Netanjahu viele Zweifler auf seine Seite bringen konnte, wird sich zeigen. Er predigte wohl in erster Linie den Bekehrten, denjenigen Republikanern und Demokraten also, die glauben, dass ihr Präsident dabei ist, mit dem iranischen Atomabkommen einen historischen Fehler zu begehen. Aber leichter ist es für Obama nach der Rede sicher nicht geworden, das Abkommen – so es denn zustande kommen sollte – daheim als gutes zu verkaufen.

Netanjahu legte den Finger in die Wunden des Deals, dessen Umrisse sich immer deutlicher abzuzeichnen beginnen. Entgegen früherer UN-Resolutionen wird dem Iran damit von den Grossmächten die Uranreicherung prinzipiell und dauerhaft zugestanden, allerdings in einem Umfang, der es ihm nicht vor Ablauf eines Jahres erlaubt, genügend Material für eine Bombe zu versammeln. Das wäre länger als derzeit. Bei Zuwiderhandlung bliebe nach westlicher Lesart also genügend Zeit, den Iran notfalls auch militärisch vom effektiven Bombenbau abzuhalten. Das Problem ist allerdings, dass nach zehn Jahren die Restriktionen schrittweise gelockert würden und der Iran nach 15 Jahren von Beschränkungen frei wäre. Der Westen hofft insgeheim, dass sich bis dahin die Natur des Regimes verändert hat. Aber das ist alles andere als sicher. Auch kritisiert Netanjahu zu Recht, dass das Überwachungsregime möglicherweise nicht derart engmaschig sein wird, wie es nötig wäre – keine absurde Behauptung angesichts der langen Geschichte von Tarnen und Täuschen, mit der Teheran sein Atomprogramm von Anfang an umgab. Tatsächlich steht und fällt das Abkommen aber mit einem umfassenden Inspektionsregime.

Dennoch muss man sagen: Letztlich konnte Netanjahu nicht überzeugen. Denn er blieb eine Antwort auf die Frage schuldig, die sich mit der Ablehnung, aber auch dem Scheitern der gegenwärtigen Verhandlungen notwendig stellt: Was ist die Alternative? Ein besserer Deal, sagt Netanjahu. Gut. Aber wie? Durch mehr Sanktionen? Das hängt nicht allein vom US-Kongress ab. Es ist nicht anzunehmen, dass das internationale Sanktionsregime eine Verschärfung aushielte. Die verständigungsbereiten Kräfte im Iran könnten zudem ausgeschaltet werden. Das Regime könnte innenpolitisch zudem durch noch grösseren Druck von aussen sogar gestärkt werden. Schliesslich ist das Atomprogramm längst eine Sache nationaler Ehre. Militärische Gewalt? Es gibt starke Zweifel, ob eine vollständige Zerstörung des iranischen Atomprogramms militärisch überhaupt noch möglich ist, sei es für die Amerikaner, geschweige denn für Israel. Das Know-How kann dem Land ohnehin kein Luftschlag mehr nehmen. Die destabilisierenden Auswirkungen einer direkten Konfrontation sind zudem nicht einfach vom Tisch zu wischen. Noch ist das Abkommen weder im Detail fertig noch angenommen. Bauchschmerzen darf man angesichts seiner Richtung begründeterweise haben. Viel mehr ist aber wohl auch nicht drin. Das weiss auch Netanjahu.

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