Europäischer Bericht zur Altersstruktur

Keine guten Nachrichten fürs neue Jahr

Eurostat

Rom, 9. Januar 2015, zenit.org, P. John Flynn LC

Im Jahr 2012 forderte der Europäische Rat beim Ausschuss für Wirtschaftspolitik eine Aktualisierung der an die Altersstruktur gebundenen Wirtschaftsprognosen an, um den neuen Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung gerecht zu werden, die von Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union, vorgelegt wurden.

Sinn dieser Prognosen ist es, einen Einblick zu den Zeiten und Ausmassen der wirtschaftlichen Auswirkungen der sich verändernden Altersstruktur in Europa zu gewinnen.

Der Bericht zur Altersstruktur 2015 stellt fest, es sei zu erwarten, dass “die Altersstruktur der EU-Bevölkerung sich in den kommenden Jahrzehnten dramatisch verändern wird, aufgrund der Dynamiken von Fruchtbarkeit, Lebenserwartung und Migration.”

In einem scheinbaren Widerspruch sieht die Prognose vor, dass die Gesamtbevölkerung 2060 höher, zugleich aber auch einiges älter sein wird als heute. Die Bevölkerung der EU wird voraussichtlich bis 2050 um etwa 4 Prozent anwachsen (von heute 507 Millionen auf 526 Millionen), um danach langsam zurückzugehen (auf 523 im Jahr 2060).

2013 waren die bevölkerungsreichsten Länder der Europäischen Union: Deutschland (81 Millionen), Frankreich (66 Millionen), Grossbritannien (64 Millionen), Italien (60 Millionen) und Spanien (47 Millionen).

Die Eurostat-Prognose sieht vor, dass im Jahr 2060 das bevölkerungsreichste Land der EU Grossbritannien sein wird (80 Millionen), gefolgt von Frankreich (76 Millionen), Deutschland (71 Millionen), Italien (66 Millionen) und Spanien (46 Millionen).

Grossbritannien übernimmt die Führung

Diese Prognosen haben in der Presse zu Spekulationen darüber geführt, dass der Bevölkerungszuwachs in Grossbritannien dieses Land zur führenden Wirtschaft der EU machen könnte, was zu einer Verschiebung der Machtgleichgewichte führen würde; Grossbritannien würde in diesem Szenario Deutschland als politisch einflussreichstes Land der EU ablösen.

Ein anderer wichtiger Punkt in diesem Bericht ist die Betrachtung der Auswirkungen, die das zunehmende Durchschnittsalter der Bevölkerung auf das Rentensystem haben wird.

Das Verhältnis der Menschen im Rentenalter (über 65) zu denen im Berufsalter (15-64) wird sich innerhalb der EU von heute 27,8 Prozent auf 50,1 Prozent verschieben. Das bedeutet, dass wenn heute im Schnitt auf jeden EU-Bürger über 65 vier in der Altersklasse zwischen 15 und 64 kommen, es 2060 nur noch zwei sein werden.

Der Rückgang der Geburten in der europäischen Bevölkerung wird mit einer Zunahme der Einwanderung ins EU-Gebiet einhergehen. Über den gesamten Zeitraum bis 2060 wird mit einer Einwanderung von insgesamt 55 Millionen Menschen gerechnet.

Der Grossteil dieser Einwanderung wird sich voraussichtlich auf einige wenige Länder konzentrieren: Italien (15,5 Millionen), Grossbritannien (9,2 Millionen), Deutschland (7 Millionen) und Spanien (6,5 Millionen).

Der Bericht versäumt es nicht, darauf hinzuweisen, dass dies nur Prognosen sind und dass unvorhergesehene Veränderungen in den kommenden Jahren diese Szenarien verändern können.

Zum Beispiel “könnte Deutschland zu dem Schluss kommen, das der beste Weg, um seinem Einflussverlust auf dem Kontinent entgegenzuwirken, darin besteht, mehr Ausländer anzuwerben; dadurch würde die Bevölkerung in diesem Land schneller wachsen, als es heute wahrscheinlich ist”, kommentierte ein Artikel des London Telegraph.

Trotzdem bemerkt der EU-Bericht auch: “Die Bevölkerung im berufstätigen Alter wird in den kommenden Jahrzehnten erheblich abnehmen, da ein hoher Anteil der Bevölkerung das Rentenalter erreichen wird und nur wenige Junge da sein werden, um sie zu ersetzen.”

Die Folgen, die dieser Umbruch für die Wirtschaft des Kontinents haben wird, sind erheblich. “In der EU als Ganzes wird die durchschnittliche Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts im Basisszenario voraussichtlich langfristig stabil bleiben, wenn auch weit unter den Werten vergangener Jahrzehnte”, so der Bericht.

Geringeres Wachstum

Die Gefahr, fügt der Bericht hinzu, liegt darin, dass im Falle, dass die Geburtenrate niedriger verläuft als angenommen, die Wachstumsrate weit geringer ausfallen könnte.

Eine der Schlussfolgerungen des Berichts ist, dass selbst im Fall einer starken Einwanderung in die europäischen Länder der prozentuale Anteil der EU an der Weltbevölkerung stark zurückgehen wird. Wenn die Bevölkerung der heute in der EU zusammengefassten Staaten sich zwischen 1950 und 2010 von 14,7 Prozent auf 7,2 Prozent der Weltbevölkerung halbiert hat, dann wird bis 2060 mit einer weiteren Abnahme bis auf etwa 5 Prozent gerechnet.

Der prozentuale Bevölkerungsanteil von Ländern wie Japan, China und den USA ist ebenfalls in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen. Der Anteil des afrikanischen Kontinents an der gesamten Weltbevölkerung wird hingegen am schnellsten zunehmen und im Jahr 2060 voraussichtlich 28 Prozent betragen. In Asien wird mit einem leichten Rückgang gerechnet, obwohl der Kontinent 2060 immer noch etwa die Hälfte der Weltbevölkerung beherbergen wird.

Europa, so steht es im Bericht, ist heute der älteste Kontinent der Erde, mit dem höchsten prozentualen Anteil von Einwohnern im Rentenalter. Daran wird sich bis 2060 nichts ändern. Doch auch andere Teile der Welt werden zwischenzeitlich eine dramatische Zunahme des Durchschnittsalters ihrer Bevölkerung erleben, und alle Kontinente mit der Ausnahme Afrikas werden 2060 einen höheren Anteil an Menschen im Rentenalter besitzen, als das heutige Europa. Dieser demographische Umbruch wird besonders stark in China zu spüren sein, wo voraussichtlich im Jahr 2060 die Altersstruktur mit der in Europa vergleichbar sein wird, mit etwa zwei Einwohnern im berufstätigen Alter für jeden Einwohner über 65.

Ein Blick auf diese langfristigen Veränderungen der Bevölkerungsstruktur wäre wahrscheinlich weiser als die andauernde Sorge um kurzfristige Veränderungen der Wirtschaftslage.

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