Gedicht zum Sonntag – Unschuldige Kinder

‘Der Kindermord’ von Gustav Schwab 1792-1850

Pieter Bruegel der Ältere um 1565Gustav Schwab
Sagen des Klassischen Altertums
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Rom, 28. Dezember 2014, zenit.org, Britta Dörre

Die Kirche gedenkt heute der Opfer des Bethlehemitischen Kindermords

Zu Bethlehem am selben Tage,
Da Joseph mit dem Kind geflohen,
Erhebet sich Geheul und Klage,
Da jammern Frauen, Würger drohen,
Und gehn, wie Tiger in der Wüsten,
Auf Raub mit mörderischem Muthe;
Da mischet an der Mutter Brüsten
Die Milch sich mit des Säuglings Blute.

Das kleinste Kind wird nicht verschonet,
Muss, eh’ es lächeln kann, verderben,
Und dem schon Lust im Auge wohnet,
Nicht Gnade kann sein Blick erwerben,
Dort ruft mit halbgelöster Zunge
Ein anderes dem Vater lallend;
Da kommt ein Schwert mit raschem Schwunge
Ihm in sein stammelnd Bitten fallend.

Und nieder schaut von dem Gebürge
Auf die mit Blut getränkten Matten,
In das Geschrei, in das Gewürge,
Der Stammfrau jammervoller Schatten.
Eins um das Andre sieht sie fassen,
Sie weint, sie ruft, sie kann’s nicht hindern,
Rahel will sich nicht trösten lassen,
Denn es ist aus mit ihren Kindern.

Doch des Herodes Henkersknechte,
So sicher sie auch späh’n und schlagen,
Sie treffen nimmermehr das rechte:
Das wandert sänftiglich getragen. –
In seinen Traum am Mutterherzen
Verirrt sich nicht der Mörder Toben;
Es ist ein Kind, zu andern Schmerzen
Und andrem Sterben aufgehoben.

Ein Mann, wird er das Land durchwandeln,
Und Zeichen thun und göttlich lehren,
Mit seinem Wort, mit seinem Handeln
Zum Himmelreiche viel bekehren,
Zu einem Reich, vor dem kein König
Den Thron mit Morde braucht zu wahren,
Zu einem Reich, dem unterthänig
Nur Seelen sind und Engelschaaren.

Er aber, dieses Reiches Gründer,
Er wandelt nicht den Weg zum Throne,
Er geht den Weg verdammter Sünder,
Von Dornen trägt er eine Krone.
Er wird am Kreuz den Fluch der Erde,
Die Welt erlösend, göttlich büssen;
Den Geist durchbohrt von einem Schwerde
Steht seine Mutter ihm zu Füssen.

***

Gustav Benjamin Schwab (1792-1850) wurde am 19. Juni 1792 in Stuttgart geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums studierte er ab 1809 in Tübingen Philologie, Philosophie und Theologie. 1817 begann er eine Tätigkeit als Altsprachenlehrer in Stuttgart. Von 1825 bis 1845 war er an der Herausgabe der “Blätter für literarische Unterhaltung” des F.A. Brockhaus Verlags Leipzig beteiligt. 1828 wurde er Redaktionsmitglied des Verlags von Johann Friedrich Cotta, der das “Morgenblatt für gebildete Stände” herausgab. 1837 veränderte sich Schwab und wurde Pfarrer in Gomaringen. In dem Dorf am Fuss der Schwäbischen Alp verfasste er von 1838 bis 1840 die “Sagen des klassischen Altertums”, eines seiner bekanntesten Werke. 1841 kehrte Schwab in seine Geburtsstadt zurück und wurde Pfarrer der Gemeinde St. Leonhard, 1842 Dekan, 1845 Oberkonsistorialrat und 1847 erhielt er die Ehrendoktorwürde. Gustav Schwab starb am 4. November 1850 in Stuttgart.

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