Erwartung und Wirklichkeit
Papst Franziskus geht Fragen der Sakramentenlehre in einem Dreischritt an: zuhören, beraten, entscheiden
Die Tagespost, 08. Dezember 2014
Papst Franziskus geht Fragen der Sakramentenlehre in einem Dreischritt an: zuhören, beraten, entscheiden
Mit wem er sich berät und wann er entscheidet, gehört zu den Überraschungsmomenten des Bergoglio-Stils. Wer den Papst vom Ende der Welt als Joker für bequeme Wege in petto zu haben meint, darf jedenfalls staunen, wie rasch Franziskus eine Debatte für beendet erklärt.
Einen klaren Schnitt in Rom erlebten kürzlich die Schweizer Bischöfe beim Ad-limina-Besuch in Rom. Die Reise war mit so hohen Erwartungen an den “Reformpapst” befrachtet, dass in Schweizer Kirchenkreisen Änderungen in der Frage der Eucharistiegemeinschaft zwischen Katholiken und Evangelischen für die Zukunft nicht mehr ausgeschlossen wurden. Welcher Grad an Verunsicherung auch unter den Hirten herrschte, zeigte sich in der Debatte um die Publikation des Papiers “Überlegungen zur Eucharistie im ökumenischen Kontext”. Vor Rückschritten in der Ökumene zu warnen und sich dabei auf den individuell gefühlten Reformeifer in Rom zu berufen, fiel manchem Kirchenmann leichter als den Gläubigen zu erklären, was ihre Kirche eigentlich lehrt.
Grünes Licht für Schweizer Sonderwege zu erteilen war für Papst Franziskus allerdings kein Diskussionspunkt. Die unzweideutige päpstliche Absage an eine ökumenische Abendmahlsgemeinschaft wurde noch verschärft durch die Mahnung, beim Engagement der Laien die klaren Unterschiede zwischen dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und dem Weihepriestertum zu wahren und kirchliche Institutionen nicht in eine zu starke Abhängigkeit von staatlichen Einrichtungen geraten zu lassen. Unmissverständlicher konnte der Papst die Linie seiner Vorgänger nicht fortsetzen.
Auch sein jüngstes Interview (Seite 5) ermutigt bei aller Verschiedenheit des Bergoglio-Stils von den Wortmeldungen seiner Vorgänger mit keiner Silbe zum vorauseilenden Gehorsam in puncto Änderung der Sakramentenlehre und Seelsorge. Franziskus will den Zauber der Reformstimmung nicht fördern. Das Gespräch signalisiert Bereitschaft zum Ringen und latenten Ärger über oberflächliche Diskussionen. Wie ein basso continuo zieht sich seine Aufforderung durch das Gespräch, hinzuhören, was er wirklich sagt. Priorität hat für den Papst eine geistliche Erneuerung der Gläubigen und eine gute Vorbereitung auf die Sakramente. Hier sieht er vor allem in der Ehevorbereitung eine Grossbaustelle für die Seelsorge. Eine Fokussierung auf eine Einzelfrage wie die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion ist mit der Linie dieses Papstes überhaupt nicht zu vereinbaren. Im Gegenteil: Sie würde verhindern, was ihm wirklich am Herzen liegt: eine geistliche Erneuerung der Kirche.
Der Papst hat den von Kardinal Kasper vorgeschlagenen Weg, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen, nicht als Lösung befürwortet. Er stuft ihn als Anfrage ein. Vor diesem Hintergrund wirkt die immer häufiger zu hörende Begründung einer missbräuchlichen Sakramentenspendung, der Papst werde die bisher geltende kirchliche Ehrelehre ja ohnehin bald ändern, schlicht unverantwortlich. Wer das Thema Ehe und Familie wirklich ernst nimmt, sollte Papst Franziskus erst einmal ausreden lassen.
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