IMABE zu Fortpflanzungsmedizin

IMABE zu Fortpflanzungsmedizin: Alle Fakten gegen Novelle

Quelle
IMABE

Offizielle Stellungnahme des kirchlichen Bioethik-Instituts: Gesetzesentwurf diskriminiert, missachtet Grundrechte, gefährdet die Gesundheit und führt zur Kommerzialisierung von Frauen – Grundlegende Überarbeitung ohne Zeitdruck gefordert.

Wien, kath.net/KAP, 27. November 2014

In einer ausführlichen Stellungnahme, die wesentliche medizinische und ethische Argumente zusammenfasst, hat das Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) der geplanten Novelle des Fortpflanzungsmedizingesetzes eine Absage erteilt.

Die Novelle spitze durch die Selektion von möglicherweise behinderten Kindern die Diskriminierung Ungeborener aufgrund genetischer Veranlagung weiter zu, missachte grundlegende Kinderrechte willkürlich, bringe eine erhebliche Gesundheitsbelastung für Frauen mit sich und leiste zudem der Kommerzialisierung des weiblichen Körpers Vorschub, so die in Wien ansässige kirchliche Einrichtung.

“Kinder haben Recht auf Vater und Mutter – nicht umgekehrt”, so IMABE mit Verweis auf die UN-Kinderrechtskonvention, die dies fordert und seit 2011 zu Teilen auch in Österreichs Verfassung steht. Der nunmehrige Gesetzesentwurf setze sich über dieses Recht des Kindes hinweg, wenn er durch Fremd-Samenspende und Eizellspende die soziale und genetische Elternschaft vorsätzlich trennt und Vaterlosigkeit – bei der künstlichen Befruchtung für lesbische Paare – von vornherein bewusst beabsichtigt. Zur Folge habe dies “genetische Waisenkinder” mit späteren Identitätskrisen, wie Studien in anderen Ländern an betroffenen Kindern im Erwachsenenalter belegten. 

Zur Eizellspende wandte die Fachstelle ein, sie sei medizinisch unzureichend: “Sie schürt unrealistische Hoffnungen auf ein Kind, wobei zugleich gesundheitsschädigende Nebenwirkungen für Frau, Empfängerin und Kind verschwiegen werden.” Nebenwirkungen der hohen Hormondosen, die für die Produktion von gleich mehreren, invasiv unter Narkose entnommenen Eizellen nötig sind, reichten von Unfruchtbarkeit bis zum mitunter tödlich endenden Hyperovulationssyndrom, zudem seien Langzeitfolgen nicht erforscht.

Dazu kämen auch ethische Bedenken: Die Novelle weise bei der Eizellenspende einen “eklatanten Interessenskonflikt” auf, wenn sie die Beratung und Behandlung durch denselben Arzt zulasse. Sie verschliesse zudem die Augen davor, dass die vorgesehene Aufwandsentschädigung in der Praxis “verdeckte Bezahlung” sei und in Folge – der Eizellenhandel wachse international – zur Kommerzialisierung von Frauen in prekären Lagen und deren Ausbeutung als Rohstofflieferantinnen führe.

PID “moderne Spielart von Eugenik”

Als medizinisch aufwändig, wenig erfolgversprechend und gefährlich sowie auch als ethisch unannehmbar bezeichnete das Institut die Präimplantationsdiagnostik (PID). Krankheit könne nicht verhindert werden durch das Verfahren, das nur Diagnosen und Risikowerte, nicht aber Therapien anbiete und somit ausschliesslich der Selektion und Diskriminierung – in Form von Vernichtung von Embryonen – diene. Letztlich sei PID damit “moderne Spielart von Eugenik” und widerlaufe fundamentalen Schutzpflichten des Staates.

In der Novelle vorgesehene Beschränkungen der PID-Zulassung seien in der Praxis “undurchführbar”, hätten andere Länder doch die Indikation in Folge stets ausgeweitet. “Wer soll denn rechtens definieren, welche Krankheiten oder Risiken für Krankheiten zur Menschenselektion berechtigen?”, stellte das IMABE-Institut in Frage. Während es für einen Anstieg der Schwangerschaftsrate nach PID keine wissenschaftlichen Beweise gebe, nehme die Zahl der erzeugten Embryonen enorm zu: “Weltweit werden im Schnitt 33,7 Embryonen für eine Lebendgeburt nach PID verbraucht'”, stellte das Institut klar.

Haltlos ist für die kirchliche Facheinrichtung das Argument, PID führe zu weniger Spätabtreibungen, zumal in Österreich eine Tötung des Embryos bzw. Fötus bei Indikation gewisser Krankheiten straffrei – bei Behinderung sogar bis zur Geburt – ist. Dass durch diese Regelung, die Behinderte eindeutig diskriminiere und ein klares Unrecht gegenüber dem Ungeborenen und dessen Recht auf Leben beinhalte, die Embryonenselektion im Rahmen von PID als rechtmässig abgeleitet werde, scheine “mehr als fragwürdig”.

Mit der geplanten Zulassung nach mehreren Fehlgeburten ohne bekannte Ursache werde PID bald Routine bei künstlicher Befruchtung, warnte IMABE. Die Wirkungen seien äusserst problematisch: Sicherheit auf ein “gesundes” Kind werde vorgespiegelt und zugleich künftig weit über die gesetzlich eingeforderten Grenzen hinaus nach allem Möglichen gesucht. Das Institut verwies an dieser Stelle auf den lukrativen Markt der Embryonen-Qualitätskontrolle: Ökonomische Interessen – der PID-Test kostet rund 4.000 Euro – müssten “breit diskutiert” und das vornehmliche Hören auf die daran Verdienenden auch hinterfragt werden.

Gesetz zurückziehen, aus Fehlern lernen

Es bestehe “keinerlei Zugzwang”, das Fortpflanzungsmedizingesetz in einem “Ruck-Zuck-Verfahren” derart umfassend und wesentlich liberaler als in anderen Ländern wie etwa Deutschland zu gestalten, betonte IMABE. Die vorgesehene 14-Tages-Begutachtung sei “Warnsignal” und “Hohn für jeglichen glaubwürdigen Parlamentarismus”. Das ethisch hochsensible Gesetz entscheide über das Schicksal von Menschen über Generationen und benötige deshalb genug Zeit für breite Debatte, weshalb das Institut eine umgehende Rückziehung des Gesetzesentwurfs, eine grundlegende Überarbeitung ohne Zeitdruck sowie auch eine längere Begutachtungsfrist forderte. Durchaus könne Österreich durch ein Lernen aus Fehlern anderer Länder zum “Vorzeigeland hoher ethischer Standards” werden.

Wichtig seien zudem Massnahmen rund um ernsthafte Alternativen bei unerfülltem Kinderwunsch, allen voran die in Österreich fehlende Förderung der Erforschung von Ursachen von Unfruchtbarkeit und deren professionelle Begleitung und Therapie: 80 Prozent der Frauen bekämen trotz mehrfacher In-vitro-Fertilisation kein Kind, womit Traum oft zum Trauma werde. Paare, die Kinder mit Behinderung oder besonderen Bedürfnissen hätten, bräuchten mehr Unterstützung und Adoptionsverfahren – vorbehalten für Ehepaare – eine Erleichterung, so das Fachinstitut der Bischofskonferenz.

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