‘Ein leichter Schleier des Geheimnisvollen’

Der dreifache Start der römischen Bischofssynode zu Ehe und Familie

Viele Neuerungen im Prozedere der Synode

Von Guido Horst

Rom, Die Tagespost, 2014

In der Synodenaula des Vatikans hat die Aussprache begonnen: Die Teilnehmer der dritten ausserordentlichen Bischofssynode zum Thema “Die pastoralen Herausforderungen für die Familien im Zusammenhang der Evangelisierung” haben in dieser ersten Sitzungswoche einen Redemarathon hinter sich zu bringen. Das von Kardinal Lorenzo Baldisseri geführte Generalsekretariat der römischen Bischofssynode hatte alle etwa 190 Väter des Bischofstreffens – im Wesentlichen sind das die Patriarchen der katholischen Ostkirchen, die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen in der Welt, die Spitzen der Römischen Kurie sowie die eigens von Papst Franziskus eingeladenen Teilnehmer – im Vorfeld gebeten, ein auf vier Minuten Redezeit angelegtes Manuskript einzureichen, auf dem vermerkt ist, zu welchem Punkt des Arbeitsdokuments der Synode, des “Instrumentum laboris”, der Betreffende Stellung beziehen möchte.

Bei den Medien sorgt die Synode für grosses Aufsehen

Allerdings, so kündigte Baldisseri als Generalsekretär der Synode Ende vergangener Woche vor Journalisten an, habe jeder Redner das Recht, in seinem kurzen Vortrag von seinem eingereichten Manuskript abzuweichen. Was also wirklich in der Synodenaula gesagt wird, erfährt die Öffentlichkeit nicht oder nur unvollständig, denn der Pressesaal des Heiligen Stuhls beziehungsweise Vatikansprecher Federico Lombardi SJ und die Moderatoren, die in den verschiedenen Sprachen fast täglich über den Ablauf des Synodengeschehens berichten, geben nicht den Wortlaut dessen heraus, was die Synodenväter wirklich sagen. Die Berichterstatter erhalten stattdessen Zusammenfassungen und sind jetzt schon gespannt, wie ausführlich diese sein werden. Ein kleiner Schleier des Geheimnisvollen liegt also über dieser Bischofsversammlung, die medial bereits jetzt schon für grosses Aufsehen gesorgt hat. Der Erwartungsdruck von aussen ist gross, aber die Synodenväter sollen frei sprechen – mit der Gewissheit, dass nicht alles nach aussen dringt.

In der zweiten Woche der Synode werden die Väter in den einzelnen Sprachkreisen, den “Circoli minori”, weiterarbeiten. Es wird dann darum gehen, den zusammenfassenden Bericht für den Papst, die “Relatio synodi“, und sehr wahrscheinlich eine Synoden-Botschaft für die Öffentlichkeit zu verfassen.

Begonnen hatte die Synode eigentlich schon am vergangenen Freitag. Am Nachmittag stellte Kardinal George Pell, seines Zeichens Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, im Familien-Institut “Johannes Paul II.“ an der Lateran-Universität ein Buch vor, das zwei Professoren dieses Instituts, der Spanier Juan José Pérez-Soba und der Deutsche Stephan Kampowski, geschrieben haben. Nach dem so genannten “Buch der fünf Kardinäle“, das allerdings nur bereits bekannte Beiträge und Aufsätze enthält, stellt die Veröffentlichung der beiden Theologen – mit einem Vorwort von Kardinal Pell – die eigentlich direkte Antwort auf das Grundsatzreferat dar, das Kardinal Walter Kasper auf der römischen Kardinalsversammlung im vergangenen Februar über das “Evangelium der Familie“ gehalten hatte. Seither geht es in der öffentlichen Debatte um die Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion und schon der Titel der deutschen Ausgabe des Buchs von Pérez-Soba und Kampowski macht deutlich, dass die beiden Autoren zu einem anderen Ergebnis kommen als Kasper: “Das wahre Evangelium der Familie” (eine Besprechung des Buchs erscheint in der kommenden Ausgabe dieser Zeitung).

Der grosse Hörsaal des “Instituts Johannes Paul II.“ war gesteckt voll mit Berichterstattern und Fernsehteams, als Kardinal Pell zu der jüngsten Veröffentlichung sprach. Allerdings las er nur sein eigenes Vorwort vor – das aber ebenfalls eine deutliche Absage an Kardinal Kasper enthält. Auch hier drehte sich in den Fragen der anwesenden Journalisten alles um die Kommunion für Wiederverheiratete. Die einzige Neuigkeit, die der australische Kurienkardinal auf die entsprechende Frage eines Reporters zu verkünden hatte, betraf den Papst. Ob, wie man höre, Franziskus über eine der Kardinals-Veröffentlichungen vor der Synode irritiert gewesen sei? Nein, antwortete Pell, der erklärte, in den letzten Wochen sehr oft mit dem Papst zusammengewesen zu sein. Und bei keiner Gelegenheit hätte er den Papst in irgendeiner Weise irritiert erlebt.

Lebenszeugnisse, die unter die Haut gingen

Am Samstagabend dann die von der Italienischen Bischofskonferenz veranstaltete Vigilfeier auf dem Petersplatz als Vorbereitung auf die Synode. Papst Franziskus hielt eine Ansprache, und drei Ehepaare legten Zeugnisse ab. Eins davon ist manchem unter die Haut gegangen – die Organisatoren der italienischen Bischofskonferenz hatten darauf verzichtet, an diesem Abend nur romantische Bilder aus einer heilen Ehe-Welt zeichnen zu lassen. Das in der Nähe von Rom lebende Paar mit zwei Kindern berichtete, wie ihre Ehe recht bald steril und kommunikationslos geworden sei. Schliesslich sei der Mann eine aussereheliche Beziehung eingegangen und habe sich von seiner Frau getrennt – ein Zustand, der sechs Jahre angedauert habe. Dann sei er zurückgekehrt, seine Ehepartnerin habe ihn wieder aufgenommen und er, so sagte der Mann, habe im vergangenen Winter mit seiner Familie das glücklichste Weihnachtsfest seines Lebens gefeiert. Nach italienischen Schätzungen verfolgten an die achtzigtausend Menschen die Vigilfeier auf dem Petersplatz.

Fast alle Synodenväter waren nun anwesend, als Franziskus dann am Sonntagvormittag im Petersdom die Synode eröffnete. In seiner Predigt forderte der Papst zu Grossherzigkeit und demütiger Kreativität auf. Mit Blick auf das Sonntagsevangelium von den Arbeitern im Weinberg sagte er, die Bischöfe dürften nicht den Fehler machen, den Weinberg als ihr Eigentum zu betrachten und ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Gott habe einen eigenen Traum mit seinem Volk, der nicht durch die Habgier und Herrschsucht der Hirten durchkreuzt werden dürfe. Die schlechten Hirten legten den Menschen unerträgliche Lasten auf, die sie selber noch nicht einmal mit einem Finger bewegen könnten. Eine typisch “franziskische” Predigt – mit einer deutlichen Ermahnung an die Hirten der Kirche. Aber der Papst rief auch zur Einheit auf: “Liebe Mitbrüder in der Synode, um den Weinberg gut zu pflegen und zu hüten, ist es nötig, dass unsere Herzen und unsere Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus bewahrt sind durch den Frieden Gottes, der alles Verstehen übersteigt”.

Die Synode kann beginnen, wie geeint und friedlich sie bleibt, ist völlig offen. (Die Ansprachen des Papstes im Wortlaut siehe Seite 6)

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