Die Vision von Allerheiligen
Allerheiligen – das Fest der Fülle, Vorausklang der Heimat des Menschen in Gott
Quelle
KathTube: Allerheiligenlitanei (latein)
Viele sind bereits am Ziel, uns vorausgegangen, uns nach sich ziehend.
Von Bischof Heinz Josef Algermissen
Fulda, kath.net/Bonifatiusbote, 31. Oktober 2014
Es ist wirklich menschenmöglich, Hass zu überwinden, Leidenschaften zu mässigen, eigene Wünsche zurückzustellen. Es ist uns Menschen möglich, das, was wir glauben, auch zu leben. Ja, es gibt solche, die das bereits fertig gebracht haben. Es sind die Heiligen. Heilige deshalb, weil sie anders waren als die vielen. Wenn das Wort nicht so furchtbar abgenutzt wäre, würde ich sagen, es sind die echten Alternativen. Sie gab es und sie gibt es.
Es gab und gibt Menschen, denen Armut – im Sinn des Evangeliums – mehr ist als Reichtum, die in ihrer Traurigkeit getröstet sind, die keine Gewalt anwenden, obwohl Gewalt in ihrer Umgebung sie verführt, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
Es gab und gibt solche, die nicht glänzen, sondern strahlen, die lieber Frieden stiften als Streit suchen, die sich lieber verfolgen lassen als dass sie ihre Ideale verraten und preisgeben.
Ihre Zahl hat sich angesammelt im Laufe der Geschichte. Wie gross sie ist, kann niemand zählen und wissen. Es gibt Heilige, die wir nicht kennen, mitten unter uns. So blicken wir am Fest Allerheiligen zurück in die Geschichte des Volkes Gottes und hinein in seine Gegenwart, aber auch hinaus in unsere Zukunft.
Von einer grossen Zukunft spricht eine der Lesungen dieses Festes, nämlich die aus dem ersten Johannesbrief (Kapitel 3, Verse 1-3). Erwähnt werden all jene, die nach Jesu Weisung gelebt haben und leben: Jetzt sind sie Kinder Gottes. Was sie aber sein werden, das lässt sich nur erahnen. Sie werden ihm, Gott, ähnlich. In der eigenen Vollendung kommen sie zur Fülle Gottes, sind “heilig, so wie Er heilig ist”.
An dieser Stelle, Sie merken es, liebe Leserinnen und Leser, versagt unser Vokabular. Man müsste da malen können. Jeder Begriff ist zu eng, weil er gleich auch das Gegenteil sagt von dem, was er meint. Die Bibel drückt es perspektivisch so aus: “Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; dann werden wir ihn sehen, wie er ist…” (1. Johannesbrief, Kapitel 3, Vers 2).
Auf dem Weg zum Ziel bleibt uns die Hoffnung, diese Tugend, diese Tauglichkeit, über jetzt Vorhandenes hinaus zum Grösseren, noch nicht Vorhandenen, zu gelangen. Das Hoffen ist kein Luxus, sondern eine Pflicht. Hoffen heisst nicht träumen, sondern das Gegenteil davon: Es ist das Mittel, unsere Träume in Wirklichkeit umzusetzen.
Das alles lebt von der grossen Zusage: Nicht wir machen es und führen es geschäftig herbei. Gott ist es, der die Vollendung und Erfüllung schenkt, der uns verwandelt, damit wir gebrochene Menschen das werden, was wir nach Gottes Willen sind: Abbild und Gleichnis von ihm selber.
Allerheiligen – das Fest der Fülle, Vorausklang der Heimat des Menschen in Gott. Allerheiligen – die Vision, deren Erfüllung sich anbahnt, wie ein südamerikanischer Dichter singt: “Wir sind noch nicht im Festsaal angelangt, aber wir sind eingeladen. Wir sehen schon die Lichter und hören die Musik.” Viele sind bereits am Ziel, uns vorausgegangen, uns nach sich ziehend.
Allerheiligen – das Fest der lachenden Gesichter, weil wir wissen dürfen: alles wird gut werden.
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