Die Regierung wütet gegen die Familie

Ideologen lernen nicht, sie lehren nur

Rembrandt Die Hl. FamilieSteuererhöhungen und Beziehungschaos: Die Linksregierung in Frankreich provoziert das Volk.

Von Jürgen Liminski

Die Tagespost, 08. Oktober 2014, von

Ideologen lernen nicht, sie lehren nur. Das gilt auch und vielleicht vor allem für die sozialistische Regierung in Frankreich und ihre publizistischen Hilfstruppen. Denn kaum war die Grossdemonstration der Bewegung “Manif pour tous” (Demo für alle) am vergangenen Sonntag in Paris zu Ende, da lieferten die Alumni der Linken ihre Sicht des Sonntags: Siebzigtausend seien es gewesen. Die Organisatoren sprachen von einer halben Million.

Zur Erinnerung: Bei den Demonstrationen 2013 und im Februar 2014 waren Millionen auf die Strasse gegangen, im Mai 2013 waren es sogar 1,8 Millionen gewesen. Das Innenministerium hatte Luftaufnahmen von der Menschenmenge gemacht und diese Aufnahmen geheim gehalten. Computerprogramme sind in der Lage, die Menschen auf solchen Aufnahmen zu zählen. Man sprach von ein paar Hunderttausend. Aber die Fotos sickerten durch und stellten die Regierung bloss, es waren 1,8 Millionen. Auch jetzt gab es Fotos und man kann davon ausgehen, dass die von den Organisatoren ausgegebene Zahl der Wirklichkeit sehr viel näher war als die “offizielle”.

Leihmutterschaft wird über die Hintertür eingeführt

Die Regierung hatte den Massenprotest gegen die neuen Projekte zur Veränderung der Gesellschaft – Aufhebung des Verbots der Leihmutterschaft und Liberalisierung der künstlichen Befruchtung – befürchtet und präventiv einige Interviews lanciert. Man bleibe fest bei dem Verbot, liess Premier Valls verkünden. Es gebe keinen Grund für die Demonstration. Aber die Bewegung Manif pour tous glaubt der Regierung und der politischen Klasse insgesamt schon lange nicht mehr. Aus gutem Grund: Am 26. Juni hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Frankreich dazu verurteilt, die von Leihmüttern im Ausland ausgetragenen Kinder von französischen Eltern in Frankreich anzuerkennen. Binnen drei Monaten hätte Frankreich mit Verweis auf die nationale Gesetzeslage Einspruch einlegen müssen. Am 26. September lief die Frist einspruchslos ab, man akzeptiert das Urteil. “Das ist die Abschaffung des Verbots der Leihmutterschaft durch die Hintertür”, sagt die Präsidentin der Bewegung, Ludovine de la Rochere.

Gleiches gilt für das Gesetz zur künstlichen Befruchtung, die bislang nur heterosexuellen Paaren mit pathologischer Unfruchtbarkeit vorbehalten war. Das Berufungsgericht erlaubte am 23. September die Adoption eines durch künstliche Befruchtung im Ausland geborenen Kindes durch die lesbische Freundin der Mutter. Sofort hatte die Justizministerin Christine Taubira, die ebenso verbissen wie intolerant für die Rechte der Gleichgeschlechtlichen an vorderster Front kämpft, in einem Kommunique verkündet: “Die Adoption für alle Paare, die gemäss dem Gesetz vom 17. Mai 2013 (das die Homo-Ehe in Kraft setzte, Anm.d.V.) verheiratet sind, ist nun klar anerkannt.”

Die Demonstranten forderten die Rücknahme des Kommuniques und überhaupt die Aufrechterhaltung des Adoptionsverbots für Gleichgeschlechtliche sowie die Erneuerung des Verbots der Leihmutterschaft. Darüber hinaus fordert die Bewegung auch die Rücknahme des Gesetzes zur Homo-Ehe. Der Rückhalt in der Bevölkerung für diese Forderungen ist gemischt. Beim Verbot der Leihmutterschaft und der künstlichen Befruchtung plus Adoption für Gleichgeschlechtliche kann Manif pour tous auf weit mehr als die Hälfte der Franzosen zählen. Bei der Abschaffung der Homo-Ehe dagegen sind es nur dreissig Prozent und selbst bei den Wählern der bürgerlichen UMP sind 56 Prozent gegen eine Abschaffung. Das mag auch der Grund dafür sein, dass sich kaum ein Politiker rechts von der Mitte heute klar für die Abschaffung der sogenannten Homo-Ehe ausspricht, weder der ehemalige Präsident Sarkozy noch die Barone der Bürgerlichen, Juppé, Fillon, Raffarin. Nur der ehemalige Wissenschaftsminister Laurent Wauquiez, die ehemalige Wohnungsministerin Christine Boutin und der Senator Hervé Mariton sind für eine Reform des Gesetzes oder seine Abschaffung. Sie marschierten bei der Grossdemonstration in der ersten Reihe mit.

Aufgebrachte Bürger zünden Finanzämter an

Den vier- oder fünfhunderttausend Demonstranten ging es aber nicht nur um die Identitätsfragen und Beziehungsprobleme, die das Wohl des Kindes gefährden und die Zukunft der Familie in Frage stellen. Seit einigen Wochen geht es auch um wirtschaftlich existenzielle Fragen für die Familie. Denn die Regierung Valls hat offensichtlich die Familie als Hauptopfer für die Steuererhöhungen ins Visier genommen. Hollande und Valls wollen sich an der Familie rächen. Anders ist nicht zu verstehen, dass die Regierung den steuerlichen Freibetrag für die Familien zuerst von 2 236 Euro pro Person und Jahr auf 2 000 und jetzt auf 1 500 Euro gesenkt hat, dass das Begrüssungsgeld für Neugeborene von rund 900 Euro auf 250 Euro gesenkt wurde, dass die Rentenzuzahlung, die ab dem dritten Kind steuerfrei gewährt wird, ab jetzt versteuert wird, dass Kindergeld und Elternzeit gekürzt werden sollen. Der Vorsitzende des Nationalverbands der katholischen Familienverbände in Frankreich, Jean Marie Andres, spricht von einer “Familienphobie”. Sie werde dazu führen, dass viele Familien die Erfüllung ihres Kinderwunsches verschieben und die Zahl der Geburten verringert werde, “eine der wenigen Wettbewerbsvorteile Frankreichs”.

Diese Familienphobie der Linksregierung stösst selbst bei linken Abgeordneten bitter auf. Sie sehen hier zu Recht eine neue Front eröffnet, ohne dass die Sparmassnahmen auf dem Rücken der Familie die Haushaltssituation wesentlich verbesserten. Im Gegenteil, sie steigern die Wut in der Bevölkerung. Die macht sich seit einigen Wochen auf beunruhigende Weise Luft. An die vor Finanzämtern abgeladenen Misthaufen hat man sich gewöhnt. Aber im September sind in mehreren Regionen ein halbes Dutzend Finanzämter in Brand gesteckt und verwüstet worden. Die Zahl der prekären Haushalte steigt sprunghaft, viele können die Steuerschuld nicht mehr begleichen, die Zahl der Haushalte, die eine Stundung beantragt hat, ist in einem Jahr um 22 Prozent gestiegen.

Zerstörung der Familie durch Sparmassnahmen und Auflösung normaler Beziehungen zugunsten von Randgruppen – nur wenige Politiker sind entschlossen, dieser linken Zerstörungswut entgegenzutreten.

Also geht das Volk selber auf die Strasse und reisst die wenigen Furchtlosen in der Politik mit. Niemand weiss, wo diese Welle endet, ob sie versandet oder die Institutionen aushöhlt. So wie die Linke von einer Lüge in die nächste taumelt und die Bürgerlichen sich vor gesellschaftspolitischen Entscheidungen drücken, kann es auch künftig nur einen Gewinner geben: Die rechtsgerichtete Front National. Ihre Abgeordnete Marion Le Pen, eine Nichte der Parteichefin Marine Le Pen, marschierte bei der Demo für alle mit.

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