Lebensschutz ist der Gradmesser der Humanität
Papst Franziskus erbittet Gottes Segen für “Marsch für das Leben” in Berlin
– Bischöfe rufen zur Unterstützung auf. Von Stefan Rehder
Rom/Berlin, Die Tagespost, 17. September 2014
Papst Franziskus “verbindet sich” mit den Teilnehmern des diesjährigen “Marschs für das Leben”. In einem dem Bundesverband Lebensrecht (BVL) übermittelten Schreiben “an die Teilnehmer des Marsches für das Leben”, schreibt Staatssekretär Pietro Kardinal Parolin: “Gerne verbindet sich der Heilige Vater mit den Teilnehmern und sendet ihnen herzliche Grüsse.” “Das Recht auf Leben” sei “Grundlage der Kultur und des verfassten Gemeinwesens“. Jeder Mensch habe eine unverbrüchliche Würde und dürfe “nicht zur Wegwerfware werden”. Wo Menschen ausgesondert würden, beraube sich die Gesellschaft ihrer Wurzeln. “Sie wird zu einem System, in dem alles dem Streben nach Gewinn und Nützlichkeit unterworfen ist und der Mensch als Person keine Rolle mehr spielt.”
Weiter schreibt der “Staatssekretär seiner Heiligkeit”: “Treten wir als Christen dafür ein, den unantastbaren Wert eines jeden Menschenlebens deutlich zu machen, der unabhängig vom augenblicklichen Nutzen ist. Mit dem Gebetswunsch, dass die Kultur des Lebens auch weiterhin in Deutschland eine Heimat hat, erbittet Papst Franziskus allen Teilnehmern des Marsches für das Leben von Herzen Gottes reichen Segen.”
Auch Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland stellen sich hinter das Anliegen des “Marsch für das Leben”. In ihren Grussworten bringen sie zum Ausdruck, wie wichtig der Lebensschutz für die Glaubwürdigkeit einer humanen Gesellschaft ist. Der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation Kardinal Gerhard Müller bedankt sich bei den Organisatoren und Teilnehmern des Marsches “für Ihr mutiges Zeugnis” und betont: “Das Mass effektiven Lebensschutzes ist zugleich der Gradmesser authentischer Humanität einer Gesellschaft.“ Auch der ernannte Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, ermutigt zur Teilnahme am “Marsch für das Leben“: “Selbstverständlich ist jeder Mensch gleich wertvoll!“ Niemand, so Woelki, solle mehr für eine Idee, für eine Ideologie oder für ein individuelles Ziel sterben müssen, heisst es in einer Pressemitteilung des BVL vom Mittwoch.
Der Bischof von Augsburg, Konrad Zdarsa, hebt hervor: “Abtreibung und Euthanasie richten sich gegen Personen in einer besonders empfindlichen Situation, in einer Situation existenzieller Schwäche und Angewiesenheit auf diese Solidarität. Wird sie gerade in dieser Situation extremer Schwäche und Angewiesenheit verweigert, wirft dies einen fürchterlichen Schatten auf die Humanität einer Gesellschaft.“ Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer ruft Christen dazu auf, gemeinsam die gesetzlich vorgesehene Evaluierung der staatlichen Abtreibungsregelung einzufordern und mit der Teilnahme am “Marsch für das Leben” ein gemeinsames Zeugnis für den Lebensschutz zu geben. Der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke OSB, betont die Heiligkeit menschlichen Lebens und mahnt mit einem Wort von Papst Franziskus: “Wenn diese Überzeugung hinfällig wird, bleiben keine festen und dauerhaften Grundlagen für die Verteidigung der Menschenrechte.” Aus den katholischen Laienbewegungen richten Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), und Professor Hubert Gindert, Vorsitzender des Forums Deutscher Katholiken, Grussworte an die Teilnehmer des Marsches. Glück erinnert an den gemeinsamen Einsatz des ZdK mit vielen katholischen Verbänden wie dem BVL “für den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens von seinem Beginn bis zu seinem Ende”. Angesichts der aktuellen politischen Debatte um Sterbehilfe und Euthanasie unterstreicht er: “Wir setzen uns für ein striktes Verbot aller Formen organisierter Sterbehilfe ein.” Gindert, der selbst am Marsch teilnehmen wird, ermutigt: “Lassen wir nicht zu, dass unsere Gesellschaft zu einer Wegwerfgesellschaft wird, in der Geschäftemacher unter dem Vorwand der Selbstbestimmung die Not von Menschen ausnutzen und diejenigen selektiert werden, die als eine Belastung angesehen werden oder der Selbstverwirklichung im Wege stehen.”
Der “Marsch für das Leben”, der traditionell jedes Jahr am dritten Samstag im September in Berlin stattfindet, steht diesmal unter dem Motto “Ja zum Leben – für ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie!” und beginnt am Samstag, den 20. September, um 13 Uhr mit einer Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt. Anschliessend werden die Teilnehmer schweigend durch die Strassen der Bundeshauptstadt ziehen und mit weissen Holzkreuzen und Transparenten für das Recht auf Leben ungeborener Kinder sowie gegen Euthanasie demonstrieren. Die Veranstaltung endet mit einem Ökumenischen Gottesdienst, der um 15.30 Uhr beginnt.
Wie im vergangenen Jahr hat auch in diesem Jahr das “Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung” unter dem Motto “Mein Körper, meine Verantwortung, meine Entscheidung – leben und lieben ohne Bevormundung” zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Das 2013 vom Humanistischen Verband Deutschlands initiierte Bündnis fordert unter anderem “den uneingeschränkten Zugang zum legalen Schwangerschaftsabbruch und die Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch“ sowie eine “rezeptfreie Vergabe der ‘Pille danach'” und “Verhütungsmittel als Kassenleistung“. Neben etlichen Gliederungen der Partei “Die Linke“ gehören auch die Jugendorganisationen der SPD und der Grünen zu den Unterstützern des Bündnisses. Gleiches gilt für die “Pro Familia“-Landesverbände Berlin und Brandenburg, “Terre des Femmes“ und die “Giordano-Bruno-Stiftung“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe, der den Aufruf zum “Berliner Marsch für das Leben“ des BVL “unterstützt“ und angekündigte, selbst daran teilzunehmen, nannte es “bezeichnend, wer zu dem Bündnis zählt, das zu einer Gegendemonstration aufruft“. So habe die Giordano-Bruno-Stiftung “2011 ihren Ethik-Preis an den australischen Tötungsphilosophen Peter Singer verliehen, der für die Tötung behinderter Neugeborener, Komapatienten und anderer schwer hirngeschädigter Menschen plädiert und einem ausgewachsenen Schwein mehr Lebensrecht zubilligt als einem behinderten Baby“. “Gerade angesichts zunehmender pränataler Selektion sowie der einsetzenden Sterbehilfe-Debatte ist es wichtig, mit einem entschiedenen Ja zum Leben an die Öffentlichkeit zu gehen, erklärte der CDU-Gesundheitspolitiker und ehemalige Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen.
Konkurrenz macht dem “Marsch für das Leben“ der Bundesverband “Donum Vitae“, der am Samstag anlässlich seines 15-jährigen Bestehens zu einem Kongress in das Kurfürstliche Schloss nach Mainz lädt. Auf dem Kongress, der unter der Überschrift “Dem Leben Zukunft geben“ steht, sollen auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier sprechen. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesing (SPD) will eine Videobotschaft schicken.
Unterdessen geht die Diskussion über ein Verbot der Suizidhilfe oder die Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids weiter. Neue Nahrung hat die Debatte Anfang der Woche durch das Urteil eines belgischen Berufsgerichts bekommen, das einem in Belgien inhaftierten Sexualstraftäter das “Recht auf Tötung auf Verlangen“ zubilligte. Der Mann, der seit 30 Jahren wegen mehrerer Sexualdelikte in Haft sitzt, hatte geltend gemacht, an für ihn “unerträglichen psychischen Schmerzen“ zu leiden. Laut Medienberichten hatten nach dem Urteil 15 weitere Strafgefangene angekündigt, ebenfalls um Euthanasie zu bitten. Anfang des Jahres erst hatte das belgische Parlament die Legalisierung der Euthanasie ohne Altersbegrenzung auf Minderjährige ausgedehnt. Der Geschäftsführende Vorstand der “Deutschen Stiftung Patientenschutz“ Eugen Brysch warnte vor einem “Anspruch auf Tötung“. Würde ein solcher legalisiert, schaffe sich dieses Angebot immer neue Nachfrage.
Hüppe erklärte dazu: “Die immer weitere Grenzen überschreitende Sterbehilfe-Praxis unseres westlichen Nachbarlandes ist eine eindringliche Warnung für Deutschland” und zeige, dass sich Legalisierung von Sterbehilfe “Schritt für Schritt gegen alle eingezogenen Hürden und vermeintlich ‘enge Grenzen‘ durchsetzt.” (siehe auchden Gastkommentar auf Seite 2)
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