Das Dilemma des Papstes

Starke Worte des Papstes

Guido Horst Die Tagespost, 15. September 2014, Von Guido Horst

Starke Worte des Papstes. In der militärischen Gedenkstätte Redipuglia hat Franziskus den Krieg als reinen Wahnsinn bezeichnet und angedeutet, dass man sich heute, nach den Tragödien der beiden Weltkriege des zwanzigsten Jahrhunderts, in einem dritten Weltkrieg befindet, “der in Abschnitten ausgefochten wird, mit Verbrechen, Massakern, Zerstörungen” (siehe S. 6 (Printpaper). Starke Worte. Doch was meinte der Papst? Gehören die schrecklichen Bilder vom Sonntag von der Hinrichtung einer dritten Geisel durch einen Henker des “Islamischen Staats” mit zu diesem dritten Krieg, den Franziskus meint? Die Abschlachtung weiterer Gefangener soll folgen. Allein Italien bangt um das Leben von sechs Landsleuten, die sich in den Händen des IS befinden. Wäre es nicht an der Zeit, dass das Oberhaupt der katholischen Weltkirche nicht nur das Schreckensbild eines dritten Weltkriegs an die Wand malt, sondern konkret auch Ross und Reiter nennt?

Steht der Westen, stehen das Christentum und da vor allem die katholische Kirche nicht längst schon – ob sie das wollen oder nicht – in einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit den radikalen Islamisten?

Der Papst hat offen geredet, für den Frieden in Syrien und den gesamten Mittleren Osten beten und fasten lassen, das Leid der vertriebenen Christen im Nordirak beklagt, zu Frieden und Versöhnung aufgerufen. Dennoch ist es unübersehbar, dass sich der Papst in einem Dilemma befindet. Es wäre derzeit unmöglich, dass Franziskus offen die Frage der Gewalt im Islam anspricht, so wie das Papst Benedikt in seiner Regensburger Vorlesung getan hat. Im Vatikan spricht man von einem “Holland-Effekt”. In den Zeiten des Hitler-Wahnsinns hatten sich die niederländischen Bischöfe gegen die Judenverfolgung ausgesprochen und mussten mit ansehen, dass die Nazis als Reaktion darauf auch die christlichen Juden in die Gaskammern schickten – unter ihnen Edith Stein. Klare Worte der Kirche und vor allem des Papstes könnten auch heute wieder zur Folge haben, dass die Christen vor Ort die Quittung dafür zahlen. Es gibt Stimmen, die sagen, dass der von Dschihadisten im Irak gekidnappte italienische Jesuit Paolo Dall’Oglio bereits tot ist. Aber wenn er noch lebt: Wer kann ausschliessen, dass ein Donnerwort des Papstes zur Folge hätte, dass der IS am gleichen Abend die Bilder von der Enthauptung dieses Priesters zeigt?

Und der Papst selber ist in Gefahr. Die islamistischen Terrormilizen haben ein Video verbreitet, das klar von dem Ziel spricht, die schwarze Fahne des IS auch über Rom wehen zu lassen. Der weisse Mann in Rom ist für sie der Inbegriff und die Symbolfigur jenes Christentums, das sie als “abscheuliche Religion” so sehr hassen. Für einen Selbstmordattentäter wäre es ein leichtes, sich und den Papst und Dutzende andere in die Luft zu sprengen. Die Kirche steht vor einem Gemisch von Hassgefühlen der Terroristen, das es verbietet, rhetorische Bomben in das bereitstehende islamistische Pulverfass zu werfen. Stattdessen arbeitet der Vatikan auf allen diplomatischen Kanälen, die ihm zur Verfügung stehen. Es gilt, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel