Wladimir Putin ist kein ‘Geschenk Gottes’

Deutschlands Konservative und viele katholische Christen sind in diesen Tagen zerstritten, wie selten zuvor

Gottesmutter von Wladimir, ein Nationalheiligtum Russlands und der russisch-orthodoxen Kirche. Die Marien-Ikone ist als Reproduktion auch im Westen weit verbreitet (Konstantinopel um 1100).Deutschlands Konservative und viele katholische Christen sind in diesen Tagen zerstritten, wie selten zuvor. Der Grund sind die Ukraine-Krise und die Frage: Wie halten wir es mit Putin?

Ein kath.net-Kommentar von Klaus Kelle

Düsseldorf, kath.net, 29. August 2014

Nach seiner ersten Wahl als Russlands Präsident staunten die Fernsehzuschauer weltweit über Fernsehbilder von Wladimir Putin beim Besuch einer orthodoxen Messe in Moskau. Der frühere KGB-Offizier als geläuterter Christ – wessen Herz erwärmte dieser Anblick nicht? Aus der versteckten Botschaft an Russlands orthodoxe Christen, dass der neue Präsident zu einer Art Schutzpatron für die mehr als 100 Millionen Gläubigen und ihre Kirche werden könnte, ist inzwischen ein kaum zu erschütterndes strategisches Bündnis geworden.

Spätestens mit der Wahl des Metropoliten Kyrill im Dezember 2008 an die Spitze der Orthodoxen passt kein Blatt mehr zwischen Kirche und Kreml. Heutzutage würde man das wohl als Win-Win-Situation bezeichnen, denn beide Seiten profitieren in vielerlei Hinsicht von diesem Bündnis. Für ihre Unterstützung und Loyalität haben die Orthodoxen heute in Russland neben erheblichen Reichtümern – Putin organisierte schon als Premierminister üppige Entschädigungszahlungen für die in den 20er Jahren enteigneten Religionsgemeinschaften – auch politische Macht. Ihre Vertreter sitzen in staatlichen Gremien, nehmen Einfluss auf die Lehrpläne der Schulen und definieren, was unter öffentlicher Moral zu verstehen ist. Kyrill dankt es mit öffentlichen Wahlaufrufen für seinen Mäzen. Einmal nannte er den

Was beide politisch verbindet ist das Streben nach dem Schutz der traditionellen Familien, verbunden mit der strikten Ablehnung von Homosexualität, die als typisch westliche Dekadenzerscheinung gegeisselt und wohl von der Mehrheit der Russen so angesehen wird. Gerade diese beiden Themen, verbunden mit zur Schau gestellter Frömmigkeit des Kreml-Herrschers gefällt auch hierzulande vielen Katholiken. Manche sehen in Putin geradezu einen Hoffnungsträger, der das Überleben von Kirche und Moral in Zeiten des westlichen Hedonismus und Kulturverfalls sichern wird.

Doch ist diese Hoffnung belastbar bei einem Mann, der einst als KGB-Offizier in Berlin für den Erhalt des SED-Unrechtsstaates arbeitete, zu der zweifellos auch das Ausspionieren und Bekämpfen der christlichen Kirchen gehörte? Heiligt der Zweck wirklich die Mittel? Schauen wir weg, wenn Wladimir Putin seine Soldaten in Marsch setzt, um Teile eines Nachbarlandes völkerrechtswidrig zu besetzen und zu annektieren? Ich meine, als Christen dürfen wir das nicht tun. Die Gegenargumente sind ja bekannt. Auch der Westen, auch die USA – besonders die USA – haben ihre Sündenfälle. Immer wieder wurden üble Schurken um eines vermeintlich höheren Zieles willen unterstützt. Militärische Interventionen wie der Irak-Krieg basierten auf Lügen und einem Bruch des Völkerrechts. Und über Abu Ghreib und das skandalöser Weise immer noch existierende Gefangenenlager Guantanamo müssen wir erst gar nicht sprechen. Aber reicht es, dass auch andere schlimme Dinge getan haben, um bei Putins Russland wegzuschauen?

Gerade wurde belegt, dass der Kreml und sein Herrscher die Welt seit Monaten über seine Rolle in der Ukraine-Krise belügt – was jeder, der sehen wollte, auch schon vorher wusste. Russische Soldaten kämpfen in der Ostukraine, russische Panzer haben die Grenze zur Ukraine überquert. Was wir jeden Abend im Fernsehen zu sehen bekommen, ist ein Angriffskrieg. Und das nur zwei Flugstunden entfernt von unserer vermeintlich friedlichen Insel der Glücksseligen. Alles, was derzeit in der Ukraine geschieht – das Elend, der Hunger, die Toten und Verletzten – geschieht mit Planung und auf Geheiss Putins. Nur zur Erinnerung. Die Ukraine ist ein souveräner Staat, ihre Grenzen sollten unverletzlich sein. Ob Putin sich eingekreist fühlt, ob die Ukraine EU-Mitglied werden möchte – all das spielt für eine objektive Bewertung keine Rolle.

Jeder, der für die traditionelle Familie eintritt, ist Christen erstmal willkommen. Und jeder Politiker, der ehrlichen Herzens am Gottesdienst teilnimmt, umso mehr. Aber ein Politiker, der vor Fernsehkameras Kerzen anzündet und ins Gebet versinkt, dann am nächsten Tag aber seine Soldaten losschickt, um ein anderes Land anzugreifen und zu besetzen, hat keine Sympathie von Christen verdient.

PRESSESPIEGEL: Wladimir Putin toppt den Lügenbaron von Münchhausen

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