Der reiche Jüngling wollte “Christ” werden
Dienstanweisung zur massenhaften Züchtung von Kleingläubigen
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Quelle
KathTube: Bischof Oster/Willibaldswoche: Lebe ich gerne in der Kirche, weil ich glaube, sie ist ein Ort, indem ich Christus begegnen kann?
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Der reiche Jüngling wollte “Christ” werden. Die Einladung es zu werden, hat der galiläische Rabbi an alle gerichtet. Er nimmt allerdings nicht jeden.
Eine KATH.NET-Glosse der besonderen Art von Helmut Müller
Vallendar, kath.net, 14. Juli 2014
Und wieder wurde statt einer Dienstanweisung für einen Unterteufel in der Oberwelt eine private Korrespondenz abgefangen:
Mein lieber Wormwood,
die letzten Bischofsernennungen und der Kardinalswechsel von Berlin nach Köln waren niederschmetternd. Am meisten hat mich aufgeregt, dass sie in Passau einen Clown zum Bischof gemacht haben. Der hört zu allem Überfluss nicht auf landauf und landab zu verkündigen, nicht als Clown fortfahren, sondern als Bischof handeln zu wollen. Er redet jetzt schon Klartext. Ein kluger Schachzug, solange er den Clownbonus noch hat. Mit Klartext können die beiden anderen nicht beginnen. Hoffentlich lassen sie es überhaupt bleiben und mogeln sich so durch wie manch anderer. Sicher, wir konnten nie hoffen, dass Hans Küng irgendwo auf einer Besetzungsliste für einen vakanten Bischofsstuhl auftauchen würde. Aber dass jetzt vermutlich schon zwei von Domkapiteln erstellte Listen Makulatur geworden und in einem römischen Papierkorb gelandet sind, ist schon ein starkes Stück. Ob es wirklich so war ist mir egal. Die Wirklichkeit, die die Medien schaffen zählt. Die wirkliche Wirklichkeit kann mir gestohlen bleiben.
Klar, in Köln wurde im Vorfeld zu viel des Guten getan. Das Bischofskandidatenwunschkonzert war den Römern doch zu arg, nach dem Motto: Erweise Dich nach dem bösen Meisner als guter Franziskus und richte Dich nach unseren Wünschen. Nicht anders in Freiburg: Auch hier hat Rom einfach mal gezeigt, wo der Hammer hängt, ein Seelsorgsamt, das Bischof spielt und ein Katholikenrat, der auf den Ministerpräsidenten hört und nicht auf den Bischof, das hat sich Rom nicht bieten lassen. Jetzt wo alles gelaufen ist, fehlt eigentlich ein richtiger Aufreger – in Köln als auch in Freiburg – um gleich mit der Demontage der Ernannten beginnen zu können. Zaghafte Versuche hier (der Anti-Zollitsch in der FAZ) und da (zu wenig Rahner in der Dissertation Woelkis) verpufften schon in der Zündschnur. Unsere Sprengstoffabteilung hatte geschlafen und noch zu wenig Pulver zur Verfügung stellen können. Das darf nicht mehr vorkommen. Wenn sie da oben anfangen zu zündeln, sollten wir da unten wenigstens mit Sprengladungen dienen können. Das darf uns nächstens bei Limburg nicht mehr passieren. Im Übrigen scheinen alle drei leider dagegen gefeit zu sein, ihren Pontifexposten miss zu verstehen, Brücken zu bauen zur Sünde statt zum Sünder.
Weil das so ist, wollen wir langfristig planen. Da gibt es gute Ansätze. Der sich bald jährende hundertste Todestag von Charles Péguy hat mich auf eine Idee gebracht. Menschen mit einem so starken Glauben dürfen nicht mehr gross werden. Stell Dir vor: Dieser Mann geht vor über einhundert Jahren eine Zivilehe mit einer Nichtgläubigen ein, das heisst, er lebt zeit seines Lebens nach seinem kirchlichen Verständnis im Konkubinat und zwar in einer alles andere als glücklichen Ehe. Er sagt sogar, zu Hause herrscht Krieg. Drei Kinder werden dennoch geboren, aber wegen des Widerstandes der Frau nicht getauft. Zwischendurch verliebt er sich in eine Jüdin. Und jetzt kommt das Skandalöse: Er bleibt bei seiner Frau, der Dummkopf, und bricht nicht die Ehe, die zudem bloss eine Zivilehe ist. Stattdessen leidet er wie ein Tier, bis zur Depression. Das macht ihn nicht kirre. Er versagt sich weiter die Erfüllung der eigentlichen Liebe. Das bleibt nicht unbemerkt. Ein Schriftstellerkollege nennt ihn “Mann der Treue”.
Was soll man da noch sagen? Aber es kommt noch schlimmer: Er sagt, er lebe in der Vorhalle der Kirche, was er überaus schmerzlich empfindet, geht nicht zu den Sakramenten, nicht einmal in die hl. Messe, weil er es nicht ertragen könne, die Messe zu besuchen und nicht kommunizieren zu können. Mir kommen die Tränen. Aber die versiegen ganz schnell. Der Kerl geht doch tatsächlich vor der Messe in die Kirche um zu beten. Jetzt wird es noch ärger. Dieser humorlose Zwangsneurotiker, dem jede innerliche Aufgelockertheit fehlt, hat erkannt, dass es neben den Heilswegen, die der Allmächtige in den Sakramenten für seine Kirche geöffnet hat, mit den Heilswegen noch nicht zu Ende ist. Der sowohl Allmächtige als auch Barmherzige – verwünscht sei er – ist in seinen Heilswegen völlig frei. Für ihn gibt es natürlich mehr Heilswege als er seiner Kirche auf ordentlichem Wege eröffnet hat. Das hat Péguy erkannt und schreibt einem seiner Freunde: “Ich lebe ohne Sakramente. Das ist ein gewagtes Unterfangen. Doch ich habe die Schätze der Gnade, einen Überfluss an unfassbarer Gnade.” Geht’s noch? Das scheint – dem Vater der Tiefe sei Dank – immer mehr zu einem Geheimwissen zu werden, das sogar dem einen oder anderen Bischof nicht zugänglich ist. Die feste Zusage des Gottessohnes, in den Sakramenten gegenwärtig zu sein, ersetzt dieser verrückte Franzose durch die Sehnsucht, dass sich seine Gegenwart in Sakramentalien nicht entziehen möge. Dieser starr- und starkgläubige Literat macht die Wallfahrt nach Chartres zu seiner persönlichen Gottesbegegnung. Nicht genug damit. Er hat sie wiederbelebt! Und diese Wiederbelebung ist sehr viel ernster als das immer moderner werdende, oft nur kultige Pilgern nach Santiago. Am 5. Sept. 1914 noch vor der Schlacht an der Marne hat ihm eine Granate viel zu spät mit Einundvierzig das Licht ausgeblasen. Leider nicht für immer. Er ist uns entwischt, jedenfalls bei uns nicht angekommen und sitzt wohl an der himmlischen Tafel. Und das Schlimme nimmt kein Ende. Seine Frau lässt sich 1926 taufen und ein Jahr davor tun das gleiche seine Kinder. Allein wenn ich daran denke, wird mir schlecht.
Schwamm drüber. Heute sind die Zeiten besser. Die weltweiten Umfragen haben es den Römern nun schwarz auf weiss gezeigt. Das Glaubenswissen tendiert gegen Null. Und da soll es auch bleiben. Wer weiss schon, was ein Sakrament ist und erst recht eine Sakramentalie! Wenn man beides nicht kennt, kann man auch nicht danach leben. Die kaputten Ehen und Konkubinate lassen sich nicht mehr heilen. Flüstere jedem Betroffenen und jedem Seelsorger ein: Sei realistisch, erkläre kaputt, was kaputt ist und löse auf, was vielleicht gebunden war. Es gibt nichts mehr zu heilen. Ermuntere die darunter Leidenden eine neue Beziehung anzufangen und dennoch zu den Sakramenten zu gehen. Flüstere ein, lass dich nicht diskriminieren, egal was passiert ist. Sage, wer weiss, was der Pfarrer auf dem Kerbholz hat, mit dem du zu tun hast, du bist auf jeden Fall kein schlechterer Mensch.
Langer Rede, kurzer Sinn. Wir müssen die Kirche und den Glauben, den sie verkündigen soll, noch weiter nivellieren. Eine Starkgläubigkeit wie bei diesem zwanghaften Franzosen muss die absolute Ausnahme bleiben. Wir nehmen uns die Kaninchenzuchtvereine als Beispiel. Die Kirche soll ein Zuchtverein für Kleingläubigkeit werden und zwar mit der Fruchtbarkeitsrate von Kaninchen. Ich will nun nicht den ganzen Nietzsche in seinem Zarathustra in der Vorrede herunterbeten. Aber du solltest es nachlesen, was er über den letzten Menschen schreibt, da beschreibt er nämlich ungewollt Kleingläubigkeit: “Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das gleiche, jeder ist gleich … Wir haben das Glück erfunden. … Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben. … Ein wenig Gift ab und zu: Das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben”. Letzteres kündet Hans Küng schon seit Jahren und jetzt auch eine Schweizer Ordensschwester.
Die Generallinie heisst also, und das ist nicht einmal neu: Nur Frohbotschaft, keine Drohbotschaft. Es gibt ein Recht auf alles im Sortiment dieses Zuchtvereins, egal wie das Vereinsmitglied sich benimmt. Jeder ist eingeladen, zu was auch immer. Keiner nehme sich heraus irgendeine Latte hochzulegen oder eine Hürde aufzurichten. Wer dennoch solches im Sinn hat, der muss sich vorwerfen lassen, unrealistisch und noch nicht im Heute angekommen zu sein. Er muss sich davor fürchten das Kirchenvolk zu spalten in Starke und Schwache, Ultramontane und Hiesige, Hinterwäldler und Heutige, Elitechristen und Menschenfreundliche, Klein- und Starkgläubige. Verwische den Unterschied zwischen, allen soll Christus verkündigt, und alle sollen Christen werden. Der Nazarener selbst hat schon Kriterien angelegt: Der reiche Jüngling wollte “Christ” werden, aber der galiläische Rabbi hat bekannter massen “Christsein” mit Qualitätskriterien verbunden und nicht Quantitätsüberlegungen angestellt. Alle sollten wahrem Christentum begegnen können, ohne gleich Christ werden zu müssen. Wer aber nicht Christ wird, sollte wenigstens mit den Segnungen des Christentums in Berührung kommen können. Auch Kleingläubige hat der Galiläer eingeladen. Er züchtet sie allerdings nicht. Starkgläubige sollen sich um sie kümmern. Schau zu, dass dieses Wissen verloren geht und in der Senke verschwindet. Die Diskussion um das pro multis ist eigentlich gut gelaufen. Das Angebot richtet sich an alle, aber nur viele – zu viele – nehmen es an. Der Oberbayer hat es zwar liturgisch durchgesetzt, aber in Deutschland kümmert sich kaum jemand darum, auch wenn es in den neuen Gotteslöbern steht. Jeder sollte zu herabgesetzten Preisen sich Christ nennen dürfen oder noch besser, sein Christsein selbst definieren dürfen oder ganz modern es in Synoden erst finden. Also frei nach Nietzsche “kein Hirt”, der etwas vorgibt oder Klartext redet und “eine Herde”, die in allem gleich ist, auch und vor allem in der Sünde. Da fühlt man sich dann endlich wohl, von allem Druck befreit. Und noch einmal frei nach Nietzsche hat man dann “sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht. Aber man ehrt die Gesundheit”. Ja, schau zu, dass Gesundheit Heiligkeit ersetzt. Da haben wir dann die grösstmögliche Ökumene. Die erste Selbstbezeichnung der Christen als “die Heiligen“ sollte als Anmassung erst gar nicht mehr in Betracht kommen. Dann vermehren sich die Kleingläubigen wie die Kaninchen, Leute wie dieser verrückte Franzose sollen zu Lachnummern und zwanghaften Spassverderbern werden. Es bleibt zu hoffen, dass an seinem Jahrestag niemand an ihn denkt. Leider hat letztens eine Redakteurin dieser erzkonservativen Zeitung Tagespost schon am 1. Juli an das Jahresgedächtnis erinnert. Dieser Artikel könnte unsere Strategie Kleingläubigkeit züchten, massiv stören. Aber wer liest das schon?
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
Diese Glosse basiert auf dem Buch “Dienstanweisung an einen Unterteufel”, die “Dienstanweisungen sowie weitere Bücher von C.S. Lewis können im kathShop bestellt werden.
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