Der ‘FC Guardia’ – ein Fussballclub im Vatikan
Im Vatikan hat der Ballsport Heimrecht
Im Vatikan hat der Ballsport Heimrecht. Vor allem die Leibwächter des Papstes haben daran ihren Anteil.
Von Ulrich Nersinger
Rom, kath.net, 8- Juli 2014
Seinen wohl glanzvollsten Auftritt im Vatikan erlebte der Fussballsport im Jahre 1521. In diesem Jahr fand eine Partie des “calcio fiorentino”, des “Florentiner Fussballs”, im Belvederehof des päpstlichen Palastes statt. Vom Borgiaturm aus verfolgte Papst Leo X. (Giovanni de’ Medici, 1513-1521), ein gebürtiger Florentiner, das Spiel. Das Spiel war in Florenz ursprünglich den obersten Adelsschichten vorbehalten gewesen; man spielte es daher im Livree oder im Kostüm.
Der “calcio fiorentino” war ein sehr männlicher Sport, der mit harten Bandagen durchgeführt wurde. In manchen Vorgangsweisen erinnerte er mehr an das heutige Rugby als an das uns vertraute Fussballspiel. Drei Päpste haben sich in ihrer Jugend am “calcio fiorentino” beteiligt, allesamt Florentiner: Zwei von ihnen waren Mitglieder der Familie der Medici (Klemens VII., 1523-1534, und Leo XI., 1605), einer gehörte dem Adelsgeschlecht der Barberini an (Urban VIII., 1623-1644).
Für lange Zeit verschwand dann der Fussball aus der Residenz des Papstes – bis fast vierhundert Jahre später aus dem Umfeld des Heiligen Vaters neue Impulse kamen. Zu den Fussball-Pionieren des Vatikans wurden die Schweizergardisten. Schon 1924/25 gab es eine Art “FC Guardia Svizzera”, vermutlich liegen die Ursprünge einer Spielvereinigung sogar schon im 19. Jahrhundert. Offiziell begründet wurde der “FC Guardia” im Jahre 1975 von Roman Fringeli.
Der Club spielt gegen andere vatikanische Mannschaften. “Ruhmreiche” Siege gab es im “Kampf” gegen auswärtige Mannschaften, unter anderen gegen das “North American College”, das Priesterseminar der USA in Rom. Im Dezember 1980 fegte man das Team der Deutschen Botschaft mit 9 : 0 vom Platz! In den 70er Jahren reifte im Staat des Papstes der Entschluss heran, eine eigene vatikanische Fussball-Liga aufzustellen. Und sie kam auch zustande.
Seitdem kämpfen unter anderen die Schweizergarde, die Gendarmerie, Mitarbeiter von Radio Vatikan, Angestellte der Vatikanischen Museen und des “Osservatore Romano” regelmässig um einen Pokal. Sergio Valcio, Mitbegründer der Liga, erklärte damals: “Wir mussten etwas für die körperliche Fitness der Vatikan-Mitarbeiter tun. Ausserdem wollten wir das Gemeinschaftsgefühl unter den Angestellten fördern.”
Bei der Aufstellung einer echten Nationalmannschaft nach “FIFA”-Vorgaben musste der Vatikanstaat bisher leider passen. Die Nationalspieler hätten alle die Staatsbürgerschaft des Vatikans vorweisen müssen. Und diese besitzen nur die Schweizergardisten. Das Kommando der Garde teilte schon vor Jahrzehnten zu seinem Leidwesen mit, dass es aus dienstlichen Gründen unmöglich sei, elf oder mehr Leute auf längere Zeit hierfür freizustellen.
Der Dienst geht vor. Das zeigte sich beispielsweise im Heiligen Jahr 2000. “Wir mussten verschiedenen Mannschaften, welche gegen uns gerne ein Freundschaftsspiel ausgetragen hätten, absagen oder sie auf das kommende Jahr vertrösten”, berichtet Hauptmann Frowin Bachmann, “vor allem Vereine aus Österreich, Deutschland und natürlich aus der Schweiz verbinden gerne eine Vereinsreise nach Rom mit einem Fussballspiel gegen die Schweizergarde.”
Die zahlreichen Verpflichtungen im Jubeljahr wirkten sich auch auf die Teilnahme des “FC Guardia” an der vatikanischen Fussballmeisterschaft aus: “Von 16 teilnehmenden Mannschaften beendeten wir die Meisterschaft auf dem 9. Rang. Was wir jedoch auch in diesem Jahr wieder erobern konnten war der Fairplay Pokal welchen wir schon im vergangenen Jahr ins Gardequartier entführen konnten. Ist doch auch eine schöne Auszeichnung!”
Berühmt-berüchtig ist stets das Derby der Schweizer gegen die “Gendarmeria”, das Polizeikorps des Vatikanstaates, bei denen es nicht wenige gelbe und rote Karten hagelt. “‘Gli Svizzeri’ galten und gelten noch heute als physisch überlegen, jedoch lässt oft die Technik zu wünschen übrig – vielleicht auch ein Grund dafür, dass es für den FC Guardia noch nie für den Titel gereicht hat”, kommentiert man gardeintern.
Am 4. Juli 2010 flogen 18 hochmotivierte Fussballer des “FC Guardia”, versehen mit dem Reisesegen des Gardekaplans, zu einem Auslandsmatch nach Budapest (Ungarn). Von der Partie vermeldete Hellebardier Mauro Preite später: “Wir hatten für unsere Verhältnisse eine schöne kompakte und solide Viererkette aufgestellt, welche aufgrund der hohen Geschwindigkeit und Kraft unseres Gegners leider in siebzig Minuten Spielzeit doch ganze acht Mal überrascht wurde. Hellebardier Kaufmann konnte dann doch noch den Ehrentreffer erzielen, so dass es beim Schlusspfiff bei 1:8 stand.”
2010 brachte das Schweizer Fernsehen in der letzten Dezember-Sendung der “Sportlounge” eine Reportage über den “FC Guardia”. 2011 hiess es im “Schweizergardist“, der Zeitschrift der Schweizergarde: “Zurzeit besteht das Kader des FC Guardia aus rund 20 Spielern, die alle auf freiwilliger Basis von Oktober bis April fast wöchentlich einen Match absolvieren. Da sich in jedem Geschwader fussball-begeisterte Gardisten befinden, ist unmöglich, immer mit der derselben Mannschaft anzutreten. Daher rührt vielleicht auch der Tabellenplatz des FC Guardia in dieser Saison, der im Moment noch im unteren Viertel steht.”
Kurz vor der Fussballmeisterschaft 2014 in Brasilien kam es zu einem Sieg gegen eine Klerikerauswahl aus Bayern, der Heimat des emeritierten Papstes Benedikt XVI. An den Weltmeisterschaftsspielen auf dem südamerikanischen Kontinent können die Leibwächter des Heiligen Vaters durch ein “Public Viewing” in der Kaserne der Schweizergarde teilnehmen. Der Einladung eines Gardisten an seinen obersten Dienstherrn, die Partie “Argentinien – Schweiz” dort mitzuverfolgen, soll Papst Franziskus mit einem Lächeln eine Absage erteilt haben – zu sehr kämen dann Emotionen ins Spiel, so der Heilige Vater.
Schreibe einen Kommentar