Willkommenszeremonie Flughafen Ben Gurion
Ansprache von Papst Franziskus
Quelle: Vatikan
Pilgerreise ins Heilige Land aus Anlass des 50. Jahrestags der Begegnung zwischen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras in Jerusalem
(24.-26. Mai 2014)
Willkommenszeremonie
Ansprache von Papst Franziskus
Internationaler Flughafen Ben Gurion (Tel Aviv)
Sonntag, 25. Mai 2014
Herr Präsident,
Herr Premierminister,
Eminenzen, Exzellenzen,
meine Damen und Herren,
Brüder und Schwestern,
ich danke Ihnen herzlich für den Empfang im Staat Israel, den ich zu meiner Freude auf dieser meiner Pilgerreise besuchen kann. Dem Präsidenten, Herrn Shimon Peres, und dem Premierminister, Herrn Benjamin Netanyahu, bin ich dankbar für die freundlichen Worte, die sie an mich gerichtet haben; gerne erinnere ich mich an die Begegnungen, die ich mit ihnen im Vatikan hatte. Wie Sie wissen, komme ich als Pilger fünfzig Jahre nach der historischen Reise Papst Pauls VI. hierher. Seit damals hat sich zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel vieles geändert: Die diplomatischen Beziehungen, die schon seit zwei Jahrzehnten zwischen uns bestehen, haben die Zunahme guter und herzlicher Kontakte ermöglicht, wie die beiden bereits unterzeichneten und ratifizierten Abkommen sowie das, was kurz vor seinem Abschluss steht, bezeugen. In diesem Geist richte ich meinen Gruss an das ganze Volk Israels und wünsche, dass sein Streben nach Frieden und Wohlstand Verwirklichung findet.
Auf den Spuren meiner Vorgänger bin ich als Pilger ins Heilige Land gekommen, wo sich eine Geschichte mehrerer Jahrtausende entfaltet hat und die hauptsächlichen Ereignisse stattgefunden haben, die mit dem Entstehen und der Entwicklung der drei grossen monotheistischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – verbunden sind; deshalb ist es ein geistiger Bezugspunkt für einen grossen Teil der Menschheit. Ich wünsche mir also, dass dieses gesegnete Land ein Ort sei, in dem es für eine Instrumentalisierung und Überbetonung der eigenen Religionszugehörigkeit, die zu Intoleranz und Gewalt gegen die anderer führt, keinen Raum gibt.
Während dieser meiner Pilgerreise im Heiligen Land werde ich einige der sinnreichsten Orte von Jerusalem besuchen, dieser Stadt von universaler Bedeutung. Jerusalem heisst “Stadt des Friedens”. So will Gott sie, und dass sie so sei, wollen alle Menschen guten Willens. Doch leider ist diese Stadt noch geplagt von den Folgen langer Konflikte. Wir alle wissen, wie dringend die Notwendigkeit des Friedens nicht nur für Israel, sondern auch für die gesamte Region ist. Es mögen sich darum die Bemühungen und die Energien vervielfachen, um zu einer gerechten und dauerhaften Beilegung der Konflikte zu gelangen, die so viel Leid verursacht haben. Vereint mit allen Menschen guten Willens bitte ich inständig alle Verantwortungsträger, nichts unversucht zu lassen auf der Suche nach unparteiischen Lösungen der komplexen Schwierigkeiten, so dass Israelis und Palästinenser in Frieden leben können. Mutig und unermüdlich muss immer neu der Weg des Dialogs, der Versöhnung und des Friedens beschritten werden. Eine Alternative gibt es nicht. Darum erneuere ich den Aufruf, den Benedikt XVI. von diesem Ort ausgehen liess: “Es möge allgemein anerkannt werden, dass der Staat Israel das Recht hat, zu existieren und Frieden und Sicherheit innerhalb international vereinbarter Grenzen zu geniessen. Ebenso möge anerkannt werden, dass das palästinensische Volk ein Recht auf eine souveräne, unabhängige Heimat, auf ein Leben in Würde und auf Reisefreiheit hat. Die Zwei-Staaten-Lösung möge Wirklichkeit werden und nicht ein Traum bleiben” (Ansprache von Papst Benedikt XVI., Internat. Flughafen “Ben Gurion” – Tel Aviv , 15. Mai 2009).
Ein besonders bewegender Moment meines Aufenthalts in Ihrem Land wird der Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem sein, in Erinnerung an die sechs Millionen Juden, die Opfer der Shoah wurden – eine Tragödie, die ein Symbol dafür bleibt, wie weit die Ruchlosigkeit des Menschen gehen kann, wenn er, durch falsche Ideologien angestiftet, die grundlegende Würde eines jeden Menschen vergisst, der eine absolute Achtung gebührt, gleich welchem Volk der Mensch angehört und welche Religion er bekennt. Ich bete zu Gott, dass ein solches Verbrechen, dem in erster Linie Juden und auch viele Christen und andere zum Opfer gefallen sind, niemals mehr geschehe. Immer der Vergangenheit eingedenk, wollen wir eine Erziehung fördern, in der die Ausschliessung und die Auseinandersetzung der Einbeziehung und der Begegnung weichen, wo kein Platz ist für Antisemitismus, in welcher Form auch immer er sich zeigt, sowie für jeden Ausdruck der Feindseligkeit, der Diskriminierung oder der Intoleranz gegenüber Menschen und Völkern. Mit tief betrübtem Herzen denke ich an die, welche gestern in dem grausamen Attentat in Brüssel ihr Leben verloren haben. Indem ich erneut meine tiefe Missbilligung für diese kriminelle Tat antisemitischen Hasses zum Ausdruck bringe, vertraue ich dem barmherzigen Gott die Opfer an und erbitte den Verletzten die Heilung.
Die Kürze der Reise beschränkt unvermeidlich die Möglichkeiten zur Begegnung. Von hier aus möchte ich alle israelischen Bürger grüssen und ihnen meine Nähe bekunden, besonders denen, die in Nazareth und in Galiläa leben, wo es auch viele christliche Gemeinden gibt.
An die Bischöfe und an die Christgläubigen richte ich meinen brüderlichen und herzlichen Gruss. Ich ermutige sie, voll Vertrauen und Hoffnung ihr friedvolles Zeugnis zugunsten von Versöhnung und Vergebung fortzuführen, indem sie der Lehre und dem Beispiel Jesu, des Herrn, folgen, der sein Leben für den Frieden der Menschen, sei es mit Gott, sei es untereinander, hingegeben hat. Seid ein Sauerteig der Versöhnung, Hoffnungsbringer und Zeugen der Liebe. Wisst, dass ihr immer in meinen Gebeten seid.
Ich möchte an Sie, Herr Präsident, und an Herrn Präsidenten Mahmoud Abbas eine Einladung richten, gemeinsam mit mir ein intensives Gebet zu erheben und von Gott das Geschenk des Friedens zu erflehen. Ich biete mein Haus im Vatikan an, um dieses Gebetstreffen zu beherbergen. Alle ersehnen wir den Frieden; viele Menschen bauen ihn täglich mit kleinen Gesten auf; viele leiden und nehmen geduldig die Mühe auf sich, immer wieder zu versuchen, Frieden zu schaffen. Und alle – besonders diejenigen, die in den Dienst ihres eigenen Volkes gestellt sind – haben wir die Pflicht, uns zu Werkzeugen und Urhebern des Friedens zu machen, vor allem im Gebet. Frieden zu schaffen ist schwierig, aber ohne Frieden zu leben, ist eine Qual. Alle Männer und Frauen dieses Landes und der ganzen Welt bitten uns, ihr brennendes Verlangen nach Frieden vor Gott zu tragen.
Herr Präsident, Herr Premierminister, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen noch einmal für Ihren Empfang.
Mögen Frieden und Wohlstand reichlich auf Israel herabkommen. Gott segne sein Volk mit Frieden!
Shalom!
© Copyright – Libreria Editrice Vaticana
Schreibe einen Kommentar