Wieder kommt ein Franziskus

Es ist nun einmal so: Keinen religiösen Führer in der Welt beäugen die Medien bei seinen Auslandsreisen so wie den Papst

Hl. FranziskusDie Tagespost, 23. Mai 2014, von Guido Horst
Hl. Franziskus von Assisi

Das gilt besonders dann, wenn dieser nicht nur die Wiege des Christentums besucht, sondern ein Pulverfass, wo sich religiöse, politische und kulturelle Konflikte in einer explosiven Weise mischen, wie das an keinem anderen Ort der Welt dauerhaft der Fall ist. Keinen dieser Konflikte wird Franziskus lösen können. Im Vorfeld der Visite war jetzt viel von Impulsen, Signalen und Zeichen der Hoffnung die Rede. Mehr ist einfach nicht drin. Nach dem Besuch wird man bilanzieren können, wie sich die Stellschrauben einiger offener Fragen vielleicht ein wenig bewegt haben: im Verhältnis Roms zum Staat Israel und zu den Palästinensern, in der Ökumene mit der Orthodoxie, in einigen ganz praktischen Fragen der Bewegungsfreiheit und Rechtssicherheit für die Christen der Region.

Bevor der Besuch am Montagabend zu Ende geht, sollte man aber nochmals in den Blick nehmen, welche ungeheuren Spannungen auf dem Nahen Osten lasten und um welche Zeiträume es da überhaupt geht.

Die beiden muslimischen Heiligtümer Felsendom und Al Aqsa-Moschee, die auf dem wiederum den Juden heiligen Tempelberg liegen, auf dem Salomo vor dreitausend Jahren den ersten Tempel errichtet hat, wie auch neuerdings der Streit zwischen Christen und orthodoxen Juden um den Ort, wo sowohl das Grab Davids wie auch der Abendmahlssaal Christi verehrt werden, zeigen beispielhaft, wie im Heiligen Land Schicksalsfragen der Menschheit auf unheilige Weise und unentwirrbar miteinander verwoben sind. Sie haben heilsgeschichtliche Ausmasse: Im Nahen Osten wurde der abrahamitische Glaube an den einen Gott geboren – und ist dort wieder auseinandergebrochen: Es ist, dem heiligen Paulus folgend, katholische Auffassung, dass die jüdisch-christliche Trennung erst am Ende der Zeiten überwunden wird. Aus dieser Spaltung ist der für Christen und Juden “häretische” Islam entstanden, irgendwo im arabischen Raum vor anderthalbtausend Jahren. Erst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, also fast 2 000 Jahre nach Entstehung des Christentums, hat die katholische Kirche überhaupt eine Sprache und Begrifflichkeiten gefunden, um mit diesen heilsgeschichtlichen Gräben umzugehen – nicht mit Feuer und Schwert, sondern mit Geist und Verstand. Nimmt man jetzt noch die innerchristlichen Zerwürfnisse hinzu, wie sie etwa im – was die Zuständigkeiten angeht – Flickenteppich der Jerusalemer Grabeskirche augenfällig sind, mag einem das Heilige Land wie ein religionsgeschichtliches Knäuel vorkommen, das der Mensch nicht lösen kann.

Aber in diesem Knäuel gibt es goldene Fäden. Anfang des dreizehnten Jahrhunderts besuchte Franz von Assisi den Sultan, und sein Orden erhielt die Erlaubnis, im Heiligen Land eine Kustodie zu errichten. Das trägt bis heute. Jetzt kommt wieder ein Franziskus. An der Seite sein Freund, der Rabbi aus Buenos Aires, und auch ein Muslim ist im päpstlichen Gefolge. Der Papst legt Zeugnis dafür ab, dass die Kirche nach bitteren Jahrhunderten gelernt hat, Spannungen friedvoll auszuhalten.

Genau dieses Zeugnis braucht der Nahe Osten.

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