Priesterlich, nicht klerikal
Wenn Franziskus frei spricht, doziert oder predigt er nicht, sondern öffnet sein Herz
Die Tagespost, 16. Mai 2014
Von Guido Horst
Wenn Franziskus frei spricht, doziert oder predigt er nicht, sondern öffnet sein Herz. Das gilt besonders, wenn er wie am Montag mit gerade geweihten oder zukünftigen Priestern zusammengetroffen ist (siehe Seiten 13 bis 15). Dass der so genannte “geistliche Stand” dem Papst besonders wichtig ist, hat sich im Vatikan und in römischen Kreisen längst schon herumgesprochen.
Ob es sich um Seminaristen, Priester, Bischöfe oder Kardinäle handelt: Franziskus hat ihnen etwas zu sagen – zu lange war er Jesuiten-Provinzial, Rektor von kirchlichen Kollegien und dann im geistlichen Hirtenamt, ohne sich hinter den Mauern einer bischöflichen Residenz vor den Menschen zu verschliessen.
Dass der Papst Angst hat vor einer selbstbezüglichen Kirche, die in sich und für sich lebt, weiss man seit der kurzen Ansprache von Kardinal Jorge Mario Bergoglio im Vorkonklave 2013. Dass er sich von den Kardinälen einen nüchternen, einfachen und schlichten Geist des Dienens wünscht, hat man in seinem Brief an die neu ernannten Purpurträger vom 12. Januar dieses Jahres gelesen. Und zu Seminaristen und Priestern hat er häufiger schon gesprochen.
Den Klerus der Diözese Rom bat er am vergangenen 6. März, keine “aseptischen Priester“ zu sein, sondern ein mitleidiges und barmherziges Herz zu haben. Bei allen diesen Ermahnungen geht es Franziskus um die innere Haltung, um den Geist, mit dem jemand in der Nachfolge Jesu Christi sein geistliches Amt ausübt. Wenn er jetzt die Jungpriester und Seminaristen direkt bei der ersten ausführlichen Antwort vor einem “akademischen Purismus“ warnt, der den Priester dazu führen könnte, in eine krank machende Ideologie abzugleiten, will er damit nicht sagen, dass die auszubildenden Theologen nicht fleissig und ernsthaft studieren sollen. Er zielt vielmehr darauf ab, wie die “akademische Säule” mit den drei anderen Säulen der priesterlichen Ausbildung verbunden ist: dem apostolischen, dem gemeinschaftlichen und einem tiefen geistlichen Leben.
Der Klerikalismus, den der Papst hierbei als abschreckendes Beispiel vor Augen hat, besteht nicht darin, dass ein Kleriker Priesterkleidung trägt oder gregorianische Choräle singen kann, sondern in der – wie er es als Kardinal im Vorkonklave formulierte – “geistlichen Weltlichkeit“: Sich die theologische Ausbildung und die kirchlichen Strukturen zu einem Sockel zu machen, auf dem man wie ein Säulenheiliger steht und glänzt – aber leider nur, um sich selber zu gefallen und für besonders wichtig zu halten. Dieser Klerikalismus stösst die Menschen ab. Und ist das Gegenteil von dem, was es heisst, Priester zu sein.
Schreibe einen Kommentar