Ökumene mit Putin statt Papst

Niemand erwartet, dass der ökumenische Dialog einfach ist

Die  Tagespost, 07.04.2014, Autor Stephan Baier

Niemand erwartet, dass der ökumenische Dialog einfach ist. Das christliche Ringen um Einheit in Wahrheit und Liebe bleibt herausfordernd und hürdenreich. Wenn es einem Partner aber nicht mehr um Wahrheit und Liebe, sondern um Propaganda und Politik geht, dann wird Ökumene unmöglich, weil die Konfessionen keine Parteien sind, die Koalitionsverhandlungen führen. Darum muss man dem Aussenamtschef der russisch-orthodoxen Kirche, Metropolit Hilarion, die “gelbe Karte” zeigen, denn er hat in propagandistischer Verdrehung von Tatsachen der mit Rom unierten griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine vorgeworfen, “einen Kreuzzug gegen die Orthodoxie begonnen” zu haben.

Den “Unierten” in der Ukraine hält Hilarion vor, mit “orthodoxen schismatischen Gruppen“ zusammenzuarbeiten und so ein Treffen von Papst Franziskus mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill zu sabotieren: “Wir müssen warten, bis die neu zugefügten Wunden geheilt sind.“

Das ist Demagogie auf mehreren Ebenen: Auf der weltkirchlichen Ebene, weil Hilarion genau weiss, wie opferbereit Rom am Kontakt mit der Orthodoxie, gerade mit der grössten orthodoxen Kirche, dem Moskauer Patriarchat, arbeitet, und wie sehr bereits Johannes Paul II. an der kühlen Ablehnung des Moskauer Patriarchen litt, wie viel materielle Unterstützung er als brüderliches Zeichen der russischen Orthodoxie zukommen liess. Demagogie auch auf lokalkirchlicher Ebene, weil in der Ukraine alle Konfessionen – einschliesslich der Vertreter des Moskauer Patriarchats – im Gesamtukrainischen Rat der Kirchen zusammenarbeiteten. Alle Kirchen stellten sich auf die Seite des “Maidan“, gegen den Autokraten Janukowitsch, nur die Vertreter des Moskauer Patriarchats agierten gespalten und widersprüchlich. Darum sind sie im Wettstreit der drei orthodoxen Kirchen in der Ukraine jetzt ins Hintertreffen geraten, nicht wegen der “Unierten“. Demagogisch sind Hilarions Vorwürfe auch aus historischer Sicht, denn es war das Moskauer Patriarchat, das sich ab 1946 in enger Kollaboration mit Stalin um die Vernichtung der griechisch-katholischen Kirche bemühte. Zehn der elf unierten Bischöfe und hunderte Priester kamen in sowjetischen Arbeitslagern elend ums Leben, während Moskau eine “freiwillige Rückkehr (der Unierten) in den Schoss der Russisch-Orthodoxen Kirche“ feierte. Schon damals erfüllte das Moskauer Patriarchat die Agenda der Politik, die eine Trennung der Gläubigen vom Papst und die Zerstörung des ukrainischen Nationalbewusstseins anstrebte.

Hilarion scheint die gleiche Agenda zu verfolgen: Er stützt die Propaganda Putins, der die Regierenden in Kiew als nationalistische Putschisten verleumdet. Indem Hilarion Rom zu suggerieren versucht, die Existenz der unierten Ukrainer sei ein ökumenisches “Hindernis“ und blockiere ein Treffen des Papstes mit Kyrill, treibt er einen Keil zwischen Rom und die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine. Wenn Putin und Hilarion Recht hätten, wenn es einen ukrainischen “Kreuzzug gegen die Orthodoxie“ gäbe und die Menschenrechte der Russischstämmigen in Gefahr wären, dann könnte die zivilisierte Welt eine “humanitäre Intervention“ Russlands kaum verurteilen. Putin und sein Patriarch halten die Ukraine für ihr “kanonisches Territorium“. Sucht Russlands Orthodoxie die Ökumene mit Putin statt mit dem Papst?

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