24 Stunden für den Herrn: “Wer ist ohne Sünde? Niemand”
Bei der Bussliturgie am Freitag im Petersdom legte Papst Franziskus selber die Beichte ab
Quelle
KathTube: Bussfeier mit Papst Franziskus
Neuanfang auf den Knien: Papst Franziskus geht den Gläubigen im Beichtstuhl mit gutem Beispiel voran.
Rom, DT/KNA, 31. März 2014, von Guido Horst
Da hat Guido Marini etwas verdutzt geschaut. Der päpstliche Zeremonienmeister hatte Franziskus soeben zu dem Beichtstuhl geführt, in dem der Papst selber nach der Bussliturgie am Freitagnachmittag einer kleinen Gruppe von Gläubigen die Beichte abnehmen sollte.
Doch Franziskus schob Marini zur Seite und ging einen Beichtstuhl weiter, kniete sich vor den Priester und legte selber erst einmal die Beichte ab. Das hatte man noch nie gesehen: Einen Papst, der im Petersdom vor laufenden Kameras und damit vor den Augen der Weltöffentlichkeit das Sakrament der Busse empfängt.
Drei Minuten das Sündenbekenntnis, dann die Absolution – und Franziskus nahm nun in seinem eigenen Beichtstuhl Platz, um zunächst einer jungen Frau die Beichte abzunehmen. Sechs weitere Gläubige folgten.
Ob es abgesprochen war oder nicht: Jedenfalls ahmten auch Kardinäle, Bischöfe und Vatikanprälaten das Beispiel von Franziskus nach und empfingen das Busssakrament. So begannen am Freitag die “24 Stunden für den Herrn“, eine Initiative des Päpstlichen Rats für die Neuevangelisierung, der sich viele Diözesen in der Welt angeschlossen hatten. In Rom waren es neben dem Petersdom drei Kirchen in der Innenstadt, wo die Nacht hindurch eine eucharistische Anbetung stattfand und die Beichtstühle offen standen – bis zum Samstagnachmittag.
Ohne Kreuzstab war Franziskus im violetten Messgewand zu dem einfachen Bussgottesdienst in die Vatikanbasilika eingezogen. Vor dem Schlusssegen begannen dann sechzig Priester, den Gläubigen die Ohrenbeichte abzunehmen, in den Beichtstühlen des Petersdoms oder auf einfachen Stühlen sitzend. “Sich zu bekehren“ hatte Franziskus zuvor in seiner kurzen Predigt gesagt, “ist keine Frage eines Augenblicks oder einer Zeitspanne im Jahr, es ist eine Aufgabe, die das gesamte Leben lang dauert. Wer von uns kann von sich behaupten, kein Sünder zu sein? Niemand.” Der Apostel Johannes habe geschrieben: “Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht.”
Genau das geschehe auch in dieser Feier und an diesem ganzen Busstag, sagte der Papst. Das Wort Gottes der heutigen Bussliturgie stelle zwei wesentliche Elemente des christlichen Lebens vor. “Der erste ist: Zieht den neuen Menschen an. Der neue Mensch, nach dem Bild Gottes geschaffen, wird in der Taufe geboren. Dort empfangen wir das Leben von Gott, der uns zu seinen Kindern macht und der uns in Christus in seine Kirche aufnimmt. Dieses neue Leben erlaubt uns“, so Franziskus weiter, “die Wirklichkeit mit anderen Augen zu sehen, nicht mehr abgelenkt zu sein von unwichtigen Dingen und Dingen, die keine Dauer haben. Deswegen sind wir gerufen, das sündige Verhalten abzulegen und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren.”
Das sei der Unterschied zwischen dem deformierten Leben eines Sünders und dem erleuchteten Leben der Gnade, fuhr der Papst fort. Aus dem in Gott erneuerten Herzen des Menschen komme gutes Tun: “Immer in der Wahrheit sprechen und Lügen vermeiden; nicht rauben, besonders aber das teilen, was man hat, vor allem mit den Bedürftigen; nicht in Zorn verfallen, in Groll und Rache, sondern sanft sein, grossherzig und schnell im Vergeben. Nicht in üble Nachrede verfallen, die den guten Ruf der Menschen ruiniert, sondern verstärkt auf die guten Seiten jedes Menschen schauen.“
Das zweite Element aus den Lesungen des heutigen Tages nannte Franziskus “In der Liebe bleiben“. Die Liebe Christi währe für immer, sie habe kein Ende, weil sie das Leben Gottes selber sei. Diese Liebe besiege die Sünde und gebe Kraft, aufzustehen und neu anzufangen, weil durch die Vergebung das Herz erneuert und verjüngt werde. “Unser Vater wird niemals müde, zu lieben, und seine Augen werden nie müde, dabei auf die Strasse zu schauen, auf der der Sohn, der weggegangen ist und verloren war, zurückkehrt.“ In dem Masse, in dem Christen diese Liebe lebten, würden sie in der Welt glaubwürdige Zeugen Christi, sagte Franziskus. “Die Liebe kann nicht ertragen, in sich selbst abgeschlossen zu sein. Durch ihre Natur ist sie offen, verbreitet sich und ist fruchtbar, sie schafft immer neue Liebe.“
Nach der “öffentlichen Papstbeichte“ im Anschluss an die Bussliturgie dann eine weitere Premiere am Samstagmittag: Zum ersten Mal fand in der grossen Halle Pauls VI. eine Papstaudienz für blinde und gehörlose Menschen statt. Etwa hundertfünfzig Blinde und um die sechstausend Taubstumme jeweils mit ihren Angehörigen oder Begleitern füllten die Audienzhalle. Papst Franziskus wandte sich am Samstag gegen jede Form der Ausgrenzung und verlangte eine stärkere Integration. Man müsse eine “Kultur der Begegnung“ schaffen. Die Kirche folge dem Beispiel Jesu, der Kranke und Behinderte liebte und ihnen ihre volle Würde zurückgeben wollte. Daher sollten und könnten gerade auch Blinde und Taubstummen in besonderer Weise “Zeugen einer neuen Haltung, einer Kultur der Begegnung“ sein. “Nur wer seine eigene Gebrechlichkeit und seine Grenzen anerkennt, kann brüderliche und solidarische Beziehungen aufbauen“, sagte der Papst. Jesus wollte ganz besonders Menschen mit Behinderungen begegnen, die ausgegrenzt oder missachtet wurden, betonte der Papst. Eindringlich wandte er sich gegen Behauptungen oder Vermutungen, Behinderungen seien eine Strafe Gottes. Dies zu behaupten sei “blasphemisch“, Jesus habe diese Art des Denkens radikal abgelehnt, unterstrich der Papst. Im Gegenteil wollte er, dass sie Zeugen Gottes für ein Leben der Liebe und des Erbarmens seien. Denn kranke und behinderte Menschen könnten gerade aufgrund ihrer körperlichen Grenzen in besonderer Weise eine Kultur der Begegnung bezeugen.
Die Audienz war von der Apostolischen Blinden-Bewegung und der Kleinen Mission der Taubstummen organisiert worden. Die meisten Teilnehmer waren von Familienangehörigen, Helfern und Gebärdendolmetschern begleitet. Viele Personen mit Sehstörungen hatten ihren Blindenhund dabei. Zu Beginn der Begegnung berichteten zwei Betroffene über ihre Erfahrungen von Ausgrenzung in der Gesellschaft, aber auch in den Pfarreien aufgrund von Kommunikationsproblemen. Es gebe zu wenig Geistliche oder pastorale Mitarbeiter, die die Gebärdensprache beherrschten.
Nach dem kurzen offiziellen Teil der Audienz begrüsste Papst Franziskus viele Kranke persönlich.
Mit Material von KNA
Schreibe einen Kommentar