Rom nimmt Familie in den Fokus
Franziskus: Familie wird gering geschätzt und schlecht behandelt
– Kardinal Kaspers Fragen zu den Wiederverheirateten. Von Guido Horst
Rom, Die Tagespost, 21. Februar 2014
Das Thema der Kommunionzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen ist nun endgültig in Rom angekommen. Nicht in Form von Auswertungen der Umfragen zur Vorbereitung der beiden kommenden Bischofssynoden 2014 und 2015 durch die nationalen Bischofskonferenzen, sondern in Form eines ausführlichen Grundsatzreferats, mit dem der deutsche Kardinal Walter Kasper am Donnerstag in die zweitägigen Beratungen des “roten Senats” des Papstes eingeführt hat. Es war die erste Zusammenkunft der Purpurträger aus aller Welt nach der Generalversammlung Anfang März vergangenen Jahres, die dem Konklave und der Wahl von Papst Franziskus vorangingen.Ein knappes Jahr nach seinem Amtsantritt wollte der Jesuit und Lateinamerikaner auf dem Petrusstuhl eine Aussprache mit seinen Kardinälen. Das Thema der kommenden Synoden, die Ehe- und Familienpastoral, stand bei dem vertraulichen Teil des Kardinalskonsistoriums, der gestern Abend endete und heute in den öffentlichen Teil mit der Erhebung von neunzehn Erzbischöfen und verdienten Kirchenmännern in den Kardinalsstand weitergeht, im Vordergrund, war aber auch Gelegenheit, andere drängende Fragen wie etwa die Reform der römischen Kurie zur Sprache zu bringen.
Papst Franziskus zog am Mittwochmorgen nicht in die Synodenaula ein, nachdem sich die Kardinäle dort versammelt hatten, sondern er war etwas früher gekommen und begrüsste jeden Purpurträger einzeln am Eingang zur Aula. Seine kurze, aber deutliche Ansprache zur Eröffnung der Beratungen (im Wortlaut auf Seite 6) zeichnete das Bild einer Familie, die “heute gering geschätzt” und “schlecht behandelt” werde. Aufgabe der Kirche – und jetzt der Kardinalsberatungen – sei es, “den leuchtenden Plan Gottes über die Familie hervorzuheben und den Eheleuten zu helfen, ihn mit Freude in ihrem Leben umzusetzen, indem wir sie in vielen Schwierigkeiten begleiten”.
Eine dieser Schwierigkeiten sprach dann Kardinal Kasper in seinem Vortrag an: die der gescheiterten Ehe und einer möglichen zivilen Wiederverheiratung. Aber Kasper sprach nicht nur darüber. In seinem zweistündigen Referat habe der Kardinal die Notwendigkeit betont, das Evangelium für die Familien wiederzuentdecken, erläuterte Vatikansprecher Federico Lombardi SJ am Donnerstagmittag vor Journalisten. Dabei sei es auch um die Frage des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen gegangen, die nach kirchlichem Recht nicht die Eucharistie empfangen dürfen. Kasper habe den grosen Wert der Ehe für die Kirche unterstrichen, der ebenso wie die Barmherzigkeit in den Worten Jesu klar zum Ausdruck komme. Die “Wahrheit“ der Familie überzeuge durch ihre “Schönheit”, wie sie das Evangelium zeige, so der deutsche Kardinal. Ein zentraler Punkt in Kaspers Vortrag sei Lombardi zufolge der Gedanke einer “Hauskirche” gewesen, die in der Familie Gestalt annehme. Es müsse für die Kirche darum gehen, Familien angemessen zu begleiten, so wie Familien die Kirche begleiten sollten. Weitere Themen seien unter anderem die Rolle der Frauen und Mütter in der heutigen Zeit sowie der Umgang mit dem Tod gewesen, sagte Lombardi.
Einem Journalisten erklärte Kasper in der Mittagspause, Papst Franziskus habe ihn vor dem Konsistorium gebeten, Fragen zu stellen und keine Lösungen anzubieten. Und es sei richtig, so Kasper, sich im Glauben Fragen zu stellen, zumal sich die Lage der Familie in der westlichen Welt sehr verändert habe. Keine Lösungen also, sondern nur Fragen – wie die der Kommunionzulassung wiederverheirateter Geschiedener –, die dann auf der kommenden Bischofssynode verhandelt würden, meinte Kasper.
Papst Franziskus hatte zuvor Kaspers Ausführungen vor dem Kardinalskollegium gewürdigt. Er habe darin “profunde Theologie“ und ein “klares Denken“ gefunden, sagte Franziskus vor den Kardinälen. In Kaspers Darlegung komme zudem das zum Ausdruck, was der heilige Ignatius von Loyola als Liebe zur Kirche, als “sensus ecclesiae“, bezeichne. Er habe dessen Vortrag noch einmal “vor dem Einschlafen, aber nicht zum Einschlafen“ gelesen, sagte der Papst. “Das hat mir gut getan und ich habe eine Vorstellung davon bekommen – verzeihen sie, Eminenz, wenn ich sie beschäme – aber ich habe eine Vorstellung davonbekommen, was es heisst, eine ‘knieende Theologie‘ zu betreiben. Danke. Danke.”
Zu den Kardinalsberatungen waren 185 Purpurträger aus Rom und der ganzen Welt erwartet worden, am Donnerstagmorgen fanden sich jedoch erst um die 150 in der Synodenaula ein. Höhepunkt des Konsistoriums wird heute im Petersdom die Verleihung des roten Biretts an die neuen Kardinäle sein. Einer fehlt, der älteste: Der 98 Jahre alte Erzbischof und ehemalige Sekretär von Johannes XXIII., Loris Capovilla, hat aus gesundheitlichen Gründen um die Erlaubnis gebeten, den Purpur zu Hause in Capo di Monte Giovanni XXIII entgegennehmen zu können. Als einziger Deutscher erhält der Glaubenspräfekt und Erzbischof Gerhard Ludwig Müller den Purpur; die aus Deutschland angereisten Gäste empfängt er heute Mittag in der Glaubenskongregation. Am Samstagnachmittag finden dann die sogenannten “visite di cortesia”, die Höflichkeitsbesuche bei den neuen Kardinälen, statt. Kardinal Müller nimmt die Gratulationen in der “Sala Ducale” des Apostolischen Palastes entgegen. Das Bayerische Fernsehen überträgt ab 10.45 Uhr live aus dem Petersdom in Rom.
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