Vom Titan zum Menschen
Die Welt sieht ihn als Menschen
Die Tagespost, 03. Januar 2014, von Stefan Meetschen
Er gilt als der beste Rennfahrer in der Geschichte der Formel 1. Als berechnender Taktiker, technischer Perfektionist und Ikone des Erfolgs. Doch seit der siebenfache Autorennweltmeister Michael Schumacher bei einem Skiunfall im französischen Meribel verunglückt ist und die ihn in der Universitätsklinik von Grenoble behandelnden Ärzte um das Leben des 45-jährigen Kerpeners kämpfen, sieht die Welt Schumacher mit anderen Augen. Sie sieht ihn als Mensch. Verwundbar, verletzlich, sterblich.
Aus dem bewunderten Titan ist seit dem Aufschlag auf den Fels, bei dem sein Helm in drei Teile zersprungen sein soll, ein bedürftiger Koma-Patient geworden. Ein Patient wie es viele gibt, nicht nur im Krankenhaus in Grenoble. Nicht nur während der Skisaison, in der, wie Experten wissen, rund 3 000 Hobbysportler bei Skiunfällen ähnliche Gehirnverletzungen wie der Deutsche erleiden, bei dem ein Schädel-Hirn-Trauma diagnostizierte wurde. Für all diese Schwerverletzten gilt trotz der enormen Fortschritte auf dem Gebiet der medizinischen Heilkunst und trotz der Unterschiede in Prominenz und medialer Aufmerksamkeit das gleiche, was der frühere österreichische Formel-1-Pilot Niki Lauda über Schumachers derzeitige Situation sagt: Allein “der liebe Gott”, so Lauda, könne Schumacher jetzt helfen.
Lauda, der fest daran glaubt, “dass da oben jemand ist, der versucht, ihm in dieser Situation” beizustehen, muss es wissen. Auf wundersame Weise überlebte der Österreicher 1976 einen schweren Unfall auf dem Nürburgring und kehrte zurück ins Leben. Ob es im Fall von Michael Schumacher auch so ausgeht, wissen wir nicht. Trotz zahlreicher Gebete für ihn, besonders in Italien, wo man den langjährigen Ferrari-Piloten quasi als Nationalhelden adoptiert hat, und trotz des überwältigenden globalen Mitgefühls ist nicht sicher, ob Schumacher wieder aus dem Koma erwachen wird. Vielleicht hat Gott für ihn auch einen anderen Plan. Die Welt, die sonst so kalt ist und fixiert auf irdische Titel, erkennt, dass unsere Ziellinie jenseits von Höchstgeschwindigkeitsrekorden liegt.
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