Der gläserne Patient
“Ich habe nichts zu verbergen”
Die Tagespost, 22. Januar 2014, von Stefan Rehder
“Wenn es irgendetwas gibt, was man nicht über Sie wissen sollte, dann sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun“, pflegt Google-Manager Eric Schmidt denen zu entgegnen, die fürchten, sie würden angesichts der Datensammelwut von Staat und Unternehmen immer gläserner. “Ich habe nichts zu verbergen”, pflegen manche von ihrer Rechtschaffenheit Überzeugte denen zu entgegnen, die fürchten, die Datenspionage der Geheimdienste sei nicht nur dem Kampf gegen den Terrorismus geschuldet.
Wie falsch Schmidt und die Rechtschaffenen liegen, zeigt jetzt der “Guardian”. Wie die Zeitung berichtet, plant der “National Health Service” die Errichtung eines Instituts, das sämtliche relevanten Gesundheitsdaten der Versicherten in einer Datenbank zusammenführen soll. Ab März wird das “Health and Social Care Information Centre” von jedem Versicherten Daten aus den Krankenakten – angefangen vom Geburtsdatum, über die Postleitzahl des Wohnorts, das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit, bis hin zu Erkrankungen und ihrem Verlauf sowie Lebensgewohnheiten, wie den Konsum von Alkohol und Tabak – zusammenführen und speichern. Damit nicht genug. Im weiteren Verlauf des Jahres sollen dann private Unternehmen die Möglichkeit bekommen, diese Daten zu erwerben und zu verwenden.
Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass Firmen diese Daten nur erwerben werden, wenn sie ihnen nutzen. Das kann mit einem Nutzen für die Versicherten einhergehen, muss es aber nicht. Und so wie sich der Kapitalismus präsentiert, werden die Versicherten wohl über jedes Geschäft froh sein dürfen, das Unternehmen mit ihren persönlichen Daten machen, ohne ihnen zusätzlich zu schaden. Dass ein Staat mit den Daten seiner Bürger Handel treibt, ist ein Problem, das über die Frage, wer ihn dazu ermächtigt, hinausgeht. Weil “mahlt, wer zahlt”, wird letztlich nicht der Staat, sondern de facto seine Kunden bestimmen, welche privaten Daten der Versicherten gesammelt werden und wie sie aufzubereiten sind. Kommt es tatsächlich soweit, garantiert selbst Rechtschaffenheit niemandem mehr einen guten Schlaf.
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