Estrela-Bericht

“Form des Kulturkampfes um Hegemonie”

Posselt: “Mehr als ein Etappensieg” – Kastler: “Keine Gelder mehr für Abtreibungsorganisationen” Von Stefan Rehder und Stephan Baier

Strassburg, Tagespost, 11. Dezember 2013

“Die EU-Kommission darf nun, wie von dem erfolgreichen europäischen Bürgerbegehren ‘One of us’ gefordert, keine Gelder mehr an Abtreibungsorganisationen geben.” Das verlangt der mittelfränkische CSU-Europaabgeordnete Martin Kastler, Vizepräsident der parlamentarischen Intergruppe Bioethik, gegenüber der “Tagespost” als Konsequenz der Abstimmung über den umstrittenen Estrela-Bericht.Am Dienstag hatte das Europäische Parlament mit 334 gegen 327 Stimmen die Entschliessung zu “sexueller und reproduktiver Gesundheit und den damit verbundenen Rechten” abgelehnt. Die Ablehnung “dieses unerträglichen Abtreibungs-Berichts” der portugiesischen Sozialistin Edite Estrela sei “ein Lichtblick für Subsidiarität, Lebensfreundlichkeit und Werte in Europa”.Laut dem CSU-Politiker haben sich die Befürworter des Estrela-Berichts mit der Niederlage jedoch keineswegs abgefunden. “Hinter den Kulissen wird Druck auf Abgeordnete der Liberalen und Grünen ausgeübt, ihr Votum vom Dienstag zurückzunehmen.” Der britische Sozialist Michael Cashman gab am Mittwoch zu Protokoll, er habe anders abgestimmt als dies verzeichnet ist. Vier weitere Europaabgeordnete liessen ihr Stimmverhalten nachträglich ändern. Dies hat laut Kastler zwar keine juristischen Folgen, zeige aber, dass es enormen Druck auf die Abgeordneten gebe. Cashman, der den britischen Konservativen am Dienstag in einer Presseerklärung vorwarf, sich “wieder” gegen die Rechte von Frauen und Homo- sowie Transsexuellen gestellt zu haben, forderte im Europäischen Parlament, die juristischen Dienste zu beauftragen, wegen des knappen Ergebnisses eine neuerliche Abstimmung über den Estrela-Bericht zu prüfen. Dies soll im Plenum in Strassburg Gejohle ausgelöst haben.

Der Münchner Europaparlamentarier Bernd Posselt (CSU) sagte im Gespräch mit dieser Zeitung: “Ich sehe durch den Abstimmungserfolg meine These bestätigt, dass das Europäische Parlament keineswegs eine antichristliche Veranstaltung ist.” Natürlich sei das Europäische Parlament auch nicht die “Heimstatt des christlichen Abendlandes. Es gleiche vielmehr einer Bühne, auf der keine der gesellschaftlich relevanten Kräfte per se die anderen dominiere und auf der deshalb gerungen werden muss”. “Wir dürfen uns daher nicht einigeln, sondern müssen kämpfen, um gestalten zu können”, so Posselt. Die Abweisung des Estrela-Berichts sei trotz seiner rechtlichen Unverbindlichkeit “sehr wichtig” gewesen, zeigte sich Posselt gegenüber der “Tagespost” überzeugt. Bei dem Estrela-Bericht habe es sich um eine “Form des Kulturkampfes” gehandelt, bei dem die Befürworter versucht hätten, “eine geistige Hegemonie” zu errichten. “Dass man sich dagegen gewandt hat, war enorm wichtig”, und der Abstimmungserfolg “mehr als ein Etappensieg”. Allerdings müsse der Kampf auch fortgesetzt werden. “In jeder Sitzungswoche wird in Entschliessungen zu Menschenrechtsfragen oder humanitären Krisen versucht, in den Texten auch die Forderung nach reproduktiven Rechten unterzubringen.” Ziel sei es, “die widerstehenden Kräfte zum Erlahmen zu bringen”.

“Beeindruckt und glücklich” zeigte sich Posselt vom Engagement der Bürger. Posselt wörtlich: “Ich habe tausende sehr persönliche E-Mails und individuelle Briefe von besorgten Bürgerinnen und Bürgern erhalten.” In keinem einzigen sei für den Estrela-Bericht Partei ergriffen worden. “Eingesetzt für den Estrela-Bericht haben sich nur bezahlte Lobbyisten.” Das Engagement der Bürger, “hat mich sehr berührt und bei vielen meiner Kollegen einen sehr positiven Eindruck hinterlassen. Wir spüren da schon einen starken Rückenwind”, so der CSU-Politiker. “Abtreibungs- und Bildungsfragen sind Sache der Mitgliedstaaten und dürfen nicht auf EU-Ebene geregelt werden”, erklärten die Europaabgeordneten Christa Klass (CDU) und Angelika Niebler (CSU) nach der Abstimmung über den “Estrela”-Bericht. “Wir freuen uns über die Ablehnung des Berichts im Plenum und das klare Votum, das die Kompetenz der Mitgliedstaaten in diesen Fragen respektiert.”

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