Religionsfreiheit statt Intoleranz
Religionsfreiheit statt Intoleranz
Martin Grichting über das Vademecum der Schweizer Bischofskonferenz
Die Römisch-katholische Kirche ist eine global tätige Religionsgemeinschaft, der 1,2 Milliarden Gläubige angehören. Die drei Millionen Katholiken in der Schweiz machen somit 2,5 Promille aus.
Die Katholische Kirche hat seit 2000 Jahren eine in ihrem theologischen Selbstverständnis begründete bischöfliche Struktur. Diese ist Teil des Glaubensbekenntnisses, was heute auch das Bundesgericht anerkennt.
Die Einheit der Kirche zu wahren,ist ein hohes Gut. Diese Einheit ist darin begründet,dass die Weltkirche aus den Teilkirchen (Diözesen) und in den Teilkirchen besteht.
Die Weltkirche ist also nicht nur wie ein Puzzle das Gesamt aller Teile. Sondern jedes Teilchen selbst muss auch widerspiegeln, was Kirche ist. Dies schliesst die bischöfliche Verfasstheit samt Leitungskompetenz ein. Zugleich muss sich die Kirche im jeweiligen Land lokal verankern, um wirksam zu sein. In diesem Spannungsfeld von Identität und Integration bewegt sich das Vademecum der Schweizer Bischofskonferenz. Es bedeutet einerseits ein Zugehen der globalen Kirche auf die lokale Schweizer Befindlichkeit,indem das staatskirchenrechtliche System nicht grundsätzlich infrage gestellt wird. Es fordert aber andererseits, dass dieses System “so ausgerichtet beziehungsweise reformiert wird, dass es dem Wesen und den Bedürfnissen der Kirche in der Schweiz auch mit Blick auf die Zukunft besser entspricht”. Somit kann dieses System für die Katholische Kirche nur unterstützenden Charakter haben, ist aber selbst nicht Kirche.
Für diese Position kann sich die Katholische Kirche auf das auch von der Schweiz unterzeichnete KSZE-Folgedokument von Wien (1989) stützen. Darin heisst es zur Religionsfreiheit: “Um die Freiheit des Einzelnen zu gewährleisten, sich zu seiner Religion oder Überzeugung zu bekennen und diese auszuüben, werden die Teilnehmerstaaten unter anderem (…) das Recht dieser religiösen Gemeinschaft achten, (…) sich nach ihrer eigenen hierarchischen und institutionellen Struktur zu organisieren, und ihr Personal in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen Erfordernissen und Normen (…) auszuwählen, zu ernennen und auszutauschen.
Gerechtigkeit besteht demnach nicht darin, allen das Gleiche zu geben, sondern jedem das Seine. Das scheint der Kirchenratspräsident der reformierten Bündner Landeskirche, Andreas Thöny, zu übersehen. Das Vademecum bezweckt, wie aus dem Untertitel unschwer erkennbar ist, das die Katholische Kirche betreffende Staatskirchenrecht an ihre Bedürfnisse anzupassen, weil es immer wieder zu Konflikten führt (Fall Röschenz). Es hat nicht zum Ziel, die Reformierten Landeskirchen zu reformieren. Wenn diese ihr Heil darin sehen, vom Staat und nach seinem Vorbild organisiert zu werden, wird die Katholische Kirche diesen Wunsch unterstützen. Sie meint aber, in Zeiten des fortschreitenden ökumenischen Miteinanders erwarten zu dürfen, dass die reformierte Landeskirche nicht so intolerant ist, der Katholischen Kirche ihre eigene reformierte Organisationsstruktur aufzwingen zu wollen. Denn die Katholische Kirche ist eben keine kantonale, sondern eine globale Institution. Und es ist die Aufgabe der Bischöfe, dafür zu sorgen, dass ihre Diözesen nicht so helvetisch werden, dass sie nicht mehr widerspiegeln, was Katholische Kirche weltweit ist.
Martin Grichting ist Generalvikar des Bistums Chur.
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