Vatikan reformiert sein Strafrecht
Motu proprio von Papst Franziskus – Vatikanbank auf dem Prüfstand
Vatikan: Motu Proprio englisch
Grosses “Reinemachen”: Vatikan
Rom, Die Tagespost, 12. Juli 2013, von Guido Horst
In einem etwas komplizierten Verfahren hat der Vatikan sein Strafrecht auf den neuesten Stand gebracht: Mit mehreren Gesetzen hat die Päpstliche Kommission für den Vatikanstaat am 11. Juli die Einzelbestimmungen des vatikanischen Strafrechtsbuchs internationalen Standards und Konventionen angepasst und mit einem Motu proprio vom gleichen Tag hat Papst Franziskus diese Gesetze auf den gesamten Heiligen Stuhl ausgeweitet. Sie gelten also für alle Einrichtungen und Organe des Vatikans, auch wenn sie nicht auf dem Territorium des kleinen Kirchenstaats liegen wie etwa die Apostolischen Nuntiaturen in der Welt oder päpstliche Einrichtungen mit extraterritorialem Sitz in Rom.
Ein ähnliches Motu proprio hatte Benedikt XVI. im Jahr 2010 verabschiedet, um die vatikanische Gesetzgebung an internationale Standards im Hinblick auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung anzugleichen.
Das geltende vatikanische Strafrecht entspricht bis heute im Wesentlichen dem alten italienischen Strafrecht von 1889, dem sogenannten Codex Zanardelli. Dieses Gesetzeswerk hatte der Vatikanstaat bei seiner Gründung 1929 übernommen. Am Donnerstag hat der Präsident des vatikanischen Gerichtshofes Giuseppe Dalla Torre (69), ein in Italien bekannter und in Rom lehrender Jurist, der auch den Prozess gegen den päpstlichen Kammerdiener Paolo Gabriele leitete, die Strafrechtsanpassungen vor Journalisten erläutert. Die Reform sei notwendig geworden, weil der Vatikan in den vergangenen Jahren zahlreichen internationalen Abkommen beigetreten sei, sagte der Jurist. Lebenslange Haft ist nun im Vatikan abgeschafft, das Höchstmass für Haftstrafen wurde auf 35 Jahre reduziert. Ausserdem führen die neuen Gesetze die direkte strafrechtliche Verantwortlichkeit von juristischen Personen ein. So könnte nun zum Beispiel die Vatikanbank IOR haftbar gemacht werden, meinte Dalla Torre. Einer Empfehlung des Komitees von Experten des Europarats gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, genannt “Moneyval”, folgend hat der Vatikan nun auch internationale strafgesetzliche Standards bei der Geldwäschebekämpfung in sein Strafrecht eingearbeitet.
Sehr wichtig bei der Anpassung an internationale Normen, so Dalla Torre weiter, seien auch ausdrückliche Bestimmungen zum Schutz von Minderjährigen vor Delikten wie Gewalt und Missbrauch. Als minderjährig gelten dabei ohne Ausnahmen Personen unter achtzehn Jahren. Namentlich genannt seien in den Reformgesetzen laut Dalla Torre “die Delikte Verkauf, Prostitution, Anwerbung und sexuelle Gewalt gegenüber Kindern sowie die Pädopornographie, der Besitz von pädopornographischem Material und sexuelle Akte mit Kindern.”
Diese Verbrechen, erklärte Dalla Torre weiter, waren bereits vor der jetzigen Reform strafbar, doch sie wurden dort weitaus allgemeiner unter dem Begriff von Gewalt gegenüber Kindern zusammengefasst. Die Präzisierung der Normen in diesem, aber auch in anderen Bereichen erlaube nun auch einen reibungsloseren internationalen Austausch bei der Verbrechensbekämpfung und Strafverfolgung. Als Reaktion auf die “Vatileaks”-Affäre ist zudem auch die Verbreitung vertraulicher Dokumente als Delikt in das Gesetzeswerk eingefügt worden. Die jetzt veröffentlichten neuen Gesetze werden ab dem 1. September mit der Veröffentlichung des Motu proprio von Papst Franziskus im “Osservatore Romano” in Kraft treten.
Wie die Papst-Zeitung gestern berichtete, ist auch die von Franziskus eingesetzte Kommission zur Berichterstattung über das vatikanische Geldinstitut IOR am Mittwoch zu ihrer ersten Sitzung zusammengetroffen. Der Papst nahm persönlich an der Zusammenkunft im Vatikan-Hotel “Sanctae Marthae” teil. Ebenfalls anwesend waren der Vorsitzende des Aufsichtsrats des IOR, der deutsche Manager Ernst von Freyberg, sowie der neue Vatikan-Prälat des Geldinstituts, Battista Ricca. Die von Papst Franziskus Ende Juni berufene Kommission aus ranghohen Kurienmitarbeitern und der Harvard-Juristin Mary Ann Glendon soll Vorschläge für eine “bessere Harmonisierung” des IOR “mit dem universalen Auftrag des Apostolischen Stuhls” erarbeiten. Der Ausschuss, der vom italienischen Kurienkardinal Raffaele Farina geleitet wird, hat unbeschränkten Zugang zu den Unterlagen der Vatikanbank.
Schreibe einen Kommentar