Die Krankheit des Vatikans
So oder so sind Papst Franziskus viele eiserne Besen zu wünschen
Verleumdungen oder Homo-Lobbys – So oder so sind Papst Franziskus viele eiserne Besen zu wünschen. Von Guido HorstVatikan, Die Tagespost, 22. Juli 2013
Zurück zur “Salus Populi Romani”:
Papst Franziskus ist am Samstagabend ganz privat zur Marienbasilika “Santa Maria Maggiore” gefahren und hat vor der berühmtesten Marien-Ikone Roms gebetet – wie damals, am Morgen nach seiner Wahl.Die mächtige Kirche auf dem Esquilin-Hügel unweit des Bahnhofs “Termini” blieb während des Aufenthalts des Papstes weiter offen; Franziskus sprach mit einigen Besuchern und bat sie, seine Reise zum Weltjugendtag in Brasilien mit “Gebeten, Vertrauen und Busse” zu begleiten.
Die gleiche Bitte richtete er nach dem Gebet des “Engels des Herrn” am Sonntagmittag an die Gläubigen auf dem Petersplatz, vor denen er die anstehenden Tage als “Woche der Jugend” bezeichnete. Der Papst dankte vom Fenster hoch oben im Apostolischen Palast für die Transparente mit der Aufschrift “Buon viaggio – Gute Reise”, die ihm einige Pilger entgegenhielten. Intensiv hat sich Franziskus im Vatikan-Hotel “Sanctae Marthae” auf den Weltjugendtag in Rio de Janeiro vorbereitet – und trägt dennoch die ganze Last mit nach Lateinamerika, die ihm der Vatikan auf die Schultern bürdet.
Italienische Zeitungen spekulieren, dass Papst Franziskus im September seinen Kardinalstaatssekretär austauschen wird. Und richtig ist, dass Kardinal Tarcisio Bertone bereits seinen Alterswohnsitz in der Nähe des Gästehauses “Sanctae Marthae” einrichtet. Aber wird es in Zukunft überhaupt einen Kardinalstaatssekretär brauchen? Und ein vatikanisches Staatssekretariat im bisherigen Zuschnitt? Säubern oder zerschlagen – das ist die Alternative, vor der Franziskus steht, wenn er aus Brasilien zurückkehrt und das beginnt, was man von ihm erwartet: Die römische Kurie zu reinigen. Doch wovon?
“Wie viel Geschwätz gibt es doch in der Kirche!”, hatte Papst Franziskus am 18. Mai in der Predigt bei der Frühmesse in “Sanctae Marthae” ausgerufen: “Die Schwätzerei – das ist doch, als ziehe man sich gegenseitig die Haut ab, nicht wahr? Ein gegenseitiges sich Wehtun. Es ist, als wolle man den Anderen herabmindern: Statt dass ich wachse, lasse ich den Anderen kleiner werden und fühle mich gross… Das Geschwätz ist destruktiv in der Kirche, es ist destruktiv… Es entspricht ein wenig dem Geist des Kain: den Bruder umbringen, mit der Zunge; den Bruder umbringen!”
Bei der Begegnung mit einigen Verantwortlichen einer lateinamerikanischen Ordenskonferenz sprach er dann am 6. Juni ein anderes Übel an, das im und um den Vatikan herum immer wieder für Gesprächsstoff sorgt: “Und ja… es ist schwierig. In der Kurie gibt es auch heilige Leute, wirklich, da gibt es heilige Leute. Aber da ist auch Strom von Korruption, das gibt es auch, das ist wahr. Die ‘gay lobby‘ wurde erwähnt, und es ist wahr, sie ist hier… Wir müssen sehen was wir machen können.” Diese eigentlich private Äusserung des Papstes gelangte irgendwie ins Internet und wird seither immer wieder zitiert. Die Seilschaft der homosexuellen Kleriker im Vatikan. “Das ist wahr, sie ist hier“: Immerhin sagt das der Papst.
Die italienische Wochenzeitung “L’Espresso“ und ihr Mann fürs Klerikale, der “vaticanista“ Sandro Magister, haben der an Skandalen interessierten Öffentlichkeit jetzt folgenden Fall präsentiert: Es geht um den Vatikanprälaten Battista Ricca, 57 Jahre alt, einen aus der Provinz Brescia stammenden Diplomaten im Dienst des Heiligen Stuhls. Während seiner Dienstzeit an der Apostolischen Nuntiatur in Uruguay in den Jahren 1999 bis 2001 soll sich Ricca manche für einen Kleriker ganz unklerikale Dinge geleistet haben: Nicht nur Treffs in Homosexuellen-Bars in Montevideo, sondern auch die Befreiung aus einem steckengebliebenen Aufzug durch die öffentliche Feuerwehr – die unfreiwillige “Haft” verbrachte er allerdings leider in Begleitung eines Strichjungen. Die Zeitung “L’Espresso“ tut so, als hätte sie für alle diese Vorfälle handfeste Beweise.
Der für seine gütige Milde bekannte Vatikansprecher Federico Lombardi SJ nannte den Bericht der Zeitung “wenig glaubhaft”, was “L’Espresso” wiederum zu der fast wütenden Erklärung veranlasste, jeden einzelnen Vorwurf gegen Ricca belegen zu können. So auch den nicht ganz unerheblichen Umstand, dass dieser seinen angeblichen Geliebten, einen ehemaligen schweizerischen Militäroffizier namens Patrick Haari, in der Nuntiatur in Montevideo in einem Zeitraum wohnen liess, während dem der Spitzenposten der Vatikanbotschaft wegen des Wechsels des Nuntius gerade unbesetzt war. Irgendwann war dann wieder ein Nuntius da, und zwar der polnische Erzbischof Janusz Bolonek, Ricca flog raus und landete – nach einem Zwischenaufenthalt in Trinidad und Tobago – wieder in Rom. Der Generalsekretär der Uruguayischen Bischofskonferenz, Heriberto Bodeant, sagte der Nachrichtenseite “Montevideo Portal“, er höre nun zum ersten Mal den Namen Ricca und könne nur spekulieren. Entweder habe Ricca sein Verhalten geändert oder er sei vorsichtiger geworden, um keinen neuen Skandal zu verursachen.
Dass sich Vatikanprälaten vor allem im Ausland nicht immer standesgemäss verhalten, ist in Vatikankreisen keine Neuigkeit. Das Dumme ist nur, dass Papst Franziskus ausgerechnet diesen Battista Ricca am 15. Juni zum “Prälaten des IOR” ernannt hat.
Denn Ricca wurde nach seiner Rückkehr nach Rom wieder vom Staatssekretariat in den Dienst genommen und erhielt 2006 den Auftrag, drei Gästehäuser des Vatikans zu leiten, darunter auch das Hotel “Sanctae Marthae” direkt neben dem Petersdom, in dem Franziskus heute wohnt. Dort lernte der Papst, als er sich am Getränkeautomaten des Hauses einen Kaffee zog, den Prälaten näher kennen. Der Mann gefiel ihm und Franziskus berief ihn in jenes Amt, in welchem der “Prälat des IOR” als Bindeglied zwischen dem aus Laien bestehenden Aufsichtsrat des vatikanischen Geldinstituts und dem für das IOR zuständigen Kardinalsrat eine höchst bedeutsame und einflussreiche Stellung hat.
Ob Ricca nun ein auf Vatikan-Ticket reisender und praktizierender Homosexueller ist – oder ob das Gerede über ihn sich nur als das von Papst Franziskus gegeisselte “Geschwätz” herausstellen wird, in jedem Fall handelt es sich hier um eine Krankheit im Vatikan. Die Zeitung “L’Espresso” und ihr Kirchenberichterstatter Sandro Magister mögen auf Gerüchte und Verleumdungen reingefallen sein. Dann sind die Gerüchte und Verleumdungen das Problem. Oder das, was man über Battista Ricca sagt, ist wahr.
Und das vatikanische Staatssekretariat hätte alles, was in Montevideo geschah, eiskalt vertuscht und Papst Franziskus auch nicht vor der Ernennung des “Prälaten des IOR” ordentlich informiert. Dann gilt es hier mit dem Bad der Reinigung zu beginnen. So oder so – Papst Franziskus wird noch viele eiserne Besen benötigen, bis auch in der römischen Kurie das wieder aufscheint, was gerade den Bischofsstuhl des heiligen Petrus auszeichnen sollte: ein Hauch von Heiligkeit.
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