“Wer der Welt verfällt, wirkt lächerlich”
Vor Apostolischen Nuntien legt Franziskus dar, wie man die richtigen Bischöfe findet
– Vatikan-Konzert: Rätselraten um den leeren Stuhl des Papstes. Von Guido Horst
Rom, Die Tagespost, 24. Juni 2013
Am Samstag ist der bereit gestellte Papst-Stuhl diesmal leer geblieben – ein Vorfall, der nicht unerwähnt blieb und in manchen italienischen Sonntagszeitungen sogar auf Seite eins landete. Im Rahmen des “Jahrs des Glaubens” hatte der Rat für Neuevangelisierung zum grossen Konzert geladen, in die Synodenaula, so wie es im Pontifikat Papst Benedikts häufig der Fall gewesen war.Das Symphonieorchester des staatlichen Fernsehens RAI spielte Beethovens Neunte, doch der Ehrengast, den zahlreiche Kurienprälaten und Politiker des Landes am Samstagnachmittag erwarteten, blieb aus. Papst Franziskus, so musste der Präsident des Neuevangelisierungsrats, Erzbischof Rino Fisichella, den Anwesenden mitteilen, sei wegen “uaufschiebbarer Verpflichtungen”verhindert. Der Papst arbeitete im Vatikan-Hotel “Sanctae Marthae“ – und das grosse Konzert konnte beginnen.
Wie dann auch das Konzert der Spekulationen hinter den Kulissen. Noch am gleichen Abend wies Vatikansprecher Federico Lombardi Mutmassungen über den Gesundheitszustand des Papstes zurück. “Es besteht kein Anlass zur Sorge um die Gesundheit des Papstes”, meinte er gegenüber Journalisten. Franziskus sei dem Konzert ferngeblieben, weil er einigen dienstlichen Verpflichtungen Vorrang gegeben habe, so Lombardi. Sein Kommen zu der Aufführung von Beethovens neunter Symphonie war ursprünglich in Aussicht gestellt worden. Offiziell bestätigt hatte der Vatikan die Teilnahme jedoch nicht. An diesem Sonntag werde Franziskus jedoch alle vorgesehenen Termine wahrnehmen, kündigte Lombardi an. Nach dem traditionellen Angelus-Gebet auf dem Petersplatz nahm Papst Franziskus dann einen italienischen Sonderzug mit 250 Kindern im Vatikan-Bahnhof in Empfang.
Der Vorgang ist bezeichnend. Zum einen scheint die Abstimmung von Papst Franziskus und dem ihn umgebenden Kurienapparat noch nicht richtig zu stimmen. Franziskus macht, was er will und was ihm richtig erscheint. Niemand kann darauf pochen, dass der Papst an jedem Konzert in der Audienzhalle teilzunehmen habe. Doch der weisse Stuhl inmitten der Ehrengäste blieb leer – und das war dann doch ein deutliches Zeichen, auch gegenüber den Musikern, die sich auf diesen besonderen Tag vorbereitet und wohl auch gefreut hatten.
Zum anderen nutzten manche Zeitungen die Gelegenheit, Franziskus Dinge in den Mund zu legen, die er bei dieser Gelegenheit gesagt haben soll. Eine Zeitung schrieb: Papst geht nicht zum Konzert. “Ich bin doch kein Renaissance-Fürst.” Eine andere: Franziskus lässt Symphonie ausfallen: “Keine Mondanität.”
Richtig ist, dass der Papst vor Apostolischen Nuntien am Freitag davon gesprochen hatte, nicht mondän, nicht weltlich zu sein. Und dass Franziskus kein Fürst der Renaissance sei, hatte ein Journalist geschrieben – der Papst hatte es so nie gesagt. Aber die Medien nutzen gerne diese Schlagworte, um Franziskus von seinem Vorgänger abzugrenzen. Ähnlich war es bereits am Abend seiner Wahl zum Papst gewesen: “Der Karneval ist vorüber”, habe Franziskus noch in der Sixtinischen Kapelle gesagt, so war damals zu lesen. Und die berühmte Mozzetta habe er Zeremonienmeister Guido Marini mit den Worten zurückgegeben: Die kannst Du selber tragen. Alles frei erfunden, aber manchen Blättern und Online-Diensten sind sie willkommenes Material, um an ihrem Franziskus-Bild zu basteln.
Tatsache ist, dass Papst Franziskus am Wochenende eine nicht unbedeutende Begegnung hatte – eine weitere Initiative zum Glaubensjahr und noch unter Benedikt XVI. geplant: 150 Vatikan-Diplomaten, die als Apostolische Nuntien in aller Welt ihre Dienste tun oder taten, kamen zu einem zweitägigen Treffen am Sitz der römischen Kurie zusammen. Der Papst empfing die Nuntien am Freitag und ging dabei auf die nicht unwichtige Frage der Kriterien für die Auswahl von Bischofskandidaten ein: “Väter und Brüder, bescheiden, geduldig und barmherzig” sollten sie sein, so Franziskus, zudem sei es eine wichtige Vorbedingung für zukünftige Bischöfe, dem Reichtum und Karrierestreben zu entsagen: “Wenn ihr einen habt, der das Bischofsamt anstrebt, dann geht das nicht”, erklärte Franziskus wörtlich.
Radio Vatikan gab in diesem Zusammenhang auch folgende Worte des Papstes wieder: “Ihr kennt den berühmten Ausdruck, der ein grundlegendes Kriterium bei der Wahl dessen darstellt, der regieren soll: ‘Si sanctus est oret pro nobis, si doctus est doceat nos, si prudens est regat nos – wenn er heilig ist, bete er für uns, wenn er gelehrt ist, lehre er uns, wenn er klug und erfahren ist, regiere er uns.’ Bei der delikaten Aufgabe, die Untersuchungen zu den Bischofsernennungen anzustellen, müsst ihr darauf bedacht sein, dass die Kandidaten Pastoren nahe bei ihren Gläubigen sind: Das ist das erste Kriterium. Hirten nah beim Volk. Aber, der ist doch ein grosser Theologe, ein schlauer Kopf… Na, dann soll er doch auf die Universität gehen, da wird er sicher viel Gutes tun! Aber Hirten? Die brauchen wir.”
Besonders wichtig sei es, so Franziskus weiter vor den Nuntien, dass Bischofskandidaten die Armut liebten – eine “innere Armut als Freiheit für den Herrn und äussere Armut als Einfachheit und Schlichtheit des Lebens”. Künftige Bischöfe sollten “nicht die Geisteshaltung von Fürsten haben”. Übertriebener Ehrgeiz sei fehl am Platz, schon von Papst Johannes Paul II. habe der Satz gestammt: “Volentes nolumus – Die, die wollen, wollen wir nicht.” Was die Nuntien selbst betreffe, so warnte Franziskus davor, in ihrem privilegierten Amt ein bequemes und ruhiges Leben zu suchen. “Der Welt zu verfallen, gibt gerade uns Hirten der Lächerlichkeit preis. Vielleicht erhalten wir etwas Applaus, aber dieselben, die uns scheinbar Zustimmung geben, werden uns hinter unserem Rücken kritisieren“, mahnte der Papst. Aber er dankte auch den Vatikan-Diplomaten für ihren Dienst und das “Nomadenleben“, das sie aufgrund der häufigen Versetzungen führen müssten, sie erwürben sich damit grosse Verdienste um die Kirche. Als Geschenk überreichte Papst Franziskus jedem der anwesenden Apostolischen Nuntien ein silbernes Brustkreuz. Ein klarer Hinweis: Schluss mit Gold.
Nach dem Gebet des Angelus am Sonntag war Papst Franziskus dann wieder ganz in seinem Element: In dem eigentlich ausgedienten Bahnhof des kleinen Kirchenstaats nahm er über 250 Jungen und Mädchen zwischen sechs und zehn Jahren zusammen mit ihren Betreuern in Empfang. Sie waren aus verschiedenen italienischen Städten am frühen Morgen von Mailand über Bologna und Florenz in einem Sonderzug der italienischen Eisenbahn direkt in den Vatikan gereist. Der Papst wechselte ein paar Worte mit den kleinen Gästen, die alle aus sozial schwierigen Verhältnissen kommen. Diese Aktion hatte sich diesmal nicht der Rat für die Neuevangelisierung, sondern der vatikanische Kulturrat unter Kardinal Gianfranco Ravasi im Rahmen der Initiative “Vorhof der Völker” erdacht. Allerdings fand der Empfang der Kinder durch den Papst unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die hatte Papst Franziskus vorher wie immer von einem übervollen Petersplatz aus beim Gebet des Angelus zugehört. Der leere Stuhl in der Audienzhalle war vergessen, mit Begeisterung verfolgte die Menge den Auftritt des Papstes von etwa zehn kurzen Minuten.
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