Wie Christen mit dem Zeitgeist umgehen sollten
Kongress für Psychotherapie und Seelsorge: Bindung an Jesus ist entscheidend
Würzburg, kath.net/idea, 12. Mai 213
Christen sind dazu aufgerufen, die Geister zu unterscheiden. Sie sollten weder alles verurteilen, was jetzt anders ist als früher, noch alles bejubeln, was als hip und neu erscheint. Das forderte der Professor für Praktische Theologie, Michael Herbst (Greifswald), zur Eröffnung des 7. Internationalen Kongresses für Psychotherapie und Seelsorge. Er fand vom 8. bis 11. Mai in Würzburg statt. Bei der Tagung befassten sich rund 850 Psychiater, Psychotherapeuten, Seelsorger, Theologen und Lebensberater mit der Frage, vor welche Herausforderungen der Zeitgeist Psychotherapie und Seelsorge stellt. Veranstaltet wurde der c (APS).
Herbst zufolge besteht die entscheidende seelsorgliche Hilfe darin, sich ganz eng an Jesus Christus zu binden. Das sei der “härteste Widerspruch gegen den Zeitgeist”. Das Evangelium biete angesichts eines riskanten Lebens den Zuspruch von Gnade und ermögliche, neu zu beginnen. Seelsorge könne aber nicht alle Fragen beantworten. Sie gebe eine Richtung vor und helfe, Gottes Willen in der Bibel zu erkennen und tapfere, mündige Entscheidungen zu treffen. Zugleich gelte es, Mehrdeutigkeiten auszuhalten. Es gebe keine eindeutigen Lösungen für die Gestaltung des Lebens, der Mobilität, der neuen Rolle in Ehe, Familie und Beruf. Seelsorger könnten keine Entscheidungen abnehmen, sondern wollten helfen, Entscheidungen an Jesus Christus zurückzubinden.
Zwei Sichtweisen auf den Zeitgeist
Herbst zufolge bietet die Bibel zwei Sichtweisen auf den Zeitgeist: Zum einen warnt sie vor dem “Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams” (Epheser 2,2). Christen sollten die Zeit auskaufen, “denn es ist böse Zeit” (Epheser 5,16). Herbst: “Christlicher Glaube ist so gesehen eher kulturkritisch, er ist kritisch gegen das, was sich gerade jetzt den Menschen als neu, besser, empfehlenswert und heilsam anbietet.” Er käme mit dem Mut zum Anderssein daher.
Zugleich biete die Bibel aber eine zweite, freundlichere Sicht auf die Gegenwart, die sie als “Zeit der Gnade” (2. Korinther 6,2) bezeichnet. “Die Zeit, in der ich lebe, ist dann auch die Zeit, in der Gott seinen Geist gibt, und die mir besondere Gelegenheiten anbietet, die ich jetzt ergreifen soll“, erklärte der Theologe.
Wer beide Perspektiven berücksichtige, werde weder zum Dauerskeptiker noch zum angepassten Zwilling des Zeitgeistes, so Herbst.
Der Moloch Mobilität und der “Tod der Hausfrau“
In seinem Vortrag ging Herbst auf drei Phänomene der Gegenwart ein: 1. Mobilität. Die Menschen reisten, pendelten und zögen mehrfach im Leben um. Andauernde Wohnortwechsel habe es früher nur bei Berufssoldaten und Diplomaten gegeben. Diese Mobilität stresse, mache heimatlos und belaste die Gesundheit. Herbst: “Der fromme mobile Mensch kann Gott und dem Nächsten dienen – in einer Weise, die neu und faszinierend ist.
Zugleich hat dieser Zeitgeist seinen Dämon: Er zerstört tendenziell lebenswichtige Beziehungen. Er fordert wie Moloch das Opfer der Kinder, die in der Regel nur noch als Betreuungsfälle thematisiert werden.”
Ein zweites Phänomen der heutigen Zeit ist für Herbst der “Tod der Hausfrau”. Frauen beanspruchten im Beruf zunehmend dieselben Chancen wie Männer. Auch in christlichen Ehen werde das Modell der Hausfrau verabschiedet. Allerdings dürfe man nicht nur über die erhofften Zugewinne bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie reden, sondern müsse auch über die damit verbundenen hohen Kosten und den massiven Verzicht sprechen.
Ist der Zeitgeist Atheist?
Ein drittes Phänomen kleidete Herbst in die Frage: “Ist der Zeitgeist Atheist?“ Der Theologe wies auf eine Umfrage des Bertelsmann-Religionsmonitors hin. Danach gaben 67 Prozent der Befragten unter 29 Jahren an, nicht zu beten. Ein Drittel der Bevölkerung bezeichnet sich als religionslos; in Ostdeutschland sind es 79 Prozent. Dem stünden nur 23 Prozent gegenüber, die sich dezidiert als Christen bezeichneten. Daneben gebe es zwei weitere Gruppen, die spirituell auf der Suche sind und dabei auch auf Praktiken anderer Religionen zurückgreifen. Dies wirke sich auch auf die Mitglieder der evangelischen Kirchen aus. Von ihnen bezeichneten sich nur 22 Prozent als dezidierte Christen; 30 Prozent stimmten hingegen atheistischen Auffassungen zu. Es gebe in der Gesellschaft eine “lautlose Atheisierung” bis in die Kirchen hinein, so Herbst.
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