“Lage in Ägypten ernst”
Ägypten von Gewalt zwischen Muslimen und Christen erschüttert
Koptischer Bischof Damian: “Wir werden tagtäglich unterdrückt”
Kairo, Die Tagespost/om, 8. April 2013
Mit Erschütterung hat der Generalbischof der koptisch-orthodoxen Kirche in Deutschland, Anba Damian, auf die Zusammenstösse von Muslimen und Christen am Wochenende in Ägypten reagiert. Gegenüber dieser Zeitung sagte der Bischof am Montag: “Die Lage in Ägypten ist sehr ernst. Wir Christen werden tagtäglich unterdrückt. Wir sind Bürger zweiter Klasse geworden.”
Bei den Unruhen waren am Samstag fünf Menschen in der nahe Kairo gelegenen Stadt Chusus getötet worden, vier davon Christen. Auslöser sollen gemäss Medienberichten von christlichen Kindern an einem islamischen Gebäude angebrachte Hakenkreuzschmierereien gewesen sein. Einer anderen Version zufolge sollen muslimische Kinder die Schmierereien angebracht haben, für die indes anschliessend Christen verantwortlich gemacht wurden. In der Folge versammelten sich dann aufgebrachte Salafisten um die koptische Georgskirche, die von Christen bewacht wurde. Hier soll es zu Schüssen gekommen sein, bei denen vier Christen und ein Muslim ums Leben kamen.
Auf die Frage, ob von christlichen Kindern angebrachte Graffitis die Unruhen ausgelöst hätten, sagte Bischof Damian: “Wir haben genug von diesen Storys. Das wird immer dazu erfunden, wenn wieder einmal Christen zu Opfern werden. Mal ist es eine angebliche Liebesgeschichte zwischen einem Christen und einer Muslima, dann sind es Kinder, die irgendetwas getan haben sollen. Selbst wenn ein Kind ein Gebäude anschmiert, ist das noch kein Grund für die Tötung von Menschen. Wenn Sie die Wand einer Moschee berühren, dann geht die Welt unter. Wenn unsere Kirchen verwüstet werden, dann passiert gar nichts. Die Massstäbe stimmen nicht mehr.” Bischof Damian macht derweil die Hasspredigt eines Imams für die Gewalt gegen Christen verantwortlich. “Wir Christen haben keine Waffen. Ein Imam hat die Leute aufgehetzt, gegen Christen vorzugehen.”
Bei der Trauerfeier für die christlichen Toten in der koptischen Markuskathedrale kam es am Sonntag Abend dann erneut zu Übergriffen. Nach dem Ende des Gedächtnisgottesdienstes bewarfen Unbekannte die Gläubigen, die das Gotteshaus verliessen, mit Steinen und Molotowcocktails. Ein Kopte wurde dabei getötet, über 20 verletzt. Ein der Kathedrale benachbartes Gebäude ging in Flammen auf. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein. Erst am frühen Montagmorgen soll sich die Lage um den Sitz des koptisch-orthodoxen Patriarchen wieder beruhigt haben. Bischof Damian kritisierte in diesem Zusammenhang scharf, dass die Sicherheitsbehörden bei dem Übergriff auf Trauerfeiern in Kairo nicht entschieden genug eingegriffen hätten. “Bei der Markuskathedrale und der päpstlichen Residenz handelt es sich um die Symbole der koptischen Kirche weltweit. Als die Trauernden die Kathedrale verliessen, ging ein wahrer Regen von scharfer Munition auf sie nieder. Wir Christen wurden nicht nur unter den Augen der Sicherheitsbehörden angegriffen, sondern mit ihrem Wissen und ihrer Mitwirkung. Das ist wie unter dem alten Regime, als man von den anderen Problemen des Landes ablenken wollte.”
Ägyptens Staatspräsident Muhammad Mursi hat derweil eine Untersuchung der Vorfälle angeordnet. Dem staatlichen Fernsehen zufolge betonte er gegenüber dem koptischen Patriarchen Tawadros II. in einem Telefonat, dass jeder Angriff auf die Markuskathedrale wie ein Angriff auf ihn selbst sei. Auch die Muslimbruderschaft verurteilte die gewalttätigen konfessionellen Zusammenstösse. Ausweislich der Seite “ahramonline” liess die Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, ihr politischer Arm, verlauten, dass sie die Opfer dieser unseligen Zusammenstösse unabhängig von ihrer Religion bedaure. Die Behörden müssten die Verschwörung, die darauf abziele, Streit zwischen den verschiedenen Gruppen Ägyptens zu säen, aufdecken und die Schuldigen bestrafen. Auch der Grossimam der renommierten Al-Azhar-Universität, Ahmed Al-Tayeb, forderte der Agentur MENA zufolge Massnahmen, um derartige Vorfälle zu verhindern. Der Nationalcharakter Ägyptens, der Muslime wie Christen gleichermassen umfasse, müsse bewahrt werden. Bischof Damian wies derartige Bekundungen als ungenügend zurück. “Man kann uns nicht angreifen und unsere Gläubigen töten, und uns dann mit orientalischen Freundlichkeiten beruhigen. Diese Zeiten sind vorbei. Wir wollen Taten sehen. Die Hasspredigten gegen Christen müssen aufhören. Die Islamisierung des Landes muss gestoppt und Christen und Muslime endlich gleich behandelt werden.
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