Schlicht und einfach Papst

Gut eine Woche ist Franziskus nun Papst

Papst Franziskus by Casa RosadaDie Tagespost, 20. März 2013, von Markus Reder

Gut eine Woche ist Franziskus nun Papst. Noch immer ist alles neu und das Meiste unbekannt. Jorge Mario Bergoglio hat keine Bücher geschrieben, durch die man sich über Nacht in sein Denken und seine Theologie graben könnte. Weil er sich selbst nie für die eigentliche Botschaft hielt, gibt es auch kaum Publikationen über ihn. Das wird sich bald ändern, weil alle Welt jetzt wissen will, wer dieser Mann ist, der in seinen ersten Amtstagen für so viel Begeisterung sorgt und dabei mit seinem neuen Stil auch manche irritiert. Schlicht und einfach waren seine ersten Auftritte, schlicht und einfach auch seine Amtseinführung. Sein Name ist offenkundig Programm und die Nähe zu den Menschen seine offensichtliche Leidenschaft.

Doch je unbekannter ein Papst, desto grösser ist auch die Projektionsfläche, die er bietet. Und da wird derzeit leider auch viel Unsinn projiziert. Die einen sind überzeugt, Franziskus werde nun endlich die Dogmen abschaffen. Andere meinen, er schreite in seinen schwarzen Schuhen zu einer päpstlichen Palastrevolution, bei der kein Stein mehr auf dem anderen bleiben werde. Und Dritten fehlt das Sensorium für seine Bescheidenheit. Sie wähnen darin versteckte Arroganz. Ähnlich abenteuerlich sind Äusserungen in öffentlich-rechtlichen TV-Nachrichten, wonach bei der Amtseinführung des neuen Papstes Sätze der Befreiungstheologie über den Petersplatz gehallt seien. Wer so etwas sagt, hat weder Ahnung von Befreiungstheologie, noch vom Zweiten Vatikanum, wo die “Option für die Armen” ihren festen Sitz in Lehre und Leben der Kirche hat.

Es wäre schon viel gewonnen, wenn jetzt nicht jeder seine eigenen Kirchenträume oder Albträume auf diesen neuen Papst projizierte, sondern – in genau der Haltung, die Papst Franziskus vorlebt – demütigt zuhört und zusieht, was dieser Heilige Vater tatsächlich sagt und tut. Nur daraus erschliesst sich seine Botschaft. Sicher, dieses Pontifikat bedeutet eine unverkennbare Zäsur. Das war nach dem “Doppelpontifikat” Johannes Pauls II. und Benedikts XVI. nicht anders zu erwarten. Dass die Zäsur im Stil so deutlich ausfällt, mag für manche gewöhnungsbedürftig sein. Es sollte aber nicht über die Gemeinsamkeiten hinwegtäuschen, die vor lauter Freude über einen Neuanfang unter den Tisch zu fallen drohen. Zumal es einen Neuanfang in der Kirche ohnehin nicht geben kann, weil alles auf den in Christus gemachten Anfang aufbaut.

Als Franziskus in seiner Predigt bei der Amtseinführung dazu aufrief, Hüter der Schöpfung, des in die Natur hineingelegten Planes Gottes zu sein, da war er ganz bei Benedikts “Ökologie des Menschen” und nicht bei den Mülltrennungsdogmatikern, die von Umweltschutz reden und Bäume umarmen, aber die Würde des Menschen und die Bedeutung der Familie relativieren. Und in Franziskus’ Äusserungen von den “Herodesen”, “die Pläne des Todes schmieden” und “das Gesicht des Menschen zerstören und entstellen” klang die “Kultur des Todes” (Johannes Paul II.) ebenso an wie die “Diktatur des Relativismus”, vor der Benedikt XVI. warnte. Nur spricht Papst Franziskus eben eine andere Sprache als der grosse Theologe, der vor ihm in den Spuren des Fischers ging. Benedikt XVI. theologisch zu toppen, wäre für jeden genauso unmöglich gewesen, wie Johannes Paul II. zu kopieren. Vielleicht zeigt sich gerade in der Andersartigkeit des jeweils Neuen die Dramaturgie des Heiligen Geistes. Wer von Papst Benedikt XVI. gelernt hat, dass Glaube und Vernunft zusammengehören, der sollte jetzt jedenfalls Herz und Hirn einschalten, wenn es gilt, die Botschaft des neuen Papstes zu verstehen. Franziskus ist nicht die Projektionsfläche unseres Ego oder unserer Vorlieben, sondern schlicht und einfach der Papst.

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