Rom: Vor einer grossen Zäsur
Der berühmteste Kamin der Welt ist montiert
Die Tagespost, 11. März 2013, Markus Reder
Der berühmteste Kamin der Welt ist montiert. Jetzt heisst es warten, bis weisser Rauch aufsteigt. Nach ausführlichem Meinungsaustausch ziehen 115 Kardinäle an diesem Dienstag in die Sixtinische Kapelle, um den Nachfolger von Papst Benedikt XVI. zu wählen. Das ist an sich schon ein historisches Ereignis, das diesmal eine einzigartige Steigerung dadurch erfährt, dass ein Papa emerito wenige Kilometer entfernt in Castel Gandolfo diese Papstwahl mit seinem Gebet begleitet.
Mit dem Beginn des Konklaves endet die Zeit des Spekulierens. Das ist gut, weil all das, was in den vergangenen Wochen an taktischen Überlegungen und möglichen Kandidaten, an aussichtsreichen Papabili und denkbaren Aussenseitern durch die Öffentlichkeit gegeistert ist, das grosse geistliche Geschehen in der Sixtina in den Hintergrund zu drängen droht.
Klar ist, darin sind sich vatikanische Beobachter vor diesem Konklave einig wie selten, dass es diesmal keinen derart herausragenden Kandidaten gibt, wie Ratzinger das 2005 gewesen ist. Vieles erinnert eher an die Situation von 1978, als mit Karol Wojtyla am Ende einer die Loggia des Petersdomes betragt, den vorher so gut wie keiner auf der Liste hatte. Aber auch solche Vergleiche hinken. 2013 steht die Kirche vor einer anderen Situation und vor neuen Herausforderungen. Auf das Jahrtausend-Pontifikat des prophetischen Mauerbrechers aus Polen folgten Jahre der Vertiefung, der theologischen Konzentration auf die Mitte des Glaubens unter Benedikt XVI. Die ganze Bedeutung seines Pontifikates wird sich ohnehin erst aus der Distanz von Jahren ermessen lassen, wenn die Saat des Theologen-Papstes im Ackerboden der Kirche aufgeht.
Nach der Ära Wojtyla-Ratzinger, die 1978 begann und mit dem Rücktritt Benedikts XVI. endete, steht die Kirche nun vor einer Zäsur, die weit grösser ist als 2005. Daher rührt die grosse Ungewissheit und die spürbare Spannung, die bereits über den Generalkongregationen der Kardinäle lag. Die Kardinäle haben sich Zeit genommen. Besser ausführlich vorher reden als ein langes Konklave, war ihre Devise. Ob es so kommt, wird sich jetzt zeigen.
Wer als Papabile in das Konklave hineingeht, kommt als Kardinal wieder heraus, lautet ein in diesen Tagen oft zitiertes Sprichwort, dessen Wahrheitsgehalt sich mit Blick auf Paul VI. oder Pius XII. allerdings durchaus widerlegen lässt. Scola, Scherer, Ouellet lauten die zuletzt besonders hoch gehandelten Namen. Hier scheinen sich Journalisten und Wettbüros allerdings sicherer als die Kardinäle selbst. Unter den Purpurträgern räumen auch unmittelbar vor dem Konklave etliche ein, sich noch nicht festgelegt zu haben, wem sie im Angesichts von Michelangelos Jüngstem Gericht ihre Stimme geben. Von besonderer Bedeutung dürfte in dieser Situation der erste Wahlgang sein. Da zeigt sich, wer fünf oder zehn Stimmen auf sich vereinigt, und bei wem es vielleicht schon zwanzig, dreissig oder mehr sind. Von da nimmt eine Dynamik ihren Ausgang, von der heute noch niemand sagen kann, auf wen sie am Ende hinausläuft. Katholiken glauben, dass darin der Heilige Geist wirkt und sich der Wille Gottes offenbart. Für die Kardinäle zu beten, dass sie den finden, den Gott für das Petrusamt bestimmt hat, das ist in dieser historischen Woche die Aufgabe, ja die Pflicht aller gläubigen Katholiken.
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